Tag 1 – Das Buch, das du zurzeit liest

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Manchmal kommt es vor, dass ich mehrere Bücher gleichzeitig lese. Dies geht einher mit Stimmungsschwankungen, unterschiedlichen Antrieben und nicht immer gleicher Konzentrationsfähigkeit.

Das Buch, welches mich nun schon seit längerem begleitet, ist Pynchons Die Enden der Parabel. Ein Buch, das mir immer ein wenig im Nacken sitzt, da es mit einer Verpflichtung gegenüber mehreren Menschen einhergeht und wegen seiner Wortgewalt nicht mal so zu lesen ist. Tatsächlich befinde ich mich immer noch im ersten Buch und ich habe deshalb ein furchtbar schlechtes Gewissen.


Abtrünnig wurde ich erstmals während meines einwöchigen Aufenthalts in Kanada Mitte September, wo ich mir Paul Austers Invisible kaufte, das ich erst hier in Deutschland zu Ende las, denn tatsächlich war ich in Kanada aus beruflichen Gründen und die ganze Zeit beschäftigt. Es war seit Jahren wieder einmal ein Buch, das ich auf Englisch las. Ich schaue viele Filme und Serien in englischer Originalsprache, aber bei Büchern hatte ich bisher immer Angst, mich zu wenig entspannen zu können, befürchtete, es sei zu viel Anstrengung damit verbunden und die Freude am Buch würde geschmälert. Der Auster lehrte mich das Gegenteil. Gleichzeitig muss ich aber gestehen, dass der Versuch, den Pynchon ebenfalls im Original zu lesen, an meinem nicht mehr ganz so vielfältigen englischen Wortschatz scheiterte. Zu viele scheinbar niemals gehörte Adjektive und Substantive erschwerten hier die Lektüre und ich kam nur sehr langsam voran – noch langsamer als auf Deutsch. Denn tatsächlich ist derzeit mein Leben so angefüllt mit Arbeit auf sehr vielen Ebenen, dass es nicht immer leicht fällt, all die damit verbundenen Gedanken beiseite zu schieben und sich auf ein Buch einzulassen, ganz egal welches.

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Weil ich dennoch nicht umhin konnte, mir ein weiteres englisches Buch zu kaufen – ich muss manchmal einfach Bücher kaufen, sie besitzen, neben dem Bett liegen sehen, sie anfassen, selbst wenn ich nicht dazu komme, sie zu lesen – fiel die Wahl, nachdem ich von ihr dieses Jahr bereits Die zitternde Frau gelesen hatte, auf Austers Frau Siri Hustvedt und The Enchantment of Lily Dahl.
Ohne genau zu wissen, von was es handelt, vielleicht aber, um eine Verbindung zwischen ihr und Auster herstellen zu können. Darüber hinaus mag ich das Wort Enchantment und den Namen Lily. Das sind banale Gründe, legen aber immerhin den Kaufimpuls offen – eine meist wenig intellektuelle als vielmehr emotionale Entscheidung, oftmals nicht einmal wahrgenommen. Im gleichen Zusammenhang erstand ich auch noch eine Sammlung mehrerer Geschichten von Virginia Woolf und tatsächlich war mir sehr daran gelegen, erst einmal mit Büchern von englischen und amerikanischen Frauen weiterzumachen – vielleicht als Gegenpol zum Pynchon und auch zu den vielen Autoren, die in meinen Regalen stehen.

Ich bin erst auf Seite 18, aber ich mag Hustvedts Buch schon jetzt. Es erzählt von Lily, die in einer Kleinstadt über einem Restaurant wohnt, in dem sie auch arbeitet. Gerade lerne ich all die Menschen kennen, die dort täglich einkehren, erfahre von ihren Verschrobenheiten und Angewohnheiten. Und dann ist da noch ein Künstler, der auf der anderen Straßenseite wohnt. Lily beobachtet ihn im Morgengrauen während seiner Arbeit und ich habe ein wenig gespingst: Sie wird irgendwann anfangen, sich nachts in ihrer hell erleuchteten Wohnung für ihn auszuziehen.

Ich habe ja Glück: Gegenüber von meiner Wohnung ist hinter einem Baum nur die weiße, fensterlose Seite eines Wohnhauses zu sehen.

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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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