Die große Klappe funktioniert wieder

Ruth und Bubi Auf Flohmärkten finden sich oft achtlos fortgeworfene Briefe aus Nachlässen. Dabei erzählen sie manchmal wundervolle Geschichten. Diesen sei hier Raum gegeben

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Die große Klappe funktioniert wieder

Berlin-Pankow, am 7.8.57
(178)

(Stenographie-Zeichen)

Meine liebe, gute Kleine!

Alles ist wieder gut. Gestern und heute je ein Briefchen von Dir - wenn das nichts wäre! Hab recht vielen Dank. Es wird dich hoffentlich nicht zu sehr langweilen, wenn ich Dir heute schon wieder schreibe. Einerseits muß ich jetzt - es ist 21.30 Uhr - noch ein paar Minuten mit dir plaudern, andererseits hatte ich ja eigentlich noch ein paar Zeilen für gestern versprochen. - Da hat mich aber gestern die "Zahnlücke" so eifrig geplagt, daß ich keinen richtigen Gedanken fassen konnte. Vorher war ich noch zu einem Plauderstündchen bei einem Freund gewesen. So ist es mit dem Schreiben bis heute geblieben. -

In der Fülle des Gesprächs- und Gedanken- bzw. Erlebnisstoffes der vergangenen 10 Tage das herauszufinden, das vielleicht den Vorrang haben könnte, ist schwer. Es wäre wohl auch zu oberflächlich, so daß ich Dir lieber einen chronologisch geordneten, lückenlosen mündlichen Bericht für das Wochenende anbiete. Bist Du einverstanden? -

Zunächst möchte ich noch ein Versäumnis in den letzten beiden Briefen tilgen. Alle Heidelbacher einschließlich Frau Maschatzke und des Ehepaars Müller grüßen Dich, sowie Mutte und Vati recht herzlich. - So erlebnisreich diese Tage auch waren - ohne Dich waren sie eben nur "äußerlich". -

Heute waren wir, d.h. die Mitarbeiter des Ministeriums zum Empfang vor dem Ostbahnhof. Es waren viele Berliner unterwegs. - Heute abend hatten wir Sitzung der Hausgemeinschaftsleitung. Es dauerte von 20 bis 21:30 juhr. Dabei habe ich mir erlaubt, nochmals die gesamte Sache mit dem Zimmer zur Aussprache zu bringen. Die Beschaffung des Geldes für den Ausbau - einschl. Ofen - ist aber über den Versuch noch nicht hinaus. - Ja, Du hast schon recht - wir müssen eben hinwursteln, so scher es uns (eben) auch fällt. -

Halten wir immer so fest wie jetzt zusammen, dann nehmen wir alle diese Hürden ohne Schäden an unserem unzertrennlichen Weg der Gemeinsamkeit. - Nach und nach steigert sich bei mir wieder das Interesse an der "Futteraufnahme" in dem Maße, in dem sich die Schwellung der rechten Untrekieferhälfte zurückbildet. Seit heute mittag eitert auch der Kiefer nicht mehr. - Der häßliche Mundgeruch ist schon fast wieder weg, nachdem ich ziemlich gespült habe. Alles in allem - die große Klappe funktioniert wieder. -

Bis zum Wiedersehen - ich komme wahrscheinlich doch mit dem 2. Zug* -

Grüßt dich von ganzem Herzen (Stenographie-Zeichen)

Dein Bubi

*(Stenographie-Zeichen)

Alle Briefe von Bubi an Ruth gibt es hier.

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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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