Rein in die Schublade!

Generation Y Angepasst, opportunistisch und unpolitisch soll die Generation Y sein. Kann man ihr das wirklich vorwerfen? Überlegungen aus der Perspektive der Generation X

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In der aktuellen Ausgabe (Nr. 35) der Zeit setzt sich der Chefredakteur des Studentenmagazins Zeit Campus, Simon Kerbusk, mit der Frage auseinander, wie die so genannte Generation Y gemeinhin in Medien, Wissenschaft und Politik bewertet wird.

Generation Y, das sind die heute 15 bis 30-Jährigen, die angeblich anti-materialistisch sind, Karriere nicht um jeden Preis machen wollen und stets auf ihre Work-Life-Ballance bedacht sein sollen. Als "Ego-Taktiker" soll der Jugendforscher Klaus Hurrelmann die Generation Y in den Shell-Studien vergangener Jahre bezeichnet haben. Kerbusk wehrt sich in seiner Polemik gegen die Diffamierung dieser Generation, der häufig auch vorgeworfen wird, sie sei gar nicht so revolutionär anders als die früheren Jahrgänge, sondern vor allem opportunistisch, unpolitisch, nur auf gute Noten und karrierewirksame Lebensläufe bedacht. Außerdem sei sie nicht risikofreudig, klammere sich an die Eltern als engste Verbündete, statt selbst eine Familie zu gründen und halte sich stets alle Optionen offen, ohne sich festlegen zu wollen.


In der gleichen Ausgabe der Zeit findet sich ein Bericht von vier jungen Wissenschaftler*innenn, die ihre Erfahrungen mit befristeten Arbeitsverträgen im Universitätsbetrieb schildern. Sie berichten von unklaren Perspektiven und dem Schicksal, auf unabsehbare Zeit von Uni zu Uni weiterziehen zu müssen, ohne Aussicht auf die erstrebte Festanstellung zu haben. Die Befragten scheinen, obwohl in der Mehrzahl bereits über 30 Jahre alt, die Wertmaßstäbe der Generation Y verinnerlicht zu haben. Sie wollen Familie und Beruf miteinander vereinbaren und sind nicht bereit, ihren Lebensmittelpunkt wegen ihrer Karriere alle paar Jahre zu verändern.


Die Lektüre über die Generation Y und ihre gesellschaftliche Bewertung macht mich nachdenklich. Als Angehörige der vorangegangenen Generation X, der man ebenfalls bereits vorgeworfen hatte, unpolitisch und angepasst zu sein, glaube ich, dass die Generation Y das Produkt jener Gesellschaft ist, die sich jetzt über sie aufregt. Seit Jahren lese ich, dass das Bildungssystem in Deutschland schlecht ist. Zukunftsaussichten hat nur, wer optimale Abschlüsse und beste Noten vorweisen kann. Ohne Abitur scheint nichts mehr zu gehen. Und am besten muss ein Einser-Schnitt her, sonst ist das Reifezeugnis nichts mehr wert.


Beschworen wird auch immer wieder, dass Deutschland gut ausgebildete Akademiker*innen benötige, um mit der internationalen Wissenschaftselite mithalten zu können.
In diesem Wettkampf um gute Noten und exzellente Ausbildungsabschlüsse hat die Gesellschaft sich ein G8-Schulsystem und eine Bologna-Studienreform gegeben. Beides steht, wiederkehrenden Medienberichten zufolge, immer neu in der Kritik. Mit Recht, so scheint es mir, denn offensichtlich geht es heute nur noch darum, im Schmalspurverfahren das Nötigste zu lernen, um möglichst schnell ins Hamsterrad des Arbeitsmarktes zu springen, das einen gerne mal wieder hinauswirft, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag ausgelaufen ist.


Nicht erkennbar ist für mich, dass sich das häufig kritisierte Bildungssystem zum Positiven verändert. Dass Professor*innen an deutschen Universitäten mehr mit dem Einwerben von Drittmitteln beschäftigt sind, als sich um ihre Wissenschaftsprojekte und die Student*innen zu kümmern, war schon in der Ägide von Bildungsministerin Annette Schavan zu lesen und hat sich unter ihrer Nachfolgerin Prof. Dr. Johanna Wanka offensichtlich nicht geändert. Wen wundert es da, dass die 15 bis 30-Jährigen in einem solchen Lern- und Berufsumfeld taktieren, sich nicht festlegen wollen und bemüht darum sind, ihre Lebensläufe mit karrierewirksamen Praktika aufzuhübschen? Ihnen dieses Verhalten zum Vorwurf zu machen, ist verlogen. Aus dem warmen Sessel des Etablierten lässt sich der Umgang der jungen Generation mit den Gegebenheiten der Arbeitswelt, die sich die meisten nicht selbst ausgesucht haben, leicht kritisieren. Geradezu unverschämt mutet es an, den Jungen "das Stöckchen hinzuhalten" und sich dann zu beklagen, dass diese auch tatsächlich hinüber springen.


Dass die Generation Y bei alldem noch den Mut hat, von Beginn ihrer Berufslaufbahn an auf Freizeitausgleich und Work-Life-Ballance zu achten, ringt mir Respekt ab. Wäre es so, dann hätten die Jungen aus den Fehlern der Vorgängergeneration gelernt. Sie trauten sich, zu verwirklichen, wovon die Altvorderen wohl geträumt haben, ohne die Umsetzung dessen zu wagen.


Als Mittvierzigerin glaube ich, dass es in allen Generationen Pragmatismus, Angepasstheit und Opportunismus in der Arbeitswelt gegeben hat. Nur im Rückblick glaubt man sich gern als revolutionär und weltverändernd. Ob die Generation Y tatsächlich eine typische Generation ist, das zu beurteilen möchte ich in die Zukunft verschieben. Dass sich von der dieser Generation zugeschriebenen Arbeitshaltung etwas in unserer gegenwärtigen und künftigen Arbeitswelt wiederfindet, wünsche ich mir hingegen für die zweite Hälfte meiner Berufsbiographie. Sich engagieren und Freude an einer sinnerfüllten Tätigkeit zu haben, gleichzeitig aber ausreichend Zeit und Raum für Ausgleich und soziale Beziehungen außerhalb der Arbeitswelt nutzen zu können – das ist ein berechtigtes Ideal.

Quellen:

Kerbusk, Simon: "Jetzt reicht's mal! Eine Polemik". In: DIE ZEIT, 35/2014, S. 55.


Fromm, Katharina: "Abstrampeln für die Forschung". In: DIE ZEIT, 35/2014, S.57.

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Geschrieben von

Malahia Malahios

Aus der Mitte des Lebens in die Welt blickend, schreibend, singend, denkend...

Malahia Malahios

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