Reis – ein Film über Recep Tayyip Erdogan

Propaganda Keine Filmkritik und doch eine Filmempfehlung. Der Anführer, ein Film über Recep Tayyip Erdogan, einen geretteten Nicht-Pudel und das Gestern im Heute

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Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit entschloss ich mich schnell und dann auch noch innerhalb der Arbeitswoche für einen Kinobesuch. Es hat sich gelohnt. Obwohl wir nach dem Kinobesuch pudelnass wurden.

Das Kino Alhambra im ehemals Roten Wedding hatte nicht wegen Überfüllung geschlossen. Nach meiner kurzen Recherche ist es offenbar das einzige Berliner Kino, das den Film zeigt. Beim Kartenkauf schien es noch schwierig zu sein, zwei zusammenhängende freie Plätze zu finden, aber als wir in den Saal kamen, waren nicht mehr als zwanzig Plätze besetzt. Vielleicht hatte den Rest der als belegt geltenden Plätze die türkische Botschaft aufgekauft.

Ich habe gelernt, dass sich Erdogan einreiht, ein strahlender Held, ein Kopf, ein Chef, ein Anführer, Füh... Ich dachte, solche Filme würde man heutzutage allerhöchstens noch in Nord-Korea drehen. Ich habe mich geirrt.

Reis, das heißt Anführer, so ist es jedenfalls in der deutsche Untertitelung übersetzt - vermutlich, um den großen Helden nicht gleichzusetzen mit dem faschistischen Führer Nazideutschlands.

Im Film spielen Frauen fast keine Rolle, so wie sich das wohl Erdogan und seine Freunde wohl auch für die Zukunft der Türkei vorstellen. Allerdings hat sogar eine Frau - Leyla - ohne Kopftuch eine beinahe wichtige Rolle, sie himmelt immer aufs Neue den Besitzer einer Teestube an, der sich ihr entzieht, weil er sie nicht belasten will, er leidet an einer Herzkrankheit, von der sie nichts weiß. Der Teestubenbesitzer handelt auch sonst heroisch, er übernimmt die Schuld an einem Verbrechen, das er nicht begangen hat, damit seine Freunde - die ebenfalls unschuldig sind - aus der Haft entlassen werden.

Außer Leyla sind Frauen in kurzer Rolle in ihrer Rolle als Mutter oder Frau zu sehen, und sie bleiben völlig gesichtslos. Sie haben nichts zu sagen in mehrfacher Bedeutung, kein Wort, an das ich mich erinnern könnte.

Ein einziges Mal haben wir laut gelacht. M. sogar so laut, dass ich sie sicherheitshalber "ermahnte"...

Erdogan hat einem kleinen Jungen (Jacub) seine Visitenkarte gegeben, für den Fall, dass dieser einmal Hilfe braucht.

Der Zuschauer sieht, wie Jacub am Rand eines Brunnens steht und verzweifelt einen Namen hineinruft. Aber es kommt keine Antwort. Da fällt Jacub die Visitenkarte ein und er holt sie aus der Tasche. Schnitt.

Erdogan kommt spät nach Hause zu Frau und Tochter.... Da klingelt das Telefon. Jacub, der Hilfe braucht. Natürlich bricht Erdogan (mitten in der Nacht?) noch einmal auf, um dem Jungen in seiner Not zu Hilfe zu eilen. Schnitt.

Aus dem Brunnen gezogen wird schließlich ein triefender Hund. M. behauptete es sei ein Pudel, ich widersprach. Aber es war wirklich sehr komisch.

Die Guten sind die Gläubigen, die Bösen sind ungläubig oder nicht gläubig genug. Die Rosenkränze in den Händen signalisieren das Gute. Die Kamera konzentriert sich oft auf sie.

Die gezeigte Welt war mir fremd, aber nicht fremd wie andere fremde Welten, denen man näher rückt, wenn man sie filmisch erlebt. Ich kann den Film uneingeschränkt empfehlen. Es ist beängstigend zu sehen, wie heutige Filmemacher das Gestern zeigen. Das lässt ahnen, in welch eine Zukunft Recep Tayyip Erdogan die Türkei führen will. Und die Gefahr, dass das Volk dem Reis - dem Anführer - folgt, ist groß.

#FreeDeniz

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Geschrieben von

Maja Wiens

Geboren und verwurzelt in Berlin. Schreibend überlebt. Manchmal sprachlos. Fotografie als Zweitsprache. Bekennend LINKS. Parteilos. Praktisches Berufsverbot.

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