Das war ein ziemlich genialer Coup: Der irische Wettanbieter Paddy Power, Trikotsponsor des Premier-League-Absteigers Huddersfield, präsentierte die Trikots des Clubs für die kommende Saison – nie war der Begriff „Litfaßsäule“ für einen Fußballspieler passender. Der Name des Sponsors prangte allumfassend auf der Jerseyfront und der Sprecher im Videoclip zur Präsentation erklärte, man habe es sogar geschafft, den Verband zu überzeugen, statt der Rückennummern die Wahrscheinlichkeit für einen Torschuss auf die Trikot-Hinterseite zu pinnen. Im Internet liefen die Fans Sturm. Genau das hatte der Wettanbieter gehofft.
Tags darauf erklärte Paddy Power öffentlichkeitswirksam, die vermeintlich neuen Leibchen seien lediglich ein Spaß gewesen. Man habe darauf aufmerksam machen wollen, wie entstellt viele Trikots durch die Sponsoren seien und ziehe daraus Konsequenzen: Zwar bleibt der Wettanbieter Trikotsponsor von Huddersfield, jedoch ohne selbst mit Markennamen oder Logo aufzutauchen. In den sozialen Medien wird die Aktion mit dem Hashtag #SaveOurShirt begleitet: Rettet unser Trikot. Die an ungewöhnlichen Anekdoten nicht arme Geschichte des Trikotsponsorings ist damit um eine solche reicher. Auch im deutschen Fußball ist diesbezüglich einiges geboten.
Die Geschichtsschreibung hierzulande hielt lange fest, die Jägermeister-Trikots bei Eintracht Braunschweig seien die ersten ihrer Art gewesen. Das ist falsch. Den fleißigen Chronisten bei Wormatia Worms sowie den Recherchen des Chefreporters Sport beim Münchner Merkur, Günter Klein, ist zu verdanken, dass dieses Missverständnis korrigiert wurde. Zu Beginn der Saison 1967/68 lief die Wormatia als erster Club im deutschen Fußball mit Trikotwerbung auf, wenn auch letztlich nur für drei Spiele. Worms spielte seinerzeit in der Regionalliga Südwest, eine von damals fünf zweiten Ligen in Deutschland.
Vor 3.500 Zuschauern trugen die Spieler am 20. August 1967 die drei schlichten Buchstaben CAT auf der Brust, für den US-Baumaschinenhersteller Caterpillar, der eine Niederlassung in Mannheim unterhielt. Dafür gab es drei Trikotsätze samt Hosen sowie 5.000 Mark. Die Welt schrieb damals: „Wormatia Worms tat einen energischen, wenn auch nicht gerade sympathischen Schritt zur weiteren Kommerzialisierung des Leistungssports. Ob es uns gefällt oder nicht, die Tabus eines traditionellen Idealismus werden immer stärker abgebaut.“ Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) jedoch setzte die Wormser Trikots hektisch auf die Tagesordnung der Vorstandssitzung Anfang September und beschloss dort ein Verbot derartiger Werbung.
Um dieses zu umgehen, wandte der Unternehmer Günter Mast einige Jahre später eine List an. Mast verband eine enge Freundschaft mit Ernst „Balduin“ Fricke, Präsident von Eintracht Braunschweig. Um den zu jener Zeit klammen Verein wieder auf die Beine zu hieven, wurde bei der Mitgliederversammlung im Januar 1973 das Wappentier zur Wahl gestellt und der bis dahin bekannte Löwe mit 145 zu sieben Stimmen durch einen Hirsch ersetzt. Auf den Spielertrikots prangte erstmals bei der Begegnung gegen Schalke im März 1973 nicht irgendein Geweih, sondern mit „Hubertus Hirsch“ das Markenzeichen des Kräuterlikörs. Vor dem ersten Spiel der Braunschweiger nach der Winterpause 1972/73 hatte der DFB noch ein Veto gegen die Trikotwerbung eingelegt. Es folgte ein erbitterter Rechtsstreit, ein Kompromiss sah schließlich unter anderem den Verzicht auf den eigentlichen Schriftzug Jägermeister vor. Auf seinem Bundestag im November 1973 erlaubte der DFB Trikotwerbung dann offiziell. Schon im Jahr darauf spielten fünf Teams mit Werbung auf der Brust, heute ist ligaübergreifend längst keines mehr „oben ohne“.
Unfreiwillig nahm hingegen der Kondomhersteller London Rubber Company Ende der 1980er seinen Schriftzug von den Trikots des damaligen Bundesligisten FC Homburg. Die Werbung war dem Liga-Ausschuss des DFB ein derartiger Dorn im Auge, dass man die Spieler erst gar nicht aus der Kabine kommen lassen wollte. „Schiri Walter Eschweiler bat mich sogar vor einem Spiel, die Trikots nicht anzuziehen, sonst dürfe er nicht anpfeifen“, erinnerte sich der damalige Präsident Manfred Ommer fast 30 Jahre später in der Bild. Die Werbung wurde zeitweise mit einem schwarzen Balken verdeckt, schließlich befand ein Gericht, dass sie nicht gegen Sitte oder Moral verstoße; Homburg durfte wieder mit dem Schriftzug auflaufen. Kein Pardon kannte der saarländische Fußballverband, als A-Ligist SV Oberwürzbach 2017 mit Werbung für das Porno-Sternchen Lena Nitro antreten wollte, und verbot diese umgehend. Der Hessische Fußballverband hatte nichts einzuwenden, als Rot-Weiss-Frankfurt 2017 mit Werbung für einen Saunaclub antrat und lag damit auf einer Linie mit Trainer Mario Basler.
Bei Borussia Dortmund unterschrieb der Tabakhersteller Samson als erster Trikotsponsor und übergab zum Start 1976 ein echtes Löwenbaby namens Sambo. Die Raubkatze zierte zwei Jahre das Logo des Clubs, wogegen die Fans Sturm liefen. Die Klebstoffmarke Uhu in den 1980ern wurde deutlich positiver aufgenommen, allein schon, weil die Farben des Vereins und des Sponsors – Schwarz-Gelb – identisch waren.
Heavy Metal in Jena
Eine besondere Geschichte schrieb einige Jahre der FC Carl Zeiss Jena. Die in Thüringen beheimatete Heavy-Metal-Band Heaven Shall Burn stieg 2015 ein, überließ die Jersey-Brust aber wiederholt gemeinnützigen Organisationen und erschien selbst nach der Einführung des Sponsoring-Spots auf den Trikotärmeln 2017 ebenda. Bekannter sind die Toten Hosen als Geldgeber der Düsseldorfer Fortuna, wann immer diese in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Zwischen auf antik getrimmten Säulen und auf weißem Sand, aufgeschüttet im Schatten des Doms, präsentierte 2005 der 1. FC Köln seine einleuchtende Idee, den urlaubsfreudigen Deutschen eine Insel schmackhaft zu machen: Zypern. Blöd nur, dass das Präsidium auf Hochstapler reingefallen war; Zyperns Tourismusbehörde hatte noch nie von der Investorengruppe Satena-Holding gehört. Der Deal platzte.
Bis heute schaffen es Vereinsverantwortliche, Fans mit der Wahl eines Sponsors auf die Palme zu bringen, zumeist, weil die Anhänger so gar keine Identifikationsfläche für sich sehen. So rebellierten die Fans bei Werder Bremen vor einigen Jahren gegen den neuen Partner Wiesenhof, wie sie es zuvor beim Textildiscounter Kik getan hatten. Heutzutage ist das Trikotsponsoring eine wichtige Einnahmequelle. Insgesamt erhielten die 18 deutschen Erstligisten in der Saison 2018/19 dafür 178 Millionen Euro; Bayern München 35 Millionen von der Telekom, an Absteiger 1. FC Nürnberg zahlte die Nürnberger Versicherung „nur“ 1,5 Millionen Euro.
Am Trikotsponsoring bricht sich für Fans das ganze Dilemma des modernen Fußballs. Während sie eine große Sehnsucht nach Jerseys ohne Werbung, nur mit den Logos der Vereine verspüren, betrachten diese das Thema längst rein wirtschaftlich. Klar, ein Sponsor, der die Werte des Vereins teilt, ist eine feine Sache, ebenso dank eines Mäzens den traditionellen Stadionnamen nutzen zu können. Am Ende aber muss vor allem die Kasse stimmen.
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