WACKEN OPEN AIR 2015

Ein Erlebnisbericht. Am vergangenen Wochenende ist das 26. Wacken Open Air zu Ende gegangen. Wir haben die fröhliche Schlammschlacht besucht und uns wie jedes Jahr bestens unterhalten.

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WACKEN:OPEN:AIR 2015

Ein Erlebnisbericht

In diesem Jahr fahren Herr K. aus M. und ich zum 15. Mal in Folge zum Wacken Open Air.

Im Gegensatz zu den meisten beinharten Metalfans gehören wir zu der Sorte der Softies. Wir meiden den Zeltplatz und übernachten im Hotel. Jawohl! Unser Festivalbesuch beginnt daher seit 15 Jahren mit einem gepflegten bürgerlichen Mittagessen im Hotel Schlittenrieder in einem der vielen Nachbardörfer von Wacken. Aber eigentlich beginnt unser Festivalbesuch in diesem Jahr schon mit dem Studium diverser Facebook-Kommentare von Metalheads, die bereits seit Tagen dort oben vor Ort sind und im Netz die Lage beschreiben. Tenor der Kommentare: So schlimm war es noch nie! Gemeint ist die Wetterlage. Nach tagelangen Regenschauern soll der Holy Ground bereits vor Beginn des Festivals einem Schlammfeld gleichen. Wir fahren trotzdem.

Um fünf Uhr morgens geht's los, so dass wir bereits gegen halb elf unser Ziel erreichen. In Schlittenrieders Hotel sind schon alle Gäste da. Lauter Metaller von der Sorte Softie – so wie wir. Es sind überwiegend dieselben wie in den Vorjahren: ein pensionierter Sparkassendirektor und seine Frau, ein Ehepaar aus Thüringen, ein Metaller aus dem Rheinland, zwei Ostfriesen, zwei Freundinnen, die stets mit dem Fahrrad zum Festivalgelände fahren und eine Mutter mit ihrem Sohn, der allerdings dieses Jahr erstmals mit seinen Kumpels auf den Zeltplatz gezogen ist und die Mutter in der Hotelgesellschaft allein zurück gelassen hat.

Herr K. aus M. hat es in diesem Jahr eilig. Da er unbedingt um 16 Uhr U.D.O. und das Bundeswehrorchester sehen will, versagt er mir nach dem Mittagessen das übliche Schläfchen und jagt direkt los. Wie viele andere müssen wir in Hochdonn mit der Fähre den Nord-Ostsee-Kanal überqueren. Die Festivalorganisatoren haben einen Bus-Shuttle eingerichtet, um die Metalheads davon abzuhalten, mit dem Auto direkt bis nach Wacken zu fahren. Wir haben keine Lust, auf den Shuttle zu warten und entscheiden uns daher für einen kleinen Fußmarsch durch Feld und Wiesen. Nach 50 Minuten haben wir Wacken erreicht und stehen etwas später am Festivalgelände. Tatsächlich gibt es keinen Zweifel – wir sitzen im Dreck. Die uns Entgegenkommenden stehen schon bis zu den Waden im Schlamm. Es gibt kein Entrinnen. Wenn wir hier in den nächsten zwei Tagen feiern wollen, müssen wir da durch.

Aber jetzt heißt es erst einmal, das Festival-Ticket gegen ein Bändchen umzutauschen. Vor Jahren war das noch eine simple Übung. Einfach an den Umtauschstand an der Straße und zack, hatte man sein Bändchen. Heute muss man erst um das ganze Festivalgelände herumlaufen und einen Teil des Zeltplatzes passieren bis man letztlich von hinten den Eingang erreicht und sich von der Rückseite auf das Gelände begibt. Ziemlich unpraktisch und bei den Wetterverhältnissen sehr ärgerlich. Nun ja. Schnell sind die Beine bleischwer. An unseren Schuhen kleben zähe Lehmklumpen. Wie gut, dass ich meine Wanderschuhe eines bekannten Outdoor-Herstellers an den Füßen trage. Zum Wandern taugen sie nichts, aber für dieses Schlammbad – erste Sahne!

U.D.O.

Dann haben wir endlich die True Metal Stage erreicht. Hier haben sich schon zahlreiche Fans eingefunden, um Udo Dirkschneider und das Bundeswehrorchester zu sehen. Die Orchestermusiker haben sich in Tarnanzüge geschmissen, ebenso wie Udo, der mit seiner knarzigen Stimme ein buntes Programm seiner Hits präsentiert. Der Set beginnt mit einem orchestralen Intro der Titelmusik zu dem Film "Das Boot", bevor Udo dann mit 'Animal House' einsteigt. Mit dem Orchester wird die Show wirklich zu etwas Besonderem. Am eindrücklichsten finde ich die Darbietung von 'Man And Machine', bei der zwei Musiker von zwei Seiten eine riesige akustische Trommel bearbeiten. Zu 'Trainride In Russia' betritt ein älterer Akkordeonspieler mit weißem Zwirbelbart und einer schicken blauen Uniform die Bühne. Minutenlang zeigt er den Fans die Pommesgabel, bevor das stimmungsvolle Stück endlich beginnt. Natürlich lässt Udo Dirkschneider es sich nicht nehmen, mit zwei Stücken auch die ACCEPT-Fans zu beglücken. Enthusiastisch endet die Show mit 'Metal Heart' und 'Princess Of The Dawn'.

IN EXTREMO

Nach diesem gelungenen Einstieg freuen wir uns auf IN EXTREMO. Die Mittelalter-Metaller feiern in einem Monat ihr 20jähriges Bandjubiläum. Das letzte Einhorn vergisst es nicht, während der Show darauf hinzuweisen und verteilt im Laufe des Abends eine klebrige Geburtstagstorte an die Fans. Außerdem werden wir zum Jubelkonzert auf der Loreley eingeladen. Ich wundere mich, dass es da vier Wochen vorher noch Karten gibt…

IN EXTREMO bietet keine Überraschungen, dafür aber eine ganze Reihe ihrer mitreißenden Songs. Mit 'Erdbeermund', 'Vollmond' und 'Ai Vis Lo Lop', gibt es Material zum Mitsingen, außerdem 'Spielmannsfluch' und zum Schluss 'Mein Rasend Herz'.

DARK TRANQUILLITY

Eine aus meiner Sicht völlig unterbewertete Band ist die schwedische Melodic-Death-Metal-Combo DARK TRANQUILLITY. In den 90er Jahren im selben Fahrwasser wie die Jungs von IN FLAMES gestartet, welche morgen Abend eine Headlinershow auf der Hauptbühne geben werden, haben die Wacken-Veranstalter DARK TRANQUILLITY auf die Headbanger Stage ins Zelt verbannt. Um sie zu sehen, blüht uns zunächst wieder ein längerer Fußmarsch durch schlammiges Gelände. Raus aus dem Infield, rein in den Bereich vor der Zeltbühne, Taschenkontrolle, und dann ab in das finstere Zelt, in dem bereits das Wasser steht.

Leider ist es hier nicht nur nass, sondern der Sound ist auch schlecht. Ich sehe den überaus freundlichen Mikael Stanne über die Bühne wirbeln, aber die wunderbaren Songs von DARK TRANQUILLITY bleiben eigentümlich verwaschen. Das Keyboard ist schlecht zu hören und die Gitarrenläufe meiner Lieblingssongs sind kaum zu erkennen. Die Stimmung ist trotzdem gut unter dem schwülen Zeltdach. Gleichwohl bin ich froh, als wir wieder in die frische Abendluft hinaustreten können.

Der letzte Programmpunkt gilt für viele als Höhepunkt des diesjährigen Wacken Open Airs. SAVATAGE und das TRANS-SIBIRIAN ORCHESTRA spielen gemeinsam gleichzeitig auf den beiden Hauptbühnen – eine Premiere in Wacken, nicht nur, was das Zusammenspiel der beiden Bands angeht, sondern auch, weil die beiden Bühnen noch nie zuvor gleichzeitig bespielt wurden.

Um es gleich vorwegzunehmen - weder SAVATAGE noch deren Abkömmling TRANS-SIBIRIAN ORCHESTRA gehören zu meinen herzallerliebsten Favoriten unter dem Metalhimmel. Ein Sakrileg für manche. Herr K. aus M. hat ein gewisses Verständnis. Er will die besten Hits von SAVATAGE hören und zeigt sich nach ein paar Minuten des Genusses des TRANS-SIBIRIAN ORCHESTRAs damit einverstanden, dass wir uns langsam vom schlammigen Acker machen.

Die besten Hits von SAVATAGE sind für mich 'Edge Of Thorns' und 'Hall Of The Mountain King'. John Oliva, der mich hinter seinem Keyboard sitzend ein bisschen an den Mambo Kurt erinnert, begeistert die Wacken-Fans mit einer knappen halben Stunde Programm von der Black Metal Stage, bevor das TSO dann übernimmt. Der bombastische Orchestersound ist durchaus beeindruckend, aber die präsentierten Songs sind für mich nicht in einem Fluss. Gerade das moderne opernhafte Arrangement geht nicht an mich. Und so verpassen wir, was uns der pensionierte Sparkassendirektor am nächsten Morgen beim Frühstück in Schlittenrieders Hotel in den schönsten Farben schildert. So ein Pech.

Auf dem Rückweg zum Hotel nehmen wir ein Taxi. Der Taxifahrer beschwert sich bei Herrn K. aus M., dass die Fahrgäste sich die Schuhe nicht sauber machen, bevor sie in sein Auto steigen. Ich muss mich doch sehr wundern. Wahrscheinlich macht der Fahrer mit uns Dreckspätzen das Geschäft seines Lebens…

Den Freitag beginnen wir unausgeschlafen mit dem ersten Konzert nachmittags um halb vier. Die finnischen Mannen von STRATOVARIUS spielen auf der Party Stage. Vor Jahren waren ihnen bessere Plätze im frühen Abendprogramm vergönnt, aber offenbar ist der Erfolg der Powermetaler etwas geschwunden, so dass sie sich nun im nachmittäglichen Sonnenschein präsentieren müssen. Tatsächlich, die Sonne scheint auf das Festivalgelände! Ob das ein Vorteil ist, vermag ich allerdings noch nicht abschließend zu beurteilen. Ist doch der flüssige Schlamm zu einer zähen, klebrigen Masse getrocknet, die wie Zement an den Stiefeln haftet. Sicher entwickeln wir an diesem Wochenende starke Oberbeinmuskulatur.

Vor der Party Stage haben sich allerdings richtige Seen gebildet. Ein trunkener Fan mit großem Bierglas in der Hand steht mit beiden Beinen mitten drin und headbangt, was das Zeug hält. Dann kommt es zu einer der vielen maskulinen Verbrüderungsszenen, die auf dem Festival zu beobachten sind. Ein anderer trunkener Fan kommt herbei, die Biergläser werden getauscht, Shakehands, Schulterklopfen, gemeinsames Headbangen und heftige Umarmungen. Es ist doch immer wieder schön, zu sehen, wie die Fans sich gemeinsam mit ihrer Musik identifizieren. Es fließt zwar viel Bier, aber alle sind freundlich zueinander. Da ist es dann auch egal, wenn drei Meter weiter ein anderer Fan in hohem Bogen in die Pfütze pinkelt, in der man sich gerade verbrüdert.

IN FLAMES

Den Höhepunkt des gesamten Festivals stellt für mich der Auftritt von IN FLAMES dar. Sänger Anders Friden und seine Band werden um halb elf abends auf der True Metal Stage erwartet. Es ist voll. Den Headliner wollen sich viele nicht entgehen lassen. Zu unserer Zufriedenheit ist der Bereich vor den Hauptbühnen inzwischen schön festgetrampelt, so dass man hier ohne Schlammbad stehen kann. Und hopsen! Denn IN FLAMES eröffnet das Programm direkt mit einem Knaller: 'Only For The Weak'. Dazu wird zum Einstieg gleich ein Feuerwerk aus Konfetti abgeschossen und die Menge tobt. Anders Friden präsentiert sich ganz in weiß gekleidet. Wie immer bedankt er sich bei den Fans, dass sie ihm ein Leben als Metal-Musiker ermöglichen. Außerdem warnt er augenzwinkernd vor dem Crowdsurfen. Wir werden mit einer gesunden Mischung aus älteren und neueren Song beglückt. Crowdsurfer gibt es natürlich trotzdem, wenn auch nicht so viele wie sonst. Herr K. aus M. freut sich über 'Cloud Connected' und 'Drifter', während mir bei 'The Chosen Pessimist' das Herz aufgeht. Es ist eine gigantische Show mit viel elektronischem Lichtspiel und krachenden Feuerwerkskörpern. Danach, ganz beseelt, könnte ich eigentlich nach Hause gehen, aber Herr K. aus M. zwingt mich zu RUNNING WILD.

Der Rock'n Rolf, der noch vor sechs Jahren bei der Night Of Remember des WOA mit viel Brimborium seine Abschiedsshow gespielt hat, wurde aus dem Ruhestand reanimiert. Über die Gründe mag jeder für sich philosophieren. Vielleicht ist's dem Rock'n Rolf langweilig daheim. Jedenfalls beglückt er an diesem Abend zahlreiche Altmetaller mit und ohne Kutte durch seine alten Songs. Los geht die ganze Chose mit 'Under Jolly Roger', gefolgt von 'Jenning's Revenge' und 'Genghis Khan'. Mit 'Into The West' präsentiert der Rock'n Rolf doch tatsächlich einen neuen Song und – oh Wunder! Der ist ganz schön gut!

Nach etwa der Hälfte des Programms zieht sich der Rock'n Rolf für eine kleine Pause hinter die Bühne zurück und überlässt das Feld seinem Drummer für das unvermeidliche Drumsolo. Die Zeit hätte man lieber für einen weiteren alten Song genutzt, findet Herr K. aus M., aber immerhin wechselt der Rock'n Rolf später nochmal das Kostüm und kommt mit einem Käppi zurück auf die Bühne. Er ist ganz munter und hat zu jeder Nummer ein Geschichtchen parat. Nach zwei Zugaben, bestehend aus dem aktuellen 'Bloody Island' und dem Klassiker 'Little Big Horn' hat RUNNING WILD die Spielzeit ausgeschöpft und ein unterhaltsamer Festival-Tag geht für uns zu Ende.

Leider verpassen wir gerade den Bus zur Fähre und am Taxistand ist uns die Schlange zu lang. Wir entscheiden uns daher für einen nächtlichen Fußmarsch durch die Dithmarschener Wiesen. Herr K. aus M. flucht zunächst etwas unentschlossen, aber dann wird auch er vom nächtlichen Naturschauspiel hingerissen. Aus den Wiesen steigt im hellen Mondlicht "…der weiße Nebel wunderbar". Ich fühle mich an Matthias Claudius und Josef von Eichendorff erinnert. Ganz unromantisch krame ich mein Smartphone aus der Tasche und das simple Ding zaubert uns doch tatsächlich ein paar phantastische Nachtaufnahmen. Da hat sich der einstündige Marsch im Dunkeln doch gelohnt.

POWERWOLF

Am Samstagmorgen strebt Herr K. aus M. bereits wieder um 13 Uhr auf das Festivalgelände. Das Wetter ist tatsächlich blendend, aber ich bin todmüde. Ich frage mich, ob ich im höheren Lebensalter den Strapazen eines solchen Festivals noch gewachsen bin. Aber es gibt kein Pardon: 13.15 Uhr, True Metal Stage, POWERWOLF! Mit seinem Karpaten-Dialekt lädt Attila Dorn die Fans zur Heiligen Metal-Messe ein. Gegen die Popmusik soll es gehen und mit diebischer Freude verrät Attila uns, dass das neue POWERWOLF-Album "Blessed And Possessed" Sarah Connor von der Chart-Platzierung vertrieben hat.

Wie immer dürfen wir mit POWERWOLF "Hu" und "Ha" singen, werden zum Schein beweihräuchert und haben eine Menge Spaß. Erwartungsgemäß ist es vor der Bühne bereits zur Mittagszeit mächtig voll und wir fragen uns, warum eine Band, die derzeit solche Erfolge wie POWERWOLF feiert, schon um die Mittagszeit auf die Bühne geschickt wird.

Da mag der Wacken-Holger mal drüber nachdenken…

AMORPHIS

Im Anschluss geht es direkt weiter mit den Finnen von AMORPHIS. Sie haben angekündigt, das komplette "Tales From The Thousand Lakes"-Album (1994) zu spielen und treffen damit den Nerv der Fans. Ein brillanter Auftritt, wie ich finde. Zu Beginn muss ich allerdings zweimal hinsehen. Sänger Tomi Joutsen hat sich von seinen Dreadlocks getrennt und sieht irgendwie ganz anders aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Aber die Songs sind zum Glück die alten geblieben. Die Mischung aus Death-Metal-Growls und folkloristischen Anteilen, die den Songs Melodie und Eingängigkeit verleihen, ohne an Heavyness zu verlieren, das ist es, warum mich die Musik von AMORPHIS entflammt. Joutsen strahlt Coolness und mannhafte Energie aus und steht damit ein bisschen für das, was mich auch als Mittvierzigerin neben der Musik am Metal weiterhin begeistert. Die "Thousand-Lakes"-Nummern werden ergänzt von einigen Stücken des "Elegy"-Albums und ich bin bereits jetzt neugierig auf das angekündigte kommende Album, das Anfang September mit dem Titel "Under The Red Cloud" von AMORPHIS erscheinen soll.

Im Anschluss an diesen Gig haben wir etwas Zeit, ein deliziöses Mahl zu uns zu nehmen. Herr K. aus M. umschleicht die Wurststände, entscheidet sich aber zu meinem Wohlwollen auch einmal für ein veganes Falaffelgericht. Ich tue es ihm gleich und bin im Übrigen erfreut darüber, dass das Festival-Catering nicht nur Tierisches bietet, nicht nur Pommes und Burger, sondern eben auch veganes Chili, Gemüse und auch mal 'nen heißen Kaffee.

SABATON

Gegen 20.30 Uhr steuern wir dann auf den Höhepunkt des Tages zu. Man merkt es daran, dass sich deutlich mehr Fans auf das Infield zubewegen, als noch am Nachmittag. Irgendwie kommt es mir auch voller vor als am Vortage bei IN FLAMES. Sollte SABATON tatsächlich die meisten Besucher anziehen? Kaum zu glauben!? Die schwedischen Power Metaller, spalten ja gerne mal die Metal-Gemeinde. Für die einen sind sie der Metal-Ausverkauf schlecht hin und für die anderen die Band der Stunde. Wir gehören wohl eher zur letzten Gruppe. Es ist mir egal, ob man sich damit der "Ballermannisierung" des Metals schuldig macht – die Band um Sänger Joakim Broden macht einfach Laune.

An diesem Abend wird die Show allerdings von einem Ärgernis begleitet. Die Musik ist zu leise. Ja, nicht zu fassen! Auf einem Metalfest ist die Musik zu leise. Die Fans um uns herum regen sich auf und brüllen bei den ersten Songs "Lauter, lauter!" Offenbar versteht Joakim Broden aber da schon nur noch "Noch ein Bier, noch ein Bier!". Denn das ist es, was er neben dem Singen auf der Bühne treibt: Bier trinken auf Zuruf der Fans. Und so pumpt er unter dem Gejohle der Masse mindestens wieder drei Flaschen Bier ab.

Ansonsten verbreitet er weitgehend gute Laune und spielt alle relevanten Ohrwürmer, die der gemeine SABATON-Fan so hören will. Wenn nicht das Problem mit der Lautstärke wäre. Das bleibt bis zum Schluss der Show ein Wermutstropfen und so sind Herr K. aus M. und ich froh, die Schweden bereits eine Woche zuvor beim "Noch-ein-Bier"-Festival in Gelsenkirchen gesehen zu haben. Da war die Atmosphäre dichter.

JUDAS PRIEST

Richtig fett und vor allem laut wird es dann noch einmal bei JUDAS PRIEST. Ich gehöre nicht gerade zur Altmetal-Fraktion, die bei dieser Band extatisch zuckt – ganz im Gegensatz zu Herrn K. aus M. Gleichwohl muss ich einräumen: Rob Halford lässt es in den kommenden eineinhalb Stunden so richtig krachen. Nach dem Intro, 'War Pics' von BLACK SABBATH, geht es los mit 'Dragonaut' und gleich darauf folgt 'Metal Gods'. Immer wieder erscheint Halford in einem anderen Bühnenoutfit. Für sein nicht mehr ganz junges Alter bewegt er sich durchaus agil auf der Bühne und auch der Auftritt mit Lederpeitsche und Harley darf nicht fehlen. Titel wie 'Victim Of Changes' und natürlich 'Breaking The Law' lassen die Oldschool-Fans neben mir beben. 'Painkiller' gibt's erst im Zugabenteil.

Zu meiner Überraschung läutet Herr K. aus M. da aber bereits das Festival-Ende ein, weil er unbedingt noch einen Platz im Shuttlebus bekommen möchte, bevor die Masse den Holy Ground verlässt. Mir passt das gut. Ich habe auch keine Lust, wieder durch die romantische Nacht zu laufen, und so kommen wir zu der abenteuerlichsten Busfahrt unseres Lebens. Der Shuttle ist eigentlich schon voll, als wir eintrudeln, aber ein paar junge Männer zerren uns noch in den Einstiegsbereich des Busses, so dass kaum die Tür zu geht. Ich sitze quasi auf dem Fensterbrett der Frontscheibe. Der Busfahrer, ein gelassener älterer Herr, fragt, ob jemand ein Taschentuch habe, weil die Scheiben so beschlagen sind und er nichts mehr sehen kann. Und so segeln wir durch die Nacht und hoffen, dass kein Polizeiauto diese Flugtour anhält. Wahrscheinlich geht sowas nur in Wacken…

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Malahia Malahios

Aus der Mitte des Lebens in die Welt blickend, schreibend, singend, denkend...

Malahia Malahios

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