My unfunny Valentine

66. Berlinale Die Filme sind heute nicht das Problem, sie sorgen im schlimmsten Fall höchsten für einen tiefen Schlaf. Ein aggressiver Mann im Café erhöht jedoch den Puls

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Stimmung

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Kurzkritik

While the Women are Sleeping von Wayne Wang
Der Schriftsteller Kenji und seine Frau treffen in einem Strandhotel auf den älteren Mann Sahara, der in Begleitung einer jungen Frau ist. Kenji wird neugierig, ist irgendwann geradezu besessen von den beiden, kompensiert damit seine Schreibblockade und findet heraus, dass Sahara die junge Miki seit sehr vielen Jahren jede Nacht im Schlaf filmt und die Aufnahmen in der Regel am nächsten Tag wieder löscht. Nur die besten Sequenzen behält er und führt sie Kenji vor. Wir müssen im male gaze den Körper der jungen Frau betrachten, die oft genug ohne Bettdecke schläft.
Es gruselt mich ähnlich wie beim Lesen von Nabokovs Lolita, das ich seinerzeit ausgerechnet an einem thailändischen Strand zu lesen versuchte - umringt von alten weißen Männern, die sich von minderjährigen Asiatinnen umhegen ließen.

Ich mag das nicht sehen und ich will auch nicht länger Kenjis immer gleichen, fragenden Blick ertragen. Als die Situation zwischen Miki und Sahara eskaliert, die junge Frau anschließend verschwunden ist und Kenji von einem Polizisten befragt wird, halte ich mich an den Titel des Filmes und wache erst wieder auf, als Kenji offenbar ein neuer Roman geglückt ist, dessen Veröffentlichung gerade gefeiert wird. Zzzzz... Zzz. (2/5)

Tales fot Two Who Dreamt von Andrea Bussmann & Nicolás Pareda
Schwarzweißfilm über Menschen, die in einem Plattenbaukomplex in Toronto leben und auf ihre Aufenthaltsgenehmigung warten. Ein Film, der so tut als dokumentiere er die Arbeiten an einem Film, der Geschichten über diesen Wohnkomplex erzählt. Zum Beispiel die eines Jungen, der eines Tages mit einem Schnabel aufwacht, die sich langatmig durch den ganzen Film zieht. Wir sehen jedoch nicht keinen Dreharbeiten, sondern im Haus spielende Kinder, Blicke hinab vom Balkon, und vor allem die Gespräche über den Film, die Schnabelgeschichte und Gespräche über die Termine mit der Einwanderungsbehörde. Ich halte mich an den Titel und träume mich davon. Zzzzz... Zzz. (1/5)

Baden Baden von Rachel Lang

Schon weil ich die ersten zehn Jahre meines Lebens in Baden-Baden gewohnt habe, will ich diesen Film sehen. Er heißt jedoch nur so, weil dort die Geschichte beginnt. Ana arbeitet als Fahrerin für eine Filmproduktion und macht sich am Ende der Dreharbeiten aus berechtigter Wut mit dem Mietwagen einfach auf den Weg nach Straßbourg, wo ihre Familie lebt. "Anas Begegnungen mit der Welt werden zu Momentaufnahmen der Möglichkeiten" steht im Pressetext und das finde ich sehr passend: Wir schauen ihr dabei zu, wie sie sich irgendwie durch die Tage und Situationen laviert, ohne an die Konsequenzen oder den nächsten Tag zu denken. Zum Beispiel renoviert sie völlig ahnungslos das Bad ihrer Großmutter (was mich daran erinnert, dass ich in meiner WG einfach mal ein neues Klo eingebaut habe, ohne vorher zu wissen, wie das geht und wir deshalb eine Nacht lang keine Toilette hatten). Ana kommt wieder mit ihrem Ex-Freund zusammen, den sie offenbar sehr liebt, den wir aber nie sehen, hat jedoch auch Sex mit einem ihrer Freunde. Sie ist mutig, weil sie einfach fremde Menschen anspricht und um Hilfe bittet, trägt grundsätzlich nur Shorts und Shirts, ist sonderbar optimistisch und gleichzeitig hoch melancholisch. Der Film ist durchzogen von einem feinen Humor und hat mich sehr fröhlich gestimmt. (4/5)

Triviṣa von Vicky Wong, Jevons Au & Frank Hu
Eine chinesische Gangsterkomödie, bei der ich etwas zu lange brauche, bis ich in die Geschichte hinein finde: viele Namen, viele Gesichter, viele Männer - und alle haben Dreck am Stecken, planen das nächste große Ding. Letztendlich geht es um drei große Gangsterbosse und ihre Anhänger, ihre Verbrechen, wie sie sich gegenseitig austricksen und es am Ende fast zu einer großen Zusammenkunft kommt. Der Film hat mir immerhin ein angenehmes Ende des Tages bereitet. (3/5)

Nicht sexy

Ich eile vom S-Bahnhof in Richtung Potsdamer Platz, als mir ein Paar entgegen kommt. Die beiden gehen Hand in Hand und halten gleichzeitig ein Geschenkband, an dem ein riesiger Ballon in Herzform befestigt ist. Hinter dem Herz lugt auch noch eine kitschige Maus hervor und das grässliche Konstrkukt (pun intended) führt über den Köpfen der beiden einen fröhlichen Tanz auf. Mir fällt ein, dass heute Valentinstag ist und ich hoffe, niemals in solch eine Situation wie dieses Paar zu geraten.

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WTF?

Die Zeit bis zum letzten Film des Tages überbrücke bei Starbucks im Sony Center. Dort gibt es freie Tische, freies W-Lan und ich habe meine Ruhe. Denke ich. Nach einer halben Stunde streiten sich neben mir zwei frisch eingetroffene Männer um die einzige Steckdose am Tisch. Ich bekomme das mit, obwohl ich Kopfhörer trage und Musik höre. Immer wieder dringt laut die Information zu mir durch, dass der eine Mann sehr gerne Schwänze lutsche. Genervt bitte ich den Typen, etwas leiser zu sein - und füge hinzu, dass seine sexuellen Präferenzen hier nicht von Belang seien. Seine Wut richtet sich nun voll gegen mich: Er beschimpft mich mehrfach sehr laut als 'fucking bitch!' und wiederholt vehement, dass Schwänzelutschen genau sein Ding sei. Als ich sage, das sei sehr schön für ihn, aber nicht von Interesse, schreit er mich an, dass sein Freund an HIV gestorben sei und stürzt zur Toilette. Alle im oberen Bereich des Cafés haben den Zwischenfall mitgebekommen, niemand sprang mir jedoch zur Seite, griff ein oder holte Hilfe. Deshalb gehe ich nun selbst nach unten und informiere die Angestellten. Ein junger Mann kommt mit mir nach oben. Nun bestätigt wenigstens eine Frau, dass der Typ sich total unmöglich benommen hat. Ein Security-Dienst wird gerufen, ich setze mich an einen anderen Tisch, die Leute daneben sagen mir, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe, und wenig später wird der Mann gebeten, das Café zu verlassen, was er nach einem längeren Wortwechsel auch tut.

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Als ich eine halbe Stunde später endlich wieder einen normalen Puls habe und nicht mehr darüber nachdenke, dass ich mit meinen frisch gefärbten pinken Haaren schon von weitem für den aggressiven Mann erkennbar sein werde, taucht dieser erneut auf: er dreht eine Runde im oberen Bereich des Cafés, prostet mir mit seinem frisch gekauften Kaffee zu und setzt sich lachend an einen der Tische. Eine Frau vom Nebentisch holt erneut Hilfe, doch mittlerweile befindet sich kein Mann mehr unter den Angestellten. Eine Frau muss sich nun mit dem Störenfried auseinandersetzen. Die Leute vom Nebentisch bieten mir an, mich zum Kino zu begleiten und fluchtartig verlassen wir gemeinsam das Café.

Ich bin danach noch sehr lange sehr angespannt, denke darüber nach, dass ich der Sicherheit wegen nun wohl mit einem teuren Taxi nach Haus fahren muss, und was das Ganze für die nächsten Tage am Potsdamer Platz bedeutet. Der Mann sprach Englisch, hatte einen Computer dabei, und so ist es nicht unwahrscheinlich, dass er auch auf der Berlinale ist. An meinen Haaren wird er mich schon von weitem erkennen.

Solche Erlebnisse sorgen dafür, dass ich oft Angst vor Männern habe. Aber vermutlich denkt nun jemand, ich sei selber Schuld, weil ich mich nicht eingemischt habe. Hätten sich jedoch noch mehr eingemischt, anstatt in ihre Kaffeebecher zu starren, wäre der Typ von alleine gegangen und nicht mehr zurück gekommen. Wir dürfen solchen Aggressoren doch nicht das Feld überlassen!
Ich hoffe, der Angstellten von Starbucks, die sich zuletzt mit ihm auseinandersetzen musste, geht es gut.

Japan

Mein erster japanischer Film, den ich im Kino sah, war Dolls von Takeshi Kitano. Erst Jahre später wurde mir klar, dass es sich hierbei um den gleichen Typen handelte, dessen Schloss Anfang der neunziger Jahre so viele zu bezwingen versuchten - in einer Fernsehsendung, deren Humor ich nie so recht verstanden hatte. Der Komiker, Schauspieler und Regisseur nennt sich oft auch Beat Takeshi und sitzt in Japan regelmäßig in irgendwelchen Fernsehsendungen. Ich habe mehrere seiner Filme gesehen und schätze sie sehr. Deshalb ist Takeshis Rolle als Sahara in While the Women Are Sleeping für mich heute nur schwer zu ertragen.

Lobhudelei

Wir müssen die Synchronisation abschaffen oder ihr wenigstens den Originalton samt Unteritel zur Seite stellen. Bei allen Sendungen und Filmen. Mir ist in den letzten Tagen wieder aufgefallen, wie wichtig es ist, verschiedene Sprachen zu hören, immer wieder Menschen zu sehen, die eine andere Sprache als man selbst. Es hilft, das Fremdheitsgefühl abzubauen, es hilft, sich zu öffnen, sich nicht zu fürchten, wenn man auf Leute trifft, die man nicht sofort versteht.

Konsum

Matcha-Latte, Laugenstange, Nussecke (piep piep piep.. ich muss bei diesem Wort leider immer an Guildo Horn denken), Cappuccino, Leitungswasser, Chai-Tea Latte, Käsebrötchen, 2 Packungen Taschentücher.

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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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