Die Kette der Ehe

Ruth und Bubi Auf Flohmärkten finden sich oft achtlos fortgeworfene Briefe aus Nachlässen. Dabei erzählen sie manchmal wundervolle Geschichten. Diesen sei hier Raum gegeben

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Die Kette der Ehe

Freiberg, am 25.10.1955
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Meine liebe Ruth!

Eigentlich habe ich Dich recht lange warten lassen und Du wirst mir darüber wohl böse sein. Die letzte Woche war allerdings auch sehr mit zusätzlicher Arbeit ausgefüllt. Nun, davon sollst du noch erfahren. -

Zunächst möchte ich mich erst einmal für Deine beiden lieben Briefe vom 17. u. 20.1o danken und Dich bitten, mir nicht böse zu sein, weil ich am Samstag nicht geschrieben habe.

Wegen den Reisebekanntschaften wird es aus zwei Gründen dieses Mal nichts werden, weil 1. auf der Fahrt die Hausarbeit von mir noch ein einmal durchgesehen werden muß und 2. die Freude, Dich bald wiederzusehen, alles andere recht unbedeutend, ja störend empfinden lassen wird. Auch habe ich ein klein wenig Angst, da mich ja auch noch eine "Bestrafung" erwartet. Doch das werden wir wohl "mündlich" ausmachen müssen. -

Im Betrieb war am Sonnabend eine "Palastrevolution". Ohne eine Absicht habe ich durch eine gute Laune seit meiner Rückkehr in den Betrieb mit dazu den Anlaß gegeben. Doch darüber am Sonnabend bis Montag mehr. -

Deine Kollegen sind scheinbar sehr darum besorgt, daß Du auf alle Fälle heiraten sollst. Das ist übrigens auch meine Sorge, nur mit dem Unterschied, daß ich als Werber für den ältesten Sohn meines Vaters fungiere. Es ist nun einmal doch so, wie Nicolas Chamfort meinte:

"Die Kette der Ehe ist so schwer, daß sich zwei zusammentun müssen, um sie zu tragen. Manchmal auch drei." - Oder:

"Sinnlichkeit in Herzenswärme umzusestzen ist die Aufgabe der Ehe."-

Mein kleiner Bruder hat sich übrigens in der Zwischenzeit ganz heimlich verlobt. Am Sonntag war ich zu Hause zum Arbeits"einsatz". Scheinbar hat sich mein Bruder nun endgültig damit abgefunden, denn er hatte verhälnismäßig gute Laune. Das hat mich ganz besonders gefreut. -

Nun will ich Dir aber noch etwas von den letzten Wochen berichten. Am Dienstag haben wir uns gleich morgens den Thälmann-Film (II. Teil) gemeinsam angesehen. Am Abend habe ich wieder an der Schreibmaschine gesessen und die Tasten traktikert. -

Die Arbeitszeit war die ganze Woche hindurch mit der permanenten Inventur einschließlich Differenzen ausgefüllt. - Am Mittwoch nach Arbeitsschluß wie immer: 18, 20. 22 ... ich passe ... - Donnerstag und Freitag nach dem Dienst die letzte Frisur der Hausarbeit. Am Freitag wollte ich es unbedingt erzwingen, so dass meine Gedächtniskuppel zu streiken anfing. - Sonnnabend habe ich die Arbeit zum Buchbinden gebracht -

Am Sonntag ging es zu Hause tüchtig rund. Die Ernte ist zwar bis auf ein paar Futterrüben geborgen, aber es gibt ja noch allerhand zu tun. Gestern war ich in Dresden-Bannewitz zur Konsultation. Als ich nach Hause kam, habe ich es im Interesse der Schonung des Nervenkostüms - müde war ich außerdem - vorgezogen, gleich in das Bett zu verschwinden. - Soweit mein Bericht, damit auch Du weißt, daß ich beinahe brav war. -

Mein lieber, kleiner Räuber! Etwas will ich dir noch vorher verraten, bevor wir uns wiedersehen. Als ich mich von meinen Eltern am Sonntag zur Rückfahrt nach Freiburg verabschiedete, wünschte mir meine Mutter viel Glück für die Fahrt zu Dir. Uns begleitet ihr Wunsch, wir beide möchten recht glücklich werden. Darüber habe ich mich besonders gefreut. Freust Du dich mit mir? -

Zum Schluss habe ich noch eine Bitte. Wie Du aus dem beiligenden Durchschlag meines Schreibens an das Parkhotel siehst, habe ich dort ein Zimmer bestellt. Falls es Dir keine Umstände macht, möchte ich Dich bitten, vielleicht mal anzufragen, ob es auch klappt. Wenn nicht, dann wäre evtl. (vielleicht beim Reisebüro) woanders noch eine Möglichkeit, daß es am Freitag noch klappt. Am Sonnabend ist es u. U. schon zu spät. -

Mit der Bitte, daß Du Dir keine allzu große Lauferei aufhalst - am Sonnabend habe ich doch auch noch etwas Zeit zur Verfügung - will ich heute schließen.

Bleibe recht gesund und sei recht herzlich bis zum Wiedersehen gegrüßt von

Deinem Rudi.

Viele Grüße auch an Deine Eltern..

(Fortsetzung folgt.)

Alle Briefe von Bubi an Ruth gibt es hier.

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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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