Eigentlich könnte es mir egal sein. Ich hab' damit nichts zu tun. Eingewickelt in das wärmende Mäntelchen meines langjährigen Arbeitgebers blicke ich aus einer Perspektive irgendwo zwischen sozial-ökologischem und adaptiv-pragmatischem Milieu verortet in die Welt und es geht mir gut. Hartz IV – nicht mein Ding.
Dennoch beschleicht mich immer dann, wenn ich etwas zum Thema "Hartz IV" lese, ein unangenehmes Bauchgefühl. Da stimmt 'was nicht…
Über einen Facebook-Kontakt bin ich auf die Seite www.gegen-hartz.de gestoßen und lese dort ab und zu die Neuigkeiten zum Arbeitslosengeld II. Einfach so.
Ende August habe ich dort einen Bericht über geplante Rechtsvereinfachungen in der Hartz-IV-Gesetzgebung gelesen. Die Bundesagentur für Arbeit soll hier im Rahmen einer Bund-Länderarbeitsgruppe diskutieren. Unter anderem wird vorgeschlagen, den Leistungsempfängern für Widerspruchs- und Klageverfahren künftig eine Gebühr abzuverlangen.
Ich horche auf. Verschiedenen Medienberichten habe ich in der Vergangenheit schon entnommen, dass ALG-II-Empfänger sehr klagefreudig sind. Interessanterweise erhalten sie von den Gerichten offenbar in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle Recht. Spiegel-Online und die Welt haben im Sommer dieses Jahres darüber berichtet. Da liegt es natürlich nahe, dass die von der Bund-Länderarbeitsgruppe geplante Rechtsvereinfachung dazu gedacht ist, die Leistungsempfänger (oder eben Nicht-Empfänger) davon abzuhalten, ihr Widerspruchsrecht in Anspruch zu nehmen.
Eigentlich könnte es mir egal sein. Ich hab' nichts damit zu tun.
Dennoch, die große Ungerechtigkeit, die in diesem Vorhaben steckt, macht mich wütend. Ausgerechnet denen, die am wenigsten haben, will man nun auch noch Geld dafür abknöpfen, dass sie ihre Rechte wahrnehmen. Besonders ärgerlich dabei ist aus meiner Sicht, dass der belastende Verwaltungsaufwand nicht an der Stelle behoben wird, wo er entsteht. Die Zahl der erfolgreichen Beschwerden zeigt, dass bei den Jobcentern offensichtlich Nachholbedarf besteht. Wie anders ist zu erklären, dass so viele Bescheide fehlerhaft sind?
Statt den Leistungsempfängern den Rechtsweg zu verschließen, sollten die Jobcenter lieber mehr Mitarbeiter beschäftigen, um den Arbeitsdruck des einzelnen Sachbearbeiters zu entschärfen. Dann würden sicher weniger Fehler gemacht. Weniger Widerspruchsverfahren wären die Folge. Und die Sachbearbeiter hätten vielleicht auch mal Zeit, ans Telefon zu gehen.
Der jüngst in den Medien kommunizierte Fall einer alleinerziehenden Mutter, die wegen zwei Euro Mietmehrausgaben vom Jobcenter zum Wohnungswechsel aufgefordert wurde, macht mich ebenfalls mehr als nachdenklich. Regiert hier gar nicht der gesunde Menschenverstand ein wenig mit?
Die Hartz-IV-Reformen wurden in der Vergangenheit immer wieder als arbeitsmarktpolitischer Erfolg gefeiert. Ob den Statistiken zu trauen ist, denen zufolge sich die Zahl der Arbeitslosen hernach massiv verringert haben sollen, wage ich nicht zu beurteilen. Ich frage mich aber, wie ein System zu bewerten ist, dass diejenigen, die mit dem Existenzminimum kämpfen, immer noch mehr unter Druck setzt.
Ich frage mich auch, wie viel Geld der Jobcenter und der Bundesagentur für Arbeit dazu verschwendet wird, um Menschen in sogenannte Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zu stecken. Ist es wirklich erfolgversprechend, private Bildungsträger zu füttern, damit diese Arbeitslosen immer wieder helfen Bewerbungen zu schreiben? Liegt Arbeitslosigkeit wirklich darin begründet, dass man keine Bewerbung schreiben kann? Ist es wirklich so einfach?
Eigentlich könnte es mir egal sein. Ich hab' nichts damit zu tun.
Dennoch, mich stört, dass die Hartz-IV-Gesetzgebung Ausgrenzungspolitik widerspiegelt. Das Werteverständnis einer Gesellschaft zeigt sich für mich besonders deutlich daran, wie sie mit den Schwachen umgeht, ja auch mit denen, die Defizite haben, die vielleicht auch einmal selbst mit verschuldet sind. Wenn Sanktionen und Einschränkung von Rechten die Mittel der Wahl sind, macht mir das Sorge. Denn auf welche gesellschaftliche Gruppe diese Methode als nächstes angewandt wird, weiß man nicht.
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Eigentlich könnte es mir egal sein. Ich hab' damit nichts zu tun. Eingewickelt in das wärmende Mäntelchen meines langjährigen Arbeitgebers blicke ich aus einer Perspektive irgendwo zwischen sozial-ökologischem und adaptiv-pragmatischem Milieu verortet in die Welt und es geht mir gut. Hartz IV – nicht mein Ding.
Seien Sie sich da lieber nicht so sicher, das haben andere vor Ihnen auch schon gedacht.
Statt den Leistungsempfängern den Rechtsweg zu verschließen, sollten die Jobcenter lieber mehr Mitarbeiter beschäftigen, um den Arbeitsdruck des einzelnen Sachbearbeiters zu entschärfen. Dann würden sicher weniger Fehler gemacht. Weniger Widerspruchsverfahren wären die Folge. Und die Sachbearbeiter hätten vielleicht auch mal Zeit, ans Telefon zu gehen.
Bingo.
Die Hartz-IV-Reformen wurden in der Vergangenheit immer wieder als arbeitsmarktpolitischer Erfolg gefeiert. Ob den Statistiken zu trauen ist, denen zufolge sich die Zahl der Arbeitslosen hernach massiv verringert haben sollen, wage ich nicht zu beurteilen. Ich frage mich aber, wie ein System zu bewerten ist, dass diejenigen, die mit dem Existenzminimum kämpfen, immer noch mehr unter Druck setzt.
Traue keiner Statistik, die du nicht selbst geschönt hast. Ansonsten: das System nennt sich autoritär-neoliberal. Ist seit Schröder die ganz große Nummer. Und das Sozialsystem zu schröpfen, wenn die Kassen leer sind, auch:
http://www.zeit.de/2005/37/Steuern
Ichfrage mich auch, wie viel Geld der Jobcenter und der Bundesagentur für Arbeit dazu verschwendet wird, um Menschen in sogenannte Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zu stecken. Ist es wirklich erfolgversprechend, private Bildungsträger zu füttern, damit diese Arbeitslosen immer wieder helfen Bewerbungen zu schreiben? Liegt Arbeitslosigkeit wirklich darin begründet, dass man keine Bewerbung schreiben kann? Ist es wirklich so einfach?
Fragen Sie nicht sich, fragen Sie Inge Hannemann. Die kann Ihnen das aus erster Hand erklären.
Dennoch, mich stört, dass die Hartz-IV-Gesetzgebung Ausgrenzungspolitik wiederspiegelt. Das Werteverständnis einer Gesellschaft zeigt sich für mich besonders deutlich daran, wie sie mit den Schwachen umgeht, ja auch mit denen, die Defizite haben, die vielleicht auch einmal selbst mit verschuldet sind. Wenn Sanktionen und Einschränkung von Rechten die Mittel der Wahl sind, macht mir das Sorge. Denn auf welche gesellschaftliche Gruppe diese Methode als nächstes angewandt wird, weiß man nicht.
Das ist ja beruhigend. Es geht schließlich um Ihre Mitmenschen, in der Gesellschaft, in der Sie auch leben. Und irgendwo gab es doch auch noch so etwas, das nannte sich Grundgesetz, mit Grundrechten, und so. Auch wenn Müntefering, in guter Schröder-SPD-Tradition, der Meinung ist, dass nicht essen soll, wer nicht arbeitet.
Danke für diese orthographische Hilfe ;-))
Ich verstehe nicht ganz, was hier der Kritikpunkt ist. Meiner Quelle zufolge sollen die gebühren für Widerspruchs- und Klageverfahren erhoben werden, nicht erst im Klageverfahren.
Im Übrigen geht es mir nicht so sehr darum, ob sich vielleicht doch noch irgendeine Geldquelle auftut, die die Kosten übernimmt, sondern um den dahinter stehenden Gedanken dieser Absicht des Gesetzgebers. Ich bin selbst in der Beratungsarbeit tätig und sehe, dass viele Menschen mit behördlichen Bescheiden überfordert sind. Allein die Sprache und der feindselige Unterton der Leistungsbescheide macht ja oft schon Angst. Nicht alle Menschen finden den Weg in Beratung und wissen, wie man an Gewerkschaftsgelder oder Prozesskostenhilfe kommt. Wer da unsicher ist, wird durch den Hinweis auf eine Gebührenerhebung in der Rechtsmittelbelehrung eher zurückschrecken. Letztlich ist das doch der Punkt: Warum verspricht sich denn der Bund-Länderausschuss von Gebührenerhebung eine Rechtsvereinfachung, wenn es keinen Zusammenhang zu der Zahl der dann erwarteten Widerspruchs- und Klageverfahren gibt?
Sicherlich könnte man noch anders als "seicht" wettern. Immer wieder. Wichtig erscheint mir, dass man es überhaupt tut.
"Hartz-IV ist ein Erpressersystem um Leute in die Billilohnmaschine zu drängen, die vom Staat als "Beschäftigungswunder" allseits bepriesen wird."
"Derzeitig beschweren sich die EU-Partner über das niedrige deutsche Lohnniveau und beklagen die Subvention von Arbeitslöhnen als Wettbewerbsverzerrung."
Ja, genau so wird ein Schuh draus......, aber die "offiziellen" Arbeitslosenzahlen lassen noch immer viele junge Leute in Südeuropa glauben, in Deutschland könne man "sein Glück machen". Wenn man die dann über die Statistiktricks und die Deutsche Mentalität bezüglich Fremdsprachen, aufklärt, ist da häufig einiges an Ernüchterung zu erkennen.