Nie werde ich Dich verlassen

Ruth und Bubi Auf Flohmärkten finden sich oft achtlos fortgeworfene Briefe aus Nachlässen. Dabei erzählen sie manchmal wundervolle Geschichten. Diesen sei hier Raum gegeben

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Nie werde ich Dich verlassen

Berlin, am 30.9.1957
(178)
(Stenographie-Zeichen)


Meine liebe, gute Kleine,
kleines Frauchen!

Nach den schönen Urlaubstagen danke ich Dir nochmals von ganzem Herzen für alle die schönen Stunden der Gemeinsamkeit. Nie werde ich Dich verlassen. Du Gute. Das kannst Du mir glauben. Behalte mich, bitte, immer allein (Stenographie-Zeichen) in Deinem Herzen, und sage mir alles, was Dir nicht gefällt. -

Im Dienst hat Dich hoffentlich nicht mehr erwartet als mich. Bei mir ging es, so daß ich gar nicht gleich in der ersten Woche wieder die Nerven ramponiere. -

Im Zug habe ich gut geschlafen. Ich hatte ab Weimar Sitzplatz, obwohl in den Gängen kaum ein Stehplatz vorhanden war. -

Herr Lehmann ist seit 14 Tagen vermißt! Die Schlüssel sind da, die wenigen Kästen leer. Schulden und Feuerholz (altes Inventar), ein Gerichtsverfahren und die vorher ausgesprochene Kündigung der Arbeitsstelle zurückgeblieben. -

Vorhin war ich bei der Polizei, um die Sache zu beschleunigen, da dieses Zimmer - wenn es tatsächlich auch kleiner ist als meine Bude - für uns besser wäre. An den Fenstern sind Doppelfenster (ein ausgezeichneter Satz)! - Mal sehen, wie es weitergeht. Ich bleibe dran! -

Das ZK der SED hat auch geschrieben. Ich soll die Vorschläge weiter ausbauen. Am Sonnabend hoffe ich auf (auf) ein Wiedersehen - ich habe ja solche Sehnsucht nach Dir.

Ganz lieb und innig grüßt und küsst Dich

Dein Bubi.

(Stenographie-Zeichen)


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Dies war der letzte mir vorliegende Brief. Ich werde auf Flohmärkten Ausschau nach neuen Fundstücken halten.

Alle Briefe von Bubi an Ruth gibt es hier.

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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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