Investieren ohne Ende

Peripherie Aus einer neuen Studie zu AfD-Wahlerfolgen folgt: Die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum darf nicht weiter Opfer der Schwarze-Null-Politik sein
Abgehängt
Abgehängt

Foto: Schöning/Imago

Endlich eine Studie, die mit der üblichen „Der Ossi wählt halt AfD“-Rethorik bricht. „Zu sagen, AfD-Wähler sind Menschen mit geringen Einkommen, das passt nicht", heißt es im neuen Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), und weiter: "Es sind auch nicht per se Arbeitslose.“ Haupterkenntnis der Forscher: die Wähler der AfD kommen aus ökonomisch und sozial bedrohten Regionen. Aus Regionen, die wirtschaftlicher Unsicherheit und einem stetigen Wegzug junger Bevölkerung ausgesetzt sind.

Regionale Unterschiede und das Gefühl des Abgehängtseins spielen den Rechtspopulisten in die Karten. Wer dagegen etwas tun will, für den liegt eine Lösung auf der Hand: die betroffenen Regionen durch gezielte Investitionen wieder lebenswerter machen. Wer keine Rechtspopulisten in den Parlamenten will, muss Geld in die Hand nehmen. Richtig viel Geld. So viel Geld, dass der Bundeshaushalt keine schöne schwarze Null mehr aufweist. Da schrillen die Alarmglocken bei den Austeritäts-Dogmatikern – von Jens Spahn bis Olaf Scholz –, deren politische Kreativität sich im Ausnutzen des Spielraums, der ganz genau bis zu schwarzen Null reicht, erschöpft.

Gute, kleine Schulen

Ohne Investitionen gibt es keine Veränderung. Wie soll eine am Boden liegende Region aus eigener Kraft ein Strukturprogramm realisieren, welches junge Leute zum Bleiben bewegt und Unternehmen anlockt? Ohne Finanzinfusion von außen – sprich: vom Bund –, die über alle bisherigen Kommunalinvestitionsförderfonds-Pflaster hinausgeht, kann es nicht gelingen, die besagten Regionen lebenswerter zu machen. Das wäre teuer. Und würde auch keiner Marktlogik, der noch jede Kreisgebietsreform folgt, gehorchen. Eine bestens ausgestattete Schule mit nur ein paar Dutzend Schülerinnen und Schülern, ein Gericht mit einer überschaubaren Einzugsbevölkerung – das rechnet sich allein nach demokratischen Parametern, nicht nach dem des heute geltenden Effizienz-Dogmas.

Die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum gilt es gerade deshalb massiv zu stärken. Kredite – Schulden – sind immer Ausdruck von Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft. Wer von Krediten nichts wissen will, dem fehlt dieses Vertrauen. Es geht aber darum, neues Vertrauen aufzubauen und Menschen das Gefühl zu nehmen, vergessen zu werden. Ihnen zu zeigen, dass sie ein gleichwertiger Teil der Gesellschaft sind. Dafür müsste eine Regierung jedoch den Willen aufbringen, sich diesen Menschen zuzuwenden und ihren Sorgen und Ängsten Gehör zu schenken – sie ernst zu nehmen. Emsig weitersparen ist da offensichtlich nicht der richtige Weg. Wie auch? Vertrauen baut sich nicht über leere Versprechen auf, sondern über sicht- und greifbare Taten. Taten, die notwendigerweise auch einen Glauben an die Zukunft von Seiten der Regierung benötigen.

Sollten wir es in naher Zukunft allerdings mit einer Neuauflage der schwarz-roten Koalition zu tun bekommen, erscheinen die Aussichten auf einen Kurswechsel schlecht. Es würde ja auch einer Art von Schuldeingeständnis gleichkommen. Und welcher Politiker gesteht schon gerne die eigenen Fehler ein? Doch ein wenig Mut und Ehrlichkeit in Verbindung mit realen Maßnahmen könnten das fehlende Vertrauen der Protestwähler erneuern und den Rechtspopulismus mit seinen leeren Versprechungen und falschen Schuldzuweisungen an Minderheiten in die Schranken weisen.

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