Eine westdeutsche Familie lebt auf großem Fuß. Ihr Mercedes wird vom Sohn des Werkstattinhabers bewundert. Die Kinder der beiden Familien sind miteinander befreundet, und so stellen sie sich eines Tages die Frage: Würde die schöne Mutter auch ohne ihr Diamantkollier noch so schön sein? Ein Test soll es zeigen. Jeder stiehlt ein Schmuckstück der eigenen Mutter. Was im Kleinbürgerhaushalt als bedauerlicher Verlust gebucht wird, geht bei Familie Neureich sofort an die Substanz. Ihr Wohlleben steht auf den tönernen Füßen von Kreditzusagen und windigen Deals; die prekäre Lage ist bald stadtbekannt.
Ein DEFA-Film wie Die Schönste (Regie: Ernesto Remani, 1957) bereitet heute ein sehr gemischtes Vergnügen. Er wirft kein ganz falsches Licht auf die Filme dieser Jahre. Seine propagandistischen Ansprüche liegen einerseits so offen, dass sie fast zu heutiger Herablassung einladen, wie sie im Übrigen auch DEFA-Filme eines ganz anderen Kalibers trifft. Andererseits war die Reaktion der DDR-Zensurbehörden auf diesen Film damals alles andere als einfach gestrickt. Man war der Meinung, dass die Konsumwelt des Westens in diesem Farbfilm auf jeden Fall zu schillernd dargestellt sei. Verboten wurde der Film aber auch aus einem heute noch nachvollziehbaren Grund: Er galt als zu plump gemacht.
Die Darstellung des Westens in den Filmen der DEFA - so gesehen ist das ein heikles Thema. Sie läuft Gefahr, die "westlichen" Annahmen über die DDR und ihre Filme einfach zu wiederholen und nun eben nostalgisch zu rahmen. Wie zum Beispiel die, dass die Existenz deutsch-deutscher Realitäten in den öffentlichen Bildern der DDR völlig ausgeblendet gewesen sein müsse. Das ist eine höchst bezeichnende Projektion. Denn es war genau umgekehrt: Es sind die westdeutschen Spielfilme, in denen die DDR praktisch nicht vorkommt. DEFA-Filme gibt es hingegen fast nie ohne Westbezug. Und so wirken die Hallstein-Doktrin und das schlechte Image der Mauer bis heute nach.
Meine erste Berührung mit dem Ostwest-Thema hatte einen ganz banalen Anlass. Da ich gebürtiger Kölner bin, sprang mich die Verbindung von "Köln" und Slatan Dudow in Der Hauptmann von Köln (1956) direkt an. Der Köln-Bezug dieser Satire war zwar vernachlässigbar, die räumliche Verlagerung des "Köpenick"-Stoffs hatte für mich trotzdem spannende Seiten. Durch eine Verwechslung wird ein arbeitsloser Kellner für einen Wehrmachtkameraden gehalten. Dadurch gelangt er in die höchsten Kreise der BRD und bis auf einen Chefsessel der Montan AG. Das sehr auf Schein beruhende System verfolgt andererseits aber auch sehr handfeste politische Pläne: Nicht nur die Remilitarisierung der BRD ist bereits beschlossen, auch ein neofaschistischer Putsch steht unmittelbar bevor.
Als die DEFA ein Jahr nach Kriegsende auf den Überresten der UFA gegründet wurde, entstanden mit Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns und Kurt Maetzigs Ehe im Schatten Filme, die noch von einem gesamtdeutschen Bedürfnis nach Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit und einer Humanisierung der Gesellschaft ausgehen konnten. Schon zwei Jahre später hatten sich die Verhältnisse jedoch deutlich zugespitzt. DEFA-Spielfilme ergreifen nun entschiedener Partei und werden damit auch zum Spiegel der weltpolitischen Lage. Zudem war jetzt der Aufbau eines sozialistischen Gemeinwesens zu begleiten: Sozialisierung von Produktionsmitteln und Landreform, nicht zuletzt auch die filmische Analyse des Faschismus und der Wiederanschluss an die Geschichte der Arbeiterbewegung.
Mit der Teilung Deutschlands entsteht die Möglichkeit, das "Andere" zur Selbstbestimmung heranzuziehen. Zunächst ziehen sich die Klassenwidersprüche direkt durch die Familien. In Unser täglich Brot (Regie: Slatan Dudow, 1949) versucht der Sohn, beim Aufbau eines VEB zu helfen. Sein autoritätsfixierter Vater hat für diesen Einsatz nur Verachtung übrig; er schätzt den jüngeren Sohn weitaus mehr, der sein Auskommen in den räuberischen Verhältnissen des Schwarzmarkts sucht. In Roman einer jungen Ehe (Regie: Kurt Maetzig, 1952) trifft es ein junges Westberliner Schauspieler-Paar. Ein Westtheater will ein neomilitaristisches Stück aufführen. Der Ehemann sieht darin eine Karrierechance, seine Frau findet das bedenklich. Ein Engagement in einer Ostproduktion lässt sie erkennen, dass künstlerische Ansprüche nicht überall in Deutschland mit Füßen getreten werden. Kulturpolitische Kontraste werden noch durch eine weitere Facette gestiftet: Nachrichten vom Prozess gegen einen bekannten Naziregisseur, unschwer als Veit Harlan zu erkennen, durchziehen den Film. Eine Gerichtsszene belegt den Druck, den die alten Kräfte in Westdeutschland ausüben. Die zerrissene Ehe wird durch die abrupte Einsicht des Mannes gekittet, dass die Aufbauleistung der DDR auch ein Indikator ihrer moralischen Überlegenheit ist.
Roman einer jungen Ehe vollzieht eine Bewegung von Westen nach Osten, die sich sowohl als Anwerbeversuch wie auch eine Bestätigung nach innen verstehen lässt. Neben solchen geographischen gibt es aber auch historische Varianten dieser antikapitalistischen Erzählung. In Chroniken, Epen und biografischen Filmen, die jetzt sehr geschätzt werden, können weit ausholende Geschichtsbilder entwickelt werden. Die Buntkarierten (Regie: Kurt Maetzig, 1949) spielen, so gesehen, fast ganz im "Westen", da sie in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts und mit der Schilderung preussisch-militaristischer Verhältnisse einsetzen. Immer wird aber sichergestellt, dass die Panorama-Darstellung deutscher Irrwege zielgerichtet auf die sozialistische Gegenwart zuläuft.
Auch Rat der Götter (Regie: Kurt Maetzig, 1950) stellte sich in diese Linie einer historischen Globalkritik. Ausgehend von der Frage nach der individuellen Verantwortung eines IG Farben-Chemikers legt der Film Wert auf die Feststellung, dass die hochtechnisierte Barbarei des Faschismus nichts als die folgerichtigste Stufe des Kapitalismus sei. Auch US-Konzerne waren mit der NS-Wirtschaft verbandelt, und alle gemeinsam machten sie satte Kriegsprofite.
Seit Mitte der fünfziger Jahre werden in der DDR aber auch Stimmen gegen die Übermacht solch groß angelegter Szenarien laut. Eine jüngere Regisseursgeneration fordert die Entwicklung von "Gegenwartsstoffen" und eine Hinwendung zum "Lebensgefühl" und konkreten Alltag in der DDR. In der Folge entstanden Filme wie Berlin - Ecke Schönhauser (Regie: Gerhard Klein, 1957), die sich nicht nur einem jüngeren Publikum zuwendeten, sondern auch das Westthema auf eine kleinere Flamme stellten. Die Globalkritik wurde nun zunehmend vom antifaschistischen Geschichtsfilm abgedeckt, der bis zum Ende der DDR ein wichtiges DEFA-Genre bleiben sollte. Die Parade der Diversanten, Saboteure und Provokateure dünnte aus, an ihre Stelle traten die vielen kleinen Laster, die aus dem Westen als schlechter Einfluss herüberschwappten und die Jugend nicht unberührt ließen.
Da es nun einmal so ist, dass sich die wahren Strukturen des Kapitalismus hinter (leeren) Versprechungen der Popkultur und gleißend erotisierten Oberflächen verbergen, muss man gerade an diese attraktiven Aspekte heran, an die dicken Autos, weich fließenden Kleider und das attraktivere Angebot an Musik und Filmen. Versuchte sich Die Schönste noch an einem kompletten westdeutschen Gesellschaftsbild, so wird das dort bereits angelegte pars pro toto zunehmend verfeinert. In Eine Berliner Romanze (Regie: Gerhard Klein, 1956) ist es ein Kofferradio, das die Systemunterschiede markiert. Ein Mädchen aus dem Osten lernt einen Jungen aus dem Westen kennen. Er will ihr imponieren und schenkt ihr deshalb sein Radio, obwohl ihn die Raten bereits erdrücken, da nun auch noch die Arbeitslosigkeit droht. Gern würde er ihr auch den größten Wunsch erfüllen, eine "Ausbildung" an der Model-Schule auf dem Kudamm. Nachdem die jungen Menschen zur Vernunft gekommen sind, ergeht eine Einladung an den Jungen, doch mal drüben vorbeizukommen.
Und wie sah sie aus, die Alternative DDR? DEFA-Filme machen in den fünfziger Jahren etwa folgendes Angebot: Solide berufliche Qualifizierung oder Hochschulstudium, heitere Solidarität auch zwischen den Generationen, das Versprechen sozialer Durchlässigkeiten, gleicher Zugangschancen und eine vernunftbetonte Organisation des Zusammenlebens - Spaß, Sexualität, reichlich Nahrung eingeschlossen.
Solche Angebote als Errungenschaft zu begreifen, setzte allerdings relativ "erwachsene" Wertvorstellungen voraus, die nicht von jedem erwartet werden konnten. Aber auch denen, die den Verheißungen der Popkultur offen gegenüberstanden, sollte etwas geboten werden. Da in einer Gesellschaft, deren Jugendkultur weitgehend staatlich organisiert war, die Räume für individuelle Übertretungen beschränkt waren, musste an diese Frage mit Geschick herangegangen werden. Meistens geschah das mit den Mitteln einer rationalisierten Abschreckung.
In Die Glatzkopfbande (Regie: Richard Groschopp, 1963) werden jugendkulturelle Phänomene in geradezu prophetischer Weise zugespitzt. Eine Gruppe junger "Rocker" macht auf einem Zeltplatz durch schlechtes Benehmen und Vandalismus von sich reden. Zur Identitätsstiftung und als Unterwerfungsakt erzwingt der Anführer, ein ehemaliger Fremdenlegionär, die Schädelrasur der Gruppenmitglieder. Nicht alle wollen da mitmachen, und so ergeben sich Ansatzpunkte für gesellschaftliche Interventionen, Hoffnung auf Eingliederung bleibt also bestehen. Und es wird ein weiteres Beispiel einer westlich geprägten Primitivität gegeben: Der Anführer behandelt seine Freundinnen wie den letzten Dreck.
In einem Kino, das gerade in Hinblick auf Optionen, die es Frauen einräumte, vorbildlich war, war das ein nicht zu unterschätzender Hinweis. Es würde sich daher vielleicht lohnen, einmal zu prüfen, inwieweit die politischen Korrektheiten avant la lettre, die viele Bereiche der (Film-)Alltagskultur der DDR bestimmten, in den sechziger Jahren auf dem Ticket jugendkultureller Dissidenz unterlaufen wurden. Denn in den Forderungen nach mehr Gegenwart steckte gelegentlich schon der von der Nouvelle Vague beeinflusste Versuch, coole Jugendlichkeit als Affirmation von "Machowerten" zu verstehen. Jürgen Böttchers "Giftschrank"-Film Jahrgang 45 (1965) ist nicht nur wegen seines filmischen verité interessant, sondern weil er auch diesen Aspekt belegt. Hier gibt es ihn auf einmal auch im DEFA-Film, den smarten Souverän als positive Figur und die etwas zu schweigsame schöne Frau als sein Pendant.
In der Zwickmühle aus Pädagogik und Unterhaltungsanspruch reagieren DEFA-Filme manchmal mit erstaunlichen Wendungen. Immer wieder werden gerade dem gesellschaftlich eigentlich Unerwünschten besonders hingebungsvoll Schauwerte abgerungen. Das gilt mit Sicherheit für die Kriminalfilme und die vielen Szenen, die in mondänen Nachtbars spielen. Der junge Engländer (Regie: Gottfried Kolditz, 1958) ist hingegen ein Beispiel für ein schrilles Anti-Pop-Pamphlet. Die Auswirkungen westlicher Dekadenz-Formen wurden hier - frei nach dem Hauff-Märchen Der Affe als Mensch - als artifizieller Musikfilm verhandelt - ohne Dialog, nur von der immer leicht höhnischen Erzählerstimme begleitet. In einer süddeutschen Kleinstadt der restaurativen 1820er Jahre lebt ein Engländer eigenbrötlerisch vor sich hin. Ein Zirkus kommt in die Stadt, und das bringt ihn auf eine Idee. Er kauft die Attraktion der Schau, einen vorwitzigen Menschenaffen und modelt ihn um zum Gesellschaftstier. Das Resultat überzeugt, die Stadtbewohner sind entzückt und die Eskapaden des Affen treten eine wahre Nachahmungsspirale los. Die Moden werden nun immer zeitgemäßer, die Tanzszenen exzessiver. Einmal umtanzt der "Modeaffe" den Pastor und streicht ihm zu dessen größter Zufriedenheit über den Bauch. So kommt es hier auch zu einem für einen DDR-Film eher ungewöhnlichen Hauch von homosexueller Diffamierung.
Dieser Film hätte Adorno vielleicht zu Tränen gerührt, immerhin trafen sich hier ähnlich kulturpessimistische Einschätzungen. Regisseur Kolditz, ein Multitalent der sozialistischen leichten Muse, suchte zwei Jahre später nach positiveren Impulsen. Eines der Gruselmotive des Kalten Krieges, die "Entführung", wird in Revue um Mitternacht zum listigen Einstieg in das viel diskutierte Thema "Unterhaltung in der DDR". Mit geheimdienstlichen Mitteln werden ein Dramaturg, ein Komponist, ein Autor und ein Architekt in eine stadtnahe Villa verbracht. In Klausur sollen sie dem vermeintlich systemimmanenten Defizit zu Leibe rücken. Revue findet einen selbstreferenziell-eleganten Ausweg, indem er schon aus der Konzeptphase ein farbenfrohes Pastiche verschiedener Choreografie- und Dekorationsstile macht.
Was auf Unterhaltungsformen zutrifft, lässt sich auch über Figuren und Charaktere sagen. In DEFA-Filmen sind auch eine große Zahl liebevoll gezeichneter Typen versammelt, die so gar nicht dem frühen sozialistischen Ideal einer bodenständigen und gutmütigen Virilität entsprachen. Gewisse Darstellungen von Snobs, herrischen Faschisten und einer salonbolschewistischen Intellektualität suchen im deutschen Film ihresgleichen. Ich denke an Herward Grosses ölige Überheblichkeit in Der Fall Gleiwitz (Regie: Gerhard Klein, 1961) oder an Arno Wyzniewskys "schwierige" Abgehärmtheit, die in Ach, du fröhliche (Regie: Günther Reisch, 1962) zum auch physiognomischen Ausdruck der Blockade zwischen den Generationen wurde.
Seit Ende der fünfziger Jahre hatte eine jüngere, nun in der DDR sozialisierte Regisseurs-Generation mit einem neuen filmischen Ton auch einen frischeren Blick auf die Binnenverhältnisse durchgesetzt. Mit der Errichtung der Mauer 1961 hatten die Versprechungen eines freieren kulturpolitischen Klimas dazu einen gleichsam baulichen Ausdruck bekommen. In "... und deine Liebe auch (Regie: Frank Vogel, 1962), Sonntagsfahrer (Regie: Gerhard Klein, 1963) und Der geteilte Himmel (Regie: Konrad Wolf, 1964) wurde auch der Versuch der Auseinandersetzung mit dem neuen deutsch-deutschen Faktum gemacht.
Es ist bekannt, wie dieser Aufbruch endete. Aber ein Zurück in die Fünfziger war dennoch nicht machbar. So nehmen die Auseinandersetzungen mit "Individualismus" einen immer breiteren Raum ein. Ende der sechziger Jahre ist der Blick auf Außenseiter und "asoziale Typen" fast entspannt und von einer gewissen Sympathie getragen. Ein Schauspieler wie Erwin Geschonnek war auf Vertretungen sperriger, windiger oder moralisch fragwürdiger Typen irgendwann geradezu erpicht. In Ein Lord vom Alexanderplatz (Regie: Günter Reisch, 1967) umschmeichelt er als West-Schwerenöter mit einem völlig unsozialistischen Charme und Schwindel erregenden Geldbeschaffungstricks seine betagte weibliche Anhängerschaft.
In Anton der Zauberer (Regie: Günter Reisch, 1978) ist es hingegen ein Automechaniker, der für eine sozialistische Gesellschaft etwas zu pfiffig ist. Was auch immer er anfasst, wird zu Geld. Er riecht "Bedarf" und setzt alles in Bewegung, um ihn zu decken. Nur die Frauen schätzt er nicht immer richtig ein, und so verschwindet sein auf einer Westberliner Bank deponiertes Vermögen mitsamt der republikflüchtigen Geliebten im Nichts. In solchen Anarchismen scheint sich nicht zuletzt auch Brechts Wunsch zu spiegeln, gerade der Sozialismus sei gut beraten, "die dunklen Vorräte an Vitalität (noch nicht sozialisierter Lebenskraft) zu heben, die im Asozialen liegen".
In der rückblickenden Begegnung mit DEFA-Filmen zeigt sich eine Filmproduktion, die in mehrfacher Hinsicht verkannt ist. Viele dieser Filme sind immerhin vor allem auch das: Beispiele für ein deutsches Unterhaltungskino, das sich als gesellschaftlich handelnd verstand. Begriffe wie Propaganda und Ideologie bekommen so eine irritierende und reizvolle Wendung. Sie stehen plötzlich nicht mehr nur für "absichtliche Falschdarstellung", sondern vielmehr für "Überzeugungsarbeit" und "parteiische Darstellung", die geradezu als Voraussetzung für einen Realismus erscheint, der auch ökonomische Zusammenhänge zutreffend erfassen will.
Im Übrigen lassen die immer dreister organisierten "Weltneuordnungen" und sozialen Verwerfungen, mit denen wir heute wieder konfrontiert sind, die kapitalismuskritischen Analysen selbst der DEFA-Filme der fünfziger Jahre als geradezu zutreffend erscheinen.
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