Lopez' tödliches Erbe

Opel Seit Mitte der 90er Jahre befindet sich Opel in einer Dauerkrise, die vor allem das desaströse Wirken des spanischen Berufsschotten José Ignacio López auslöste.

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In den letzten Tagen wurde der Patient nach jahrelangem Siechtum aufs Sterbebett verlegt: Nicht einmal 500.000 Autos konnte Opel 2010 und 2011 zusammen in Deutschland verkaufen - weniger als in den 90er Jahren in einem einzigen Jahr. Und die Zahlen für 2012 sind keinen Deut besser. Wege aus der Krise wurden viele gesucht und gefunden, jedoch niemals durchgehalten, wie die erschreckende Zahl von 14 verbrannten Chefs in nur rund 40 Jahren zeigt.

Vor etwa einem Monat erschien im Handelsblatt ein lesenswerter Artikel, der minutiös alle Versäumnisse der Konzernmutter GM auflistet, die offenbar weder willens noch fähig ist, ihr einst bestes Pferd im Stall zu retten. (Es wäre aber auch etwas völlig Neues, wenn Amerikaner plötzlich wieder wüssten, wie man vernünftige, d. h. außerhalb Nordamerikas akzeptable Autos bauen und vermarkten kann.)

Alle im Handelsblatt beschriebenen Fehler ergeben ein Gesamtbild von Unfähigkeit und Fahrlässigkeit, aus dem aber trotz ihrer riesigen Menge einer ganz besonders heraussticht: Lopéz' lange Zeit fast völlig ungehindertes Werken. Sechs Jahre, von 1987 bis 1993, konnten dieser Mann und seine Jünger in ihrem gnadenlosen Geiz die Substanz der Marke Opel aushölen, bis sie irgendwann in sich zusammenfiel.

Abgesehen davon, dass ich Opel immer schon recht langweilig fand, wird meine Erinnerung an Opel durch Schlagzeilen von rostenden Neuwagen und Stichflammen beim Tanken geprägt. Letzteres führte dazu, dass der Konzern 1995 immerhin 2,3 Millionen Autos in die Werkstatt rufen musste, weil man bei der Erdung des Tanks konstruktiv geschlampt hatte.

Damals trieb Lopéz sein Unwesen bereits bei VW, während die von ihm maßgeblich zu verantwortende Misere bei Opel gerade erst richtig begann. Denn aufgrund der langjährigen Produktzyklen in der Automobilindustrie machten sich seine Sparmaßnahmen in der Qualität erst mit reichlich Verzögerung krass bemerkbar. Sie anschließend wieder auszubügeln ist mindestens ebenso zeitaufwendig und frisst die kurzfristigen Einsparungen mehr als auf. Darüber ließ er kostenträchtige, aber eben innovative Technik von Opel bewusst nicht verwenden, obwohl die Konkurrenten dies taten und sich damit einen Vorsprung erkämpften.

Von 1997 bis 2002, in nur fünf Jahren also, schrumpften Absatz und Marktanteil in Deutschland um gut ein Drittel. So sehr auch andere Fehler des Managements wie etwa die fehlende globale Strategie von GM oder die Konzentration auf unspannende Klein- und Mittelklassewagen dabei geholfen haben und bis heute helfen, so ist doch den meisten die miserable Qualität bis Anfang der 2000er Jahre bis heute tief ins Gedächtnis eingebrannt. Wer daran denkt, einen Opel zu kaufen, wird sich häufig dabei erwischen, wie er sich fragt, ob der Fuß nicht doch irgendwann durchs Bodenblech stößt.

Ohne Lopéz hätte Opel infolge der katastrophalen Markenpolitik einen spürbaren Rückgang im Absatz erlebt, aber niemals einen für die Branche bislang unbekannten Totaleinbruch.

Um ein Haar hätte auch VW diesen Weg genommen und damit Lopéz' Beitrag zur Deindustrialisierung Deutschlands noch verstärkt. Glücklicherweise mussten die Wolfsburger sich bereits nach drei Jahren von ihrem Einkauf trennen, und die im Gegensatz zu Opel fähige Unternehmensführung konnte die Fehler wieder korrigieren, bevor das Image ernsthaft zu bröckeln begann.

Aber Lopéz war nicht nur eines der krassesten Beispiele eines kostenfixierten, von kurzfristigen Einsparungen bessenen Managers; seine Unternehmenspolitik und ihre Resultate zeitigten auf betriebswirtschaftlicher Ebene exakt die Abwärtsspirale, in der sich die Volkswirtschaften vieler europäischer Krisenstaaten heute befinden: Man versucht auf Biegen und Brechen zu sparen und fragt sich nicht ein einziges Mal, wieviel jeder eingesparte Euro im Nachhinein eigentlich kostet.

Nicht, dass sich die Effizienz der Verwaltung in einem innerlich maroden Staat wie Griechenland nicht deutlich steigern ließe; nur bedeutet jeder eingesparte Euro in der Ausgabenseite für den Staat mindestens einen Euro und etliche Cent Verlust auf der Einnahmenseite. Multiplikatoreffekt nennt der Volkswirt diese Binsenweisheit, die allzu viele Politiker und Ökonomen, ihrem dümmlichen Geschwätz nach zu urteilen, vergessen haben. Dank dieser vordergründig hilfreichen Sparrunden schrumpfte die griechische Wirtschaft von 2008 bis 2011 duchschnittlich um 3,45 Prozent jährlich, und eine Besserung ist nicht in Sicht. Natürlich wurden auch die Sparvorgaben nicht erreicht - wie auch, wenn die Einnahmen dank Arbeitslosigkeit und Insolvenzen wegbrechen.

Selbst wenn man den Griechen mangelnden Willen nachweisen könnte, müsste man doch nur nach Spanien oder Portugal schauen, um zu sehen, dass die Spardiktate dort trotz eines weitgehend intakten Staatswesens nicht besser fruchten.

Genau in dieser Situation befindet sich Opel seit über 15 Jahren, und auch nach der nächsten Sparrunde, die der neue Chef sicherlich noch rücksichtsloser als geplant durchziehen wird, um seine Vorgesetzten in Detroit zufriedenzustellen, wird es nicht besser werden, bis Opel irgendwann ganz vernichtet wurde. Das ist die traurige, aber folgerichtige Konsequenz. Leider ist auch nicht zu erwarten, dass aus Amerika so etwas wie Mitgefühl oder Verständnis für die von GM verschuldete Situation von Opel kommt, denn Barack Obama möchte das für die GM-Rettung ausgegebene Geld möglichst schnell mit Zinsen zurück. Was interessieren ihn also 40.000 Arbeitsplätze in Europa, wenn er erst einmal die einheimischen retten kann und dabei noch Gewinn macht?

Dass GM eigentlich mehrere Milliarden dazuschießen müsste, um wieder ein paar attraktive, aufsehenerregende Autos zu bauen, die nicht im Einheitsbrei des Massengeschäfts untergehen, dass GM die Märkte für Opel öffnen und eine Vermarktungsstrategie entwickeln müsste, um die Werke auszulasten, dass GM noch jahrelange Geduld haben müsste, bis das Image wieder poliert ist, dass GM vielleicht einfach mal aufhören sollte, Negativschlagzeilen bei Opel zu produzieren, sind allesamt in der derzeitigen Lage fromme wie unrealistische Wünsche. Die Zukunft sieht düster aus, spätestens seit der Verkauf an Magna und damit an einen anscheinend kompetenten Investor gescheitert ist.

Und José Ignacio Lopéz, wenngleich nicht der Vollstrecker an Opel, darf sich rühmen, wenn denn bald das Bochumer Werk oder noch andere geschlossen werden werden, zumindest die Drogen und das Besteck für den tödlichen Schuss beschafft zu haben.

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