Weniger Abfall, mehr Glück?

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Bereits im Januar 2009 hatte ich – und dies mag durchaus dem unterschwelligen Summen in den Zeitungen und im Netz geschuldet sein – ein ungutes Gefühl bezüglich meines Umgangs mit Lebensmitteln und meiner Ernährung. Ich aß nur noch, um satt zu werden oder Stress zu kompensieren, ich aß im Affekt, wann immer mir danach war, Sachen auf die ich gerade Lust hatte und vor allem ohne Rücksicht auf mich oder gar die Umwelt.

Im Sommer begann ich, kein Fleisch mehr zu essen, was nach sich zog, dass ich mich seit sehr langer Zeit wieder mit Lebensmitteln beschäftigte und sich so mein Blick auf die Angebote in Supermärkten und Imbissbuden schärfte.

Die vermeintliche Beschränkung des Fleischverzichts spornte mich an, befriedigende Alternativen zu finden. Keine Produkte, die so taten, als seien sie Fleisch, sondern etwas weniger geläufige Gemüsesorten wie Pastinaken, Süßkartoffeln oder Mangold, noch nie von mir verwendetes Getreide wie Dinkel oder Hirse und manches ausgefallene Produkt aus dem Biosupermarkt, das mir fremd und auf das ich nicht mittels jahrzentelanger Werbung konditioniert war.

Ich hörte auf, Fertigprodukte und Fastfood zu kaufen und begann, jeden Tag zu kochen. Keine besonders aufwändigen Gerichte, aber mit der Absicht, mir bewusst etwas Gutes zu tun. Dabei fiel mir auf, wie viele Lebensmittel ich zuvor immer wieder weggeworfen hatte: Möhren, Salat, Kartoffeln, Kohl, Broccoli, Tomaten, Paprika, Käse, ja sogar Butter. Ich hatte immer viel zu viel gekauft und viel zu selten tatsächlich gekocht. Aber es hatte sich seinerzeit immer gut angefühlt, all diese Dinge im Kühlschrank und somit die Option auf alle möglichen Gerichte zu haben.

Erschienen mir zu Beginn meiner Umstellung manche neu entdeckten Produkte zuerst zu teuer, so weiß ich mittlerweile, dass ich dennoch weniger Geld für Nahrungsmittel ausgebe, weil ich kein Fastfood mehr kaufe, kaum noch Süßigkeiten und vor allem (beinahe) nichts mehr wegwerfe.
Ich kaufe fast jeden zweiten Tag ein und bereite ansonsten etwas aus den Produkten zu, die ich schon zuhause habe und die schlecht zu werden drohen. So ist aus der Not schon manch interessante Eigenkreation entstanden, kürzlich erst etwa einige leckere Möhren-Zucchinipuffer.

Stand am Anfang der Entwicklung durchaus Egoismus – ich wollte für mich einen neuen Umgang mit dem Essen finden und wieder Freude daran haben – ist daraus längst mehr geworden. Mir geht es jedoch nicht um die gesunde Ernährung oder die Tierliebe oder den Umweltschutz oder die Sparsamkeit; es ist vielmehr ein Zusammenspiel von allem. Mir geht es um Achtung vor dem, was uns umgibt und somit auch um Achtung vor mir selbst.

Natürlich weiß ich, dass ich in einer günstigen Situation lebe: Ich habe eine Arbeit, bin nur für mich verantwortlich und wenn ich abends nach Hause komme, stehe ich an der Tramhaltestelle vor zwei Biosupermärkten, einem Discounter und einem Obst- und Gemüsehändler. Dann frage ich mich schon: Kann man eine Umstellung wie meine – und damit ist nicht die vegetarische Ernährung gemeint, sondern die veränderte Haltung als solche samt ihrer Konsequenzen – von einem Menschen erwarten, der weniger Geld hat, eine Familie zu versorgen oder weit fahren muss, um vernünftig einzukaufen?

Auch im Hinblick auf das Wochenthema der morgen erscheinenden Ausgabe möchte ich in diesem Zusammenhang auf den Film Frisch auf den Müll von Valentin Thurn hinweisen, welcher aufzeigt, wie erschreckend viele Lebensmitteln weggeworfen werden – und das nicht erst, nachdem sie bei uns im Kühlschrank herum gelegen haben –, sowie auf die dazugehörige Taste-the-waste-Webseite:


















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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

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