In der Großstadt Täbriz – sie liegt im Nordwesten – hängt vor dem Rathaus ein Plakat, das eine nicht unbedingt geglückte Karikatur des amerikanischen Präsidenten abbildet. Der Figur mit dem unverkennbaren Schopf verschließen zwei überdimensionale Pflaster den Mund. Daneben ist auf Farsi und Englisch zu lesen: „Mr. Trump! Like hell you will!“ („Mr Trump, das hätten Sie wohl gern!“) In etwa so hatte der Oberste Revolutionsführer Ali Chamenei reagiert, als Donald Trump im Mai 2018 das Atomabkommen aufgekündigt und gedroht hatte, Iran wirtschaftlich an den Rand des Bankrotts zu bringen. Allenthalben wurde Chameneis Einlassung als Anspielung auf die Ohnmacht des Erzfeindes verstanden. Der werde scheitern und besitze nicht das Vermögen, dann mit einer alternativen Politik aufzutreten. Wenige Meter entfernt vom geschmähten Trump zeigen weitere Poster die Porträts von Kommandeuren der Revolutionsgarden, die mit Einsätzen in der Straße von Hormus erkennen lassen, wie sich die Islamische Republik dagegen zur Wehr setzt, dass ihr die Existenz bestritten wird. Bekanntlich reichen Drohungen der Trump-Regierung so weit, dass sie selbst eine „Auslöschung“ Irans nicht ausschließen.
Hört man den Menschen in Täbriz oder auch in Teheran zu, ist viel Unmut über die politische Führung herauszuhören. „Die Regierung schläft seit 40 Jahren“, meint ein Ladeninhaber. „Man tut nichts für uns, gar nichts“, klagt ein Programmierer. Allerdings steigt – trotz traditioneller Bewunderung für Amerika – auch die Wut auf den „imperialistischen Aggressor“, immerhin lasten die Sanktionen schwer auf Iran.
Der Rial verliert in rasantem Tempo an Kaufkraft, was die Bevölkerung hart trifft. Doch sorgt der Druck von außen eher für inneren Burgfrieden mit der Führung, als Aufruhr auszulösen. „Donald Trump hat uns daran erinnert, dass wir uns selbst helfen müssen, statt wie in der Zeit des Schahs vom Ausland abhängig zu sein.“
Der Geschäftsmann Mohammad spielt auf eine Zeit an, als das Land unter der verhassten Diktatur des Mohammad Reza Pahlavi von den USA ebenso gestützt wie ausgebeutet wurde. Zwischen 1953, als die CIA einen Staatsstreich gegen den Premierminister Mossadegh zu verantworten hatte, und der Islamischen Revolution von 1979 saßen die Amerikaner praktisch mit in der Regierung und im Oberkommando der Armee. Sie halfen dem Schah, den Geheimdienst SAVAK samt Foltergefängnissen zu unterhalten, um im Gegenzug den Bedarf an Rohöl günstig decken zu können. Womöglich hätte es ohne dieses Verhalten der USA keine Islamische Revolution gegeben. Seit dieser Umschwung den Schah ins Exil trieb, haben sich die Iraner daran gewöhnen müssen, ohne die Sympathie des Westens auszukommen und externem Druck zu widerstehen, auch wenn das bis heute einen hohen Preis hat.
Porträts der Märtyrer
Im Moment hängen überall Porträts der im Krieg gegen den Irak zwischen 1980 und 1988 gefallenen Soldaten, deren Zahl in die Hunderttausende geht und die als Märtyrer verehrt werden. Der irakisch-iranische Krieg, der durch einen Angriff der Armee Saddam Husseins ausgelöst wurde, bleibt ein nationales Trauma. Unvergessen ist, dass die Armee des Irak 1987/88 Giftgas aus westdeutscher Produktion gegen die iranische Zivilbevölkerung einsetzte. Der Westen mit seinem stets selektiven Interesse an Menschenrechten ging gegen den irakischen Diktator erst vor, als der im August 1990 durch den Einmarsch in Kuwait politisch unbequem wurde. Das Inferno des Krieges mit dem Irak mag ein Grund dafür gewesen sein, in der Folge ein Atomprogramm aufzulegen, um so der Souveränität des Landes zu dienen.
Wer offen für Gespräche ist, wird feststellen, dass es unter den Iranern großes Interesse am Kontakt mit Ausländern gibt. Deutlich wird das nicht zuletzt vor der eindrucksvollen Kulisse des zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Platzes Meydan-e Imam im Zentrum von Isfahan. Schüler, die ein Gespräch auf Englisch führen sollen, gehen schüchtern oder entschlossen auf Ausländer zu. Dem Autor blieb die Begegnung mit der Schülerin Shirin in Erinnerung, die fließend Englisch und Französisch sprach und sich auf ein Gespräch über Gott und die Welt einließ – über Iran ebenso wie über das Leben in Europa und die Unterschiede zwischen Islam und Christentum. Weltoffen und dem Wertekanon eines schiitischen Islam verpflichtet zu sein, dies seien die Grundkonstanten ihres Lebens, so Shirin, fern jedem Anflug von religiöser Verbohrtheit.
Was Iran an Überlieferung zu bieten hat, kann sich sehen lassen. Mitten in der Wüste liegt die Stadt Yazd, für die markante Lehmbauweise vieler Gebäude ebenso berühmt wie für die Windtürme, mit denen sich die Häuser selbst bei schwerer Hitze angenehm temperieren lassen. Der Hotelier Hossein zeigt stolz ein Stofftuch vor, das von seinen Gästen mit dem ausdrücklichen Bekenntnis zum Frieden in der Welt signiert wurde.
Frieden und gelassene Ruhe gehen vom Ateshkadeh aus, dem Tempel der Zoroastrier in Yazd, der ein ewig brennendes Feuer als kultisches Zeichen birgt. Der Zoroastrismus, eine alte iranische Religion, geht auf Zoroaster oder Zarathustra zurück und lehrt die Verehrung des Lichtgottes Ahura Mazda. Weil der Glaube daran eine ethische Dimension hat, werden seine Anhänger motiviert, sich durch den Gedanken, durch Wort und Tat dem Licht und dem Guten zuzuwenden. Gemeindemitglied Iranesaboor erzählt, dass die Zoroastrier ihre Religion frei ausüben dürfen und einen Parlamentsabgeordneten nach Teheran entsenden. Schätzungen zufolge leben etwa 30.000 Zoroastrier im Land, allein 10.000 in Yazd.
In Schiraz, der Millionenmetropole im Süden, faszinieren die paradiesischen Gärten und weitläufigen Parks, in denen sich die Grabmale der persischen Nationaldichter Hafis und Saadi finden. Auch die Innenstadt wirkt wie ein botanischer Garten mit der üppigen Bepflanzung kleinerer Paläste bis hin zum eindrucksvollen Mausoleum des Heiligen Schah Tscheragh. In die Umgebung von Schiraz sind weitere Relikte des antiken Perserreiches zu sehen, wie sehr gut erhaltene Reliefs des Palastes in Persepolis aus dem 6. und 5. vorchristlichen Jahrhundert, die eine untergegangene Welt wiederauferstehen lassen. Auch die Felsengräber der achämenidischen Herrscher in Naqsch-e Rostam wenige Kilometer weiter vermitteln eine Ahnung vom Geist des einstigen Imperiums. Der Betrachter mag sich fragen, ob die Weltoffenheit vieler junger Iraner nicht ein Erbe des Perserreichs wie auch kultureller Einflüsse ist, die im Laufe einer langen Geschichte auf den Vielvölkerstaat eingewirkt haben. Oder bewahren sich die Iraner einfach nur natürliche Neugier?
In Kurdistan, einer letzten Station, ist manches anders als im übrigen Land. Hier herrscht die sunnitische Glaubensrichtung des Islam vor, sodass man der Regierung im fernen Teheran häufig mit mehr Distanz begegnet als andernorts. Die strengen Kleidungsvorschriften für Frauen werden überaus großzügig gedeutet, wie Dilara, Medizinstudentin aus Mahabad, erklärt. Sie schildert, wie die Kurden ihre Kultur in gewissen Grenzen leben dürften, dass ihre Sprache hingegen nicht in den Schulen gelehrt werde. Was sich bei Kurden wie Schiiten deckt, ist die unfassbare Gastfreundschaft. Die Menschen tun nach alter persischer Tradition fast alles, um Besucher von den Vorzügen ihres isolierten Landes zu überzeugen. Vermutlich auch deshalb ist Iran, sieht man von der gegenwärtigen Kriegsgefahr ab, ein ebenso imposantes wie sicheres Reiseland, das einen völlig anderen Eindruck hinterlässt, als ihn die übliche Berichterstattung vermittelt.
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