(Inter)Action Heroes

re:publica Die Internet-Konferenz fand am vergangenen Wochenende zum sechsten Mal statt und ist erheblich gewachsen. Sind das mit ihr auch die Inhalte?

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Ihre Freitag-Redaktion

http://img560.imageshack.us/img560/1104/republicau.jpgDas Motto der diesjährigen re:publica lautete Action. Vielleicht hätte es auch Interaction heißen können, denn aufgrund der neuen Räumlichkeiten war es endlich wieder möglich, sich umfangreich mit den Menschen vor Ort auszutauschen – solange man nicht von einem Vortrag zum nächsten hetzte. Was dieses Jahr auch endlich wieder möglich war, denn alle Räume boten genügend Platz und dank der wundervollen Idee, einfach mal eine irre Menge an bunten Monobloc-Stühlen zur Verfügung zu stellen, konnte man das Sitzplatzangebot auch selbständig einfach erweitern. Abends wurden die Stühle dann nach draußen verlagert, auf dass man sich unter freiem Himmel und im Schein des Vollmonds mit jenen Menschen zusammen tat, die man in den letzten Jahren über das Internet kennenlernte und nur zu selten in Persona traf.
Alle, die immer wieder Witze darüber machen, dass sich auf der re:publica doch nur verkrampfte Nerds träfen, die nichts miteinander anzufangen wüssten, wären hier eines besseren belehrt worden, hätten sie an der Konferenz teilgenommen und sich nicht selbst hinter ihren heimischen Rechnern verschanzt. Denn man findet nur schwer seine Ruhe hier. Und das ist gut so.

Während sich die Action bei den einen also auf das nahtlose Aufsuchen von Vorträgen bezog, ging ich mehr der Interaction nach und besuchte weitaus weniger Panels als sonst - zumal ich wider die eigene Planung am zweiten Tag ausschließlich in die Vorbereitung des eigenen Vortrags am Abend involviert war, den ich gemeinsam mit drei reizenden Damen bestritt. Dass vier Frauen gemeinsam auftraten, war jedoch eine Seltenheit. Auch dieses Jahr lag die Frauenquote nur bei 30 Prozent und selbst die von den Veranstaltern aufgestellte Vorgabe, bei fünf Panel-Teilnehmern müssten mindestens zwei weiblich sein, wurde nicht immer erfüllt, wie sich hier bei das nuf nachlesen lässt und die sich dort noch ein paar generelle Gedanken zu Relevanz (von Frauen) in der Netzwelt gemacht hat.
Dass das von ihr und Journelle ins Leben gerufene Speed-Networking für Bloggerinnen dann von den Veranstaltern recht schwach angekündigt und unterstützt wurde, finde ich ziemlich ärgerlich und schade.

Umso erfreulicher war dann auch der Vortrag von Cindy Gallop, die ihr Projekt Make love, not porn vorstellte, das aufzeigen soll, dass die in Pornografie dargestellte Sexualität nichts mit der Realität zu tun hat. Der Vortrag basierte auf einem TED-Talk, der jedoch aufgrund von expliziten Ausdrücken seinerzeit nicht online gestellt wurde. Was Cindy dann einfach selbst tat und uns auch erklärte, wie sie mit den zum Teil höchst sexistischen Kommentaren umging - zum Beispiel unterschrieb sie jede Antwort auf eine solch einen Kommentar mit genau der Anrede, die ihr der beleidigende Kommentator zugedacht hatte. Diese Methode scheint zu funktionieren, die meisten entschuldigten sich anschließend bei ihr. Manche wurden gar zu virtuellen Bekannten.

Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch das Weg-Magazin Featurette, das Katrin Rönnicke vorstellte. Hier werden Blog-Beiträge von Frauen syndiziert, um diese sichtbar zu machen und sie zu vernetzen. Ich vermisse allerdings noch die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welcher meiner Beiträge wo gelistet würde. Da dieses Manko den fehlenden finanziellen Mitteln geschuldet ist, weise ich gerne auf die entsprechende Spenden-Seite hin.

Die Session zu Trollen in feministischen Blogs konnte ich aus zeitlichen Gründen nicht besuchen und ich tue mich leider auch ein wenig schwer mit der Umsetzung - das Ganze steht nämlich bereits online.

Zum Thema Urheberrecht/Veröffentlichungen besuchte ich die höchst unterhaltsame Session "Der Gläserne Künstler" des Labels Audiolith, bei der anhand eines Mitglieds der Band Supershirt aufgzeigt wurde, von was man als mäßig erfolgreicher Künstler eigentlich so lebt. Hier möchte ich mich für die gnadenlose Offenheit bedanken und die Aussage: "Die Gema-Auszahlung ist das Weihnachtsgeld des Künstlers." Lustigerweise ging nämlich immer kurz vor der Ausschüttung der Kontostand in den Keller; man weiß schließlich, dass bald etwas mehr Geld als sonst kommt...

Aufschlussreich fand ich das Panel zum Selfpublishing. Hier wurde von unterschiedlichen Seiten beleuchtet, was man erwarten kann, wenn man sich dafür entscheidet, ein Buch auf eigene Faust als eBook zu veröffentlichen und somit zum Selbstverleger zu werden. Mein völlig emotional gesteuertes Fazit ist jenes, dass ich mir durchaus vorstellen kann, eine Sammlung mit Kurzgeschichten selbst zu veröffentlichen, ich mir aber für den Roman nach wie vor die Zusammenarbeit mit einem Verlag wünsche.

Hervorheben möchte ich Dirk von Gehlens Vortrag "Mashup - Lob der Kopie". Ihm ist es vor allem gelungen, ein trockenes Thema unterhaltsam und nachvollziehbar zu vermitteln. Es ist nämlich so, dass ich an anderer Stelle mehrfach eingeschlafen bin, weil der Vortragende ausschließlich mit Zahlen oder Fakten jonglierte. Am besten kaufe man sich also einfach Dirk von Gehlens gleichnamiges Buch. Ich mache das nun auch.

Ein wenig enttäuscht war ich, dass es dieses Mal keinen unerwarteten legendären Vortrag gab, so wie 2010 den von Peter Kruse oder im letzten Jahr jener von Gunter Dueck, von denen man sich heute noch aufgeregt erzählt und von Glück spricht, wenn man sie live erleben durfte. Aber klar, dass ich mir den Vortrag von Sascha Lobo nicht habe entgehen lassen und auch nicht die Panels von Felix Schwenzel und von Kathrin Passig. Ich gebe zu, dass ich bei allen ein wenig den Drive vermisst habe, aber die drei gehören zu meinem Internet dazu, in das ich seit zehn Jahren hineinschreibe und es ist mir egal, wenn es da auch jene gibt, die das kritisierbar finden.

Denn natürlich gibt es eine Blase in der Blase in der Blase und neben den vielen, nach allen Seiten offenen und relevanten Themen, dem Lernen von Dingen und dem Öffnen von Horizonten, schätze ich an der re:publica eben auch das Nachhausekommen, das metaphorische Herumflezen mit jenen, die wir uns schon so lange gegenseitig durch die Netzwelt begleiten. Und so bin ich auch mehr als glücklich, dass das von den Veranstaltern verwehrte gemeinsame traditionelle Singen des Queen-Klassikers Bohemian Rhapsody während der Abschlussveranstaltung dann doch noch nachgeholt wurde. Warum das so wichtig ist? Bei den meisten Menschen (sei es Familie, Freunde) ist man der Freak aus/mit dem Internet. Da ist es schön, ein Mal im Jahr diesen Gedanken ablegen zu können und sich aufgehoben zu fühlen.
Und nun hoffe ich einfach, dass die Veranstalter ganz schnell die Videos online stellen, damit ich die Sessions nachholen kann, die ich verpasst habe. Allen voran jene mit Raul Krauthausen und das Interview mit Steffen Seibert, um mir ein Bild davon zu machen, wie er das bloß angestellt hat, alle von sich zu begeistern.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

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