Hey Jude

63. Berlinale Ja, er sieht genau so toll aus wie in seinen Filmen. Nein, es ist mir nicht peinlich. Wie ich eine schöne Zeit am Potsdamer Platz hatte, ganz ohne zu schlafen

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Jude Law ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ und ... äh ... Rooney Mara
Jude Law ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ und ... äh ... Rooney Mara

Foto: Maike Hank

Den gestrigen Tag verbrachte ich ausschließlich zuhause – der Rekonvaleszenz wegen. Ich zog es vor, heute wieder erholt zu sein, anstatt einen der Erschöpfung geschuldeten Nervenzusammenbruch zu erleiden. Für Außenstehende mag dies überzogen scheinen, doch dieser Wechsel zwischen Entspannung während des Films und Anspannung zwischen den Filmen sowie die ständige Konfrontation mit zu vielen Menschen und die schlechte Ernährung, dies alles schlägt schnell aufs Gemüt und die körperliche Konstitution. Wenigstens sei an dieser Stelle zu berichten, dass ich zum Trost einen meiner Lieblingsfilme vom letzen Jahr (bitte hier nach unten scrollen) auf YouTube fand, wo ein sehr freundlicher Mensch ihn vollständig und mit anknipsbaren Untertiteln online stellte: Rentaneko der japanischen Regisseurin Naoko Ogigami.

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Die heutige Vorführung von Steven Soderberghs Sideeffects versäume ich zugunsten eines formidablen Platzes auf der direkt im Anschluss stattfindenden Pressekonferenz. Den Film würde ich morgen im Friedrichstadtpalast nachholen, das Ticket dafür habe ich bereits. Ich bin vermutlich eine der Wenigen, die am Presseticket-Schalter immer die Karten entgegennehmen wie kleine Schätze und sich mehrfach und glücklich dafür bedanken. Ich erahne dies am heutigen Grinsen des jungen Mannes, der mir die Karten überreichte.

Und dann findet die Pressekonferenz statt und ich bekomme kaum mit, was dort geredet wird. Eine gute halbe Stunde verbringe ich primär damit, Jude Law anzuglotzen oder unauffällig (haha) zu fotografieren. Gut, dass neben mir eine wildgewordene Spanierin sitzt, die ständig ihr iPad in die Höhe hält und von uns anderen, weitaus zurückhaltenderen Menschen ablenkt. Als ich an mir herunter blicke, merke ich, dass ich für den heutigen Anlass die Strickjacke anzog, auf der sich die meisten Katzenhaare befinden. Profi.

http://www.ruhepuls.ws/jude.png

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Damit die Euphorie nicht zu lange anhält, sehe ich mir im Anschluss Camille Claudel 1915 von Bruno Dumont an. Allein Juliette Binoche ist es zu verdanken, dass ich mich nicht vollständig zu Tode langweile. Ich erinnere mich an mein Rodin-Claudel-Fangirltum als ich ein Teenager mit Leistungskurs Kunst war und wie gut es mir seinerzeit im Rodin-Museum in Paris gefiel, wo auch Werke von Claudel ausgstellt waren (Ist das eigentlich mittlerweile genau so peinlich wie Dalí gut gefunden zu haben?), erinnere mich wieder an die Verfilmung mit Isabelle Adjani und Gérard Depardieu – hier wird nun aber ausschließlich von Claudels Aufenthalt in der Psychiatrie auf dem Land erzählt. Wir sehen Binoches wundervolles Gesicht und die Gesichter viele Menschen mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Behinderungen und sehr, sehr, sehr schlechten Zähnen in sehr, sehr, sehr vielen Großaufnahmen, wir sehen ein paar Nonnen und ein bisschen Landschaft und es passiert praktisch nichts. Uff. Arte France hat den Film mitfinanziert, so wird er also bestimmt bald im Fernsehen gezeigt und niemand hält dann bis zum Ende durch. Merci beaucoup!

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Danach bin ich zwei Stunden lang in Japan, während ich mir Tokyo Family von Yoji Yamada ansehe. Es ist das Remake eines alten Films, der schon damals die Unterschiede zwischen den Generationen aufzeigte, indem es die Großeltern zu den Kindern in die Stadt reisen ließ und niemand dort so recht Zeit für sie hatte. (Das Original wird am Donnerstag gezeigt, ich hoffe, ich bekomme eine Karte.) Auch hier passiert nicht viel und einige Menschen verlassen nach einer Stunde den Saal. Ich kann es ihnen nicht verübeln, aber mich macht der Film unendlich glücklich, weil ich einer japanischen Familie bei ihrem Alltag zusehen darf. Ich sehe, wie sie essen, kochen, arbeiten, miteinander sprechen und umgehen. Jede Gelegenheit, die mir die japanische Alltagskultur ein wenig näherbringt, ergreife ich gerne. Lange war meine Japansehnsucht nicht mehr so groß wie heute. Ich weiß, dass ich meine nächste Fernreise eigentlich in ein anderes Land machen sollte, eines, das ich noch nie sah, denn die Welt ist groß und es gibt überall viele aufregende Dinge zu sehen. Aber dorthin zieht es mich nicht so sehr.

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Kurz vor zehn sitze im einzigen Berliner Kino, in dem ich je Händchen hielt – während Til Schweiger auf einen roten Knopf drückte, um ein Feuerwerk zu entfachen und so das Kino einzuweihen. Nun esse ich jedoch mitgebrachte Paprikaschnitze aus einem Alufolienkonstrukt. From Hero to Zero...
Reaching for the Moon von Bruno Baretto erzählt von der Liebe zwischen der amerikanischen Dichterin Elizabeth Bishop und der brasilianischen Architektin Lota de Macedo Soares. Wie ich bereits schrieb, habe ich eine Schwäche für Lebensverfilmungen und diese gefällt mir sehr gut. Ich mag es, wie unaufgeregt die Beziehung der beiden dargestellt wird und man versteht sofort, wieso Elizabeth sich in Lota verliebt. Ich mag die Farben des Films, das Licht, die Stimmung. Ich würde gerne auch dort auf den Land in der Nähe von Rio leben, mit Lota aus Kristallgläsern Whiskey oder Champagner trinken und meinen Roman schreiben. Natürlich gibt es noch eine andere Frau, es gibt Spannungen zwischen allen dreien und Elizabeth hat ein Alkoholproblem.
Es ist schmerzhaft, dass die tolle starke Lota am Ende in sich zusammenfällt als Elizabeth für ein halbes Jahr zum Unterrichten zurück nach New York geht und der Film keine gute Wendung nimmt. Das Ende stimmt mich sehr traurig auf eine angenehme Art. Mit den letzten Filmmusikfetzen im Ohr fahre ich nach Hause und daraus wird dann auf einmal jene Musik aus Die unendliche Geschichte, die immer dann gespielt wird, wenn Bastian auf Fuchur durch die Gegend fliegt. Los Freud, jetzt du!
Zuhause suche ich erst einmal nach den Gedichten von Elizabeth Bishop. Heute war ein sehr schöner Tag.

The shooting stars in your black hair
in bright formation
are flocking where,
so straight, so soon?
-- Come, let me wash it in this big tin basin,
battered and shiny like the moon.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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