Tag 17 – Augen zu und irgendein Buch aus dem Regal nehmen

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Ich habe mich gestern Abend ein wenig selbst verwirrt und streckte dann in unterschiedliche Richtungen die Arme aus, um je mit einer Hand ein Buch zu greifen.

Rechts führte ich Der Fleck, die Jacke, die Zimmer, der Schmerz vom Wilhelm Genazino zutage, links den letzten Band von Armistead Maupins Stadtgeschichten-Reihe Schluss mit lustig. Den Genazino habe ich noch nicht gelesen, die Lektüre von Armistead Maupin hingegen ist schon fast 15 Jahre her.

Ich arbeitete damals in einem CD- und Plattenladen und ich erinnere mich, dass irgendwann jeder gerade an einem der Bücher herumlas. Wir verliehen sie uns nacheinander und waren regelrecht in einem Stadtgeschichten-Fieber.

Die Bücher spielen in San Francisco und erzählen von den Leben verschiedener Menschen, die zu Beginn alle in einem Haus wohnen. Die Geschichten beginnen in den Siebzigern, erstrecken sich über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren und haben oft sehr obskure, zum Teil wirklich lustige Dinge zum Inhalt. Gleichzeitig spiegeln sie die gesellschaftliche Entwicklungen im Amerika wider. Maupin selbst ist schwul, ist in seinen Büchern die Gleichberechtigung von Homosexuellen ein wichtiges Thema und auch der Umgang mit Aids. An die meisten Handlungsstränge kann ich mich nicht mehr erinneren, an viele nur vage. Aber ich weiß noch, dass es damals schien als lese man das Äquivalent einer Daily-Soap – jedoch mit besonders schillernden, so gar nicht platten Charakteren und vor allem wirklich unvorhersehbaren Handlungssträngen.

Die ersten Bände wurden auch verfilmt und jemand hat dies alles bei youtube hochgeladen. Hier geht's los.

Und dann gibt es da noch eine Sache, an die ich immer sofort denken muss, wenn mir die Stadtgeschichten in den Sinn kommen: Quaaludes. Ein Sedativum, das sich einige der Protagonisten häufig und gerne zuführen und von dem ich vorher noch nie gehört hatte. Es handelte sich vermutlich um schlichte Tabletten, ich stelle mir jedoch heute noch weiße, wabbelige Gelkapseln vor.

Als illegal auf der Straße gehandeltes Rauschmittel erfreute es sich in den USA bald großer Beliebtheit aufgrund seiner euphorisierenden und aphrodisierenden Wirkung. Anfang der 1970er Jahre war das sogenannte „Luding out“, die Einnahme von 300 bis 450 mg Methaqualon zusammen mit Wein unter College-Studenten weit verbreitet. Durch den Alkohol wird das durch Methaqualon ausgelöste Gefühl der Unzerstörbarkeit und starken Euphorie noch verstärkt. Methaqualon senkt (wie andere sedative Hypnotika) die Hemmschwelle und kann damit zu einer Steigerung der Frequenz sexueller Erlebnisse führen. (Wikiepdia)

Also wie Ecstasy, nur ohne das unruhige Gezappel..


...


Abschließend möchte ich noch ein Wort zu Wilhelm Genazino verlieren. Vor fast vier Jahren sah ich einmal in einem Essener Theater sein Stück Der Hausschrat und noch jetzt muss ich ab und zu an einen Dialog daraus denken, wenn ich mich nach einem Arbeitstag wieder besonders geschirrmachert fühle:

“Sie wirken so souverän. Wie machen Sie das?”
“Ich lebe reizarm.”

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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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