Finale (2)

64. Berlinale Zum Ende noch schnell ein bisschen was mit Sex

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Tippeditipp. Nick Cave in "20,000 Days on Earth" von Iain Forsyth, Jane Pollard
Tippeditipp. Nick Cave in "20,000 Days on Earth" von Iain Forsyth, Jane Pollard

Foto: Chloë Thomson

Ich habe den zweiten Teil des Finales nicht vergessen, höchstens beinahe mich selbst aufgrund von zu vielen Verpflichtungen. Aber weil diese nicht weniger werden, sei hier nun endlich auf zwei Dokumentationen hingewiesen, die mir nachhaltig in Erinnerung geblieben sind.

*

„Das Zeigen der Vulva vertreibt Bären und Löwen, lässt den Weizen höher wachsen, beruhigt Sturmfluten und Dämonen haben Angst davor. Der Teufel läuft weg. Das Zeigen der Vulva rettet die Welt.”

So war das einmal vor langer Zeit. Der Film Vulva 3.0 von Claudia Richarz und Ulrike Zimmermann beschäftigt sich damit, wie das weibliche primäre Geschlechtsorgan heute betrachtet, verhandelt, versteckt, modelliert wird. Darin tauchen zwei Menschen auf, die ich im Laufe der Dokumentation zu gerne geschüttelt hätte: eine Intimchirurgin (auch im Teaser http://www.youtube.com/watch?v=nffYIytkKxw zu sehen), die anhand von Fotos zeigt, ab wann eine Vagina angeblich hässlich ist (demnach fast jede) und ein Bildretoucheur, der beruflich Schamlippen kürzt und stolz darauf ist, dass er eine Frau hat, die untenrum seinem Schönheitsideal entspricht.

Zum Glück ist der Film ansonsten voll mit wunderbaren Menschen, die sich alle auf ihre Weise mit der Vulva beschäftigen und sie belobhudeln. Am besten fand ich Laura Méritt, die sagte, sie habe das Victory-Zeichen längst umfunktioniert, bei ihr stehe das V für Vagina. (Bei mir jetzt auch.) Ich hatte leider keine Zeit mehr, um der anschließenden Diskussion mit den Regisseurinnen beizuwohnen.

*

Bei der anderen Dokumentation handelt es sich um 20.000 Days On Earth (http://www.20000daysonearth.com/) von Iain Forsyth und Jane Pollard, die darin dem Musiker Nick Cave huldigen. Ihnen ist etwas sehr Außergewöhnliches gelungen: sie haben es irgendwie geschafft, eine Dokumentation zu drehen, die trotzdem wirkt wie ein Spielfilm. Weil sie zwar Nick Cave begleiten, fast jeder seiner Schritte, jede Einstellung aber eben doch inszeniert wurden - ohne dabei künstlich oder falsch zu wirken. Wir sind einen Tag an Nick Caves Seite, fahren mit ihm zum Therapeuten, bei dem er über seinen Vater spricht, gehen mit ihm essen, besuchen mit ihm sein Archiv. Während des ganzen Films sehen wir keine alten Aufnahmen. Wenn es um die Vergangenheit geht, werden höchstens ein paar Bilder gezeigt und wie Geister sitzen immer mal wieder Personeb von früher auf der Rückbank seines Wagens und unterhalten sich mit ihm. Beispielsweise Blixa Bargeld oder Kylie Minogue.

Ich war seinerzeit ein großer Fan von Nick Cave. Nach einem Konzert waren wir einmal Backstage und ich habe mich getraut, mir die Rückseite des Tickets unterschreiben zu lassen. (Er hat nur NIK geschrieben, ohne C) Leider ist das Autogramm während einer meiner Umzüge verloren gegangen. Ich wollte eigentlich nicht mehr zu einem seiner Konzerte gehen, irgendwie ist die Zeit vorbei. Aber er erzählt im Film davon, wie das Auftreten für ihn ist und dass er vor allem für die ganz vorne in dene ersten Reihen spielt, mit ihnen interagiert, ihnen Furcht einflößen möchte - was dann auch gezeigt wird. DAS will ich gerne einmal erleben. Dank des Films ist mir wieder bewusst, was für ein großartiger, sexy Künstler Nick Cave ist. Ich war leider nicht zur Premiere dort, als er anwesend war, hatte aber wenigstens die Möglichkeit, den Film im IMAX-Kino zu sehen. Riesig!

Bonus Track

Nicht mehr während der Berlinale, dafür letzten Donnerstag, habe ich mir den ersten Teil von Nymphomaniac (http://nymphomaniac-derfilm.de/) von Lars von Trier angeschaut. Darin erzählt Joe jenem Mann, der sie verletzt im Hof gefunden hat, in einzelnen Kapiteln von sich und ihrem Bezug zur Sexualität. Was für ein Film! Ich habe alles mögliche erwartet, aber nicht das! Er ist witzig, tiefgründig, total meta, verspielt und der Sex auf eine sonderbare Weise relativ beiläufig - obwohl es doch ständig darum geht. Ich bin nach wie vor ziemlich sprachlos (Herr Knörer zum Glück nicht: https://www.freitag.de/autoren/ekkehard-knoerer/die-rhetorektion ) - und mir sicher, dass ich den Film noch häufiger anschauen werde. Ich muss seither jeden Tag daran denken. So gesehen mein bester Berlinale-Film.

Postscriptum

Bei einem der japanischen Filme erzählte der anwesende Regisseur vorm Filmstart sehr, sehr lange etwas auf Japanisch und der Übersetzer las dann in recht unverständlichem Englisch vom bereits vollgeschriebenen Block ab, was der Regisseur zuvor gesagt hat. Japanisch ist mir immer noch so fremd, ich verstehe nach wie vor kein Wort, wenn ich die Filme gucke. Mit dem Versuch vor über zwei Jahren, die Sprache autodidaktisch zu lernen, bin ich gescheitert. Deshalb fange ich im März einen Japanisch-Kurs an, übe ab sofort mit dem Sprachlernprogramm auf meinem Computer und lerne Vokabeln mit Hilfe der Telefon-App. Außerdem plane ich für den kommenden Herbst erneut eine Japan-Reise. Und gemeinsam mit einer Freundin wollen wir über Ostern ein privates Japan-Film-Festival in meiner Wohnung abhalten. Danke, liebe Berlinale, für die Inspiration dazu.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden