Sternfahrt der Treckker II

Klimapaket Angst vor der Zukunft - ein grotesker Aufmarsch soll die Seele der Großbauern streicheln

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Die Woche der "Klimastreiks" hat begonnen. Die ganze Woche bis zum 29.November finden bundesweit Veranstaltungen rund um das Thema Klimawandel statt. Fridays for Future, Ökoretter, Politk und NGO's arbeiten Hand in Hand, um die Öffentlichkeit in die laufenden progressiven Prozesse der Wandlung einzubeziehen. Aktivisten an der Humboldt-Uni in Berlin und sonst wo im Lande definieren sich unter einer Klimastreikwoche. Diese und andere konzertierte Anstrengungen zur Verdichtung der öffentlichen Diskussion gab es bereits Ende September.
Das kann der Bauernverband nicht auf sich "sitzen lassen" Ebenso in die zweite Runde geht dieses Jahr eine Treckerdemo nach Berlin. Hä? Kennen wir das nicht schon von "Wir haben es satt"? Ja schon. Die Gegner der Massentierhaltung, die Leute, die Pestizide, resistente Keime und den Niedergang der Artenvielfalt nicht hinnehmen wollen, zeigen seit über zehn Jahren unter dem Radar der Bauernlobby Farbe - mit 60-100 Treckern zur alljährlichen Berliner Demonstration im Januar.

Aber das jetzt? So treten vom Bauernverband berufene Großreifenlenker auf den Plan, die nichts gegen die gesellschaftlich in Fragestellung geratene Pestizidverseuchung oder die Tier-Massenaufzucht einzuwenden haben.
Mit großem Getöse veranstaltet die Branche am 26.11. eine fahrbare Dieselorgie, eine Sternfahrt, die Fernstraßen und Autobahnen blockieren wird, und mit ihrem Wohlklang noch lange hör- und riechbar nachhallen könnte. Was wird das bloß wieder für eine Luftverpestung. Dieser Demotyp ist der zweite Gang in diesem Jahr und ist als Gegengewicht zur Klimawoche terminiert. Warum denn das? Es reicht offenbar nicht mehr, daß sich Lobbyvertreter in den Hinterzimmern der Politik in Dauerpräsenz stark machen, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen wohlmeinend zu beeinflussen. Da die Diskussion darüber nunmehr öffentlich geworden ist, muß zur Sicherstellung der Lobbyinteressen ein öffentlich getragenes Gegengewicht her. Da hier die Agrarbranche allein gegen einen gesellschaftlichen Konsenz antritt, muß sie eine überhöhte Wahrnehmbarkeit sicherstellen. Laut muß es sein, bunt muß es sein und im Weg stehen sollte es auch. Und die Aussage? Rettet unsere Pfründe? Nein nein. Lieber ein paar markige populistische Sprüche. Bereits beim letztes Mal lasen sich die Spruchbänder an den testosteronbemalten Fahrzeugen in merkwürdig verzweifelter Tonart, die an das Meinungsanspruchs-Muster der Israelis erinnerte. Wer nicht mit unserer Sicht auf die Welt einverstanden ist, der ist ein Antisemit.
Dabei will Niemand einem Großbauern einen von seinen Trekkern wegnehmen. Es geht um mehr, es geht um das Konzept. Die gesellschaftliche Diskussion kommt zudem erst überhaupt in Gang und findet u.a. auch in den Parlamenten statt. Die Lobby sieht ihren Untergang vor Augen und entwirft Bilder, bei denen eine Neuausrichtung der Agrarpolitik, also einer Agrarwende oder einer Klimawende oder der Verkehrswende - und hier ist es völlig egal, was zuerst kommt - implizit den Untergang der "Bauern" erwarten ließe. Bauern? Die Argumente sind scheinheilig, denn hier bummeln nicht Kleinbauern mit dem Schaltknüppel durch den Tag, die ihre Arbeit selbst zu erledigen haben, sondern vor allem jene, die dazu Personal einsetzen. Agrarunternehmer, die schon immer den größeren Happen vom Kuchen der Fördergelder abbekommen haben, weil sie die größten Flächen bewirtschaften. Die Löwen, die wir am Dienstag sehen, stehen auf der Seite der Bevorzugten, auf das alles so bleibe, wie es war. Denn nicht nur Glyphosat und Co. sind in Verruch gekommen, auch der Hektar-Größenbonus, den einst Renate Künast ausgehandelt hat, ist nun in Gefahr, weil der die Großen am Besten bezahlt. Aber in Deutschland pflegt man gern die feinen Unterschiede - auch mit solch grotesken Aufmärschen.

Kommentar zur Demo mit Details von Jost Maurin [taz]

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Verkehrswarnung des Nordkurier

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Geschrieben von

manstruator

Der Dummheit hat die Natur keine Grenzen gesetzt - sie ist menschlich.

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