Und der Tag wird kommen, an dem wir alle unsere Gläser heben, durch die Decke schweben, mit ’nem Toast den hochleben lassen, auf den Ersten, der’s packt, den Mutigsten von allen, der Erste, der’s schafft. Es wird der Tag sein, an dem wir die Liebe, die Freiheit und das Leben feiern: Jeder liebt den, den er will, und der Rest bleibt still, ein Tag, als hätte man gewonnen. Dieser Tag wird kommen.“ So besang Marcus Wiebusch 2014 den Tag, an dem sich der erste aktive Profi im Fußball outen würde. Streng genommen lag dieser Tag da schon mehrfach in der Vergangenheit.
Bereits im Oktober 1990 hatte Justin Fashanu sein Coming-out, dessen Folgen so verheerend für ihn waren, dass sich der Spieler schließlich das Leben nahm. Robbie Rogers machte Anfang 2013 als Vertragsloser seine Homosexualität öffentlich und spielte ab Mai für LA Galaxy in der Major League Soccer (MLS). 2018 hielt der Minnesota United FC für Spieler Collin Martin anlässlich seines Coming-outs eine „Pride Night“ ab. Rückblickend waren in all diesen Momenten der Profifußball und die Gesellschaft um ihn herum vielleicht noch nicht bereit dafür, aktiv unterstützend auf die Offenheit der Spieler zu reagieren. Doch die Zeiten ändern sich – endlich! Das Coming-out des australischen Erstligaprofis Josh Cavallo scheint nun jenes Zeichen zu sein, nachdem der Profifußball der Männer sich zuletzt zu sehnen begann.
Einer, der offen ausspricht, was in anderen gesellschaftlichen Bereichen vieler westlicher Länder selbstverständlich ist: Er ist schwul. „I’m tired“, sagt Cavallo im Video, das auch sein Club Adelaide United veröffentlichte. „Ich bin müde.“ Und weiter: „I wanna inspire. It’s okay to be yourself and play football.“ Es ist okay, man selbst zu sein und Fußball zu spielen. Was für eine simple und überfällige Botschaft! Cavallo gebührt aller Respekt der Welt dafür, derjenige zu sein, der sie nun so ausspricht – für sich und alle anderen. Die positiven Reaktionen vieler Clubs und Spieler weltweit zeigen, wie wichtig sein Schritt ist; sie zeigen aber auch, dass der Fußball sich zuletzt gewandelt hat.
Doch er steht damit immer noch ganz am Anfang. Die Hoffnung, dass Cavallo andere Spieler in den großen Ligen weltweit inspiriert, ist groß. Sie ist es zum einen, weil jeder Spieler, der mit dieser Heimlichtuerei lebt, nun eine Chance sieht, sie selbst gewählt zu beenden. Sie ist es aber auch, weil das Thema Coming-out eines männlichen Profifußballers wie ein Pfropfen auf dem Füllhorn der Probleme sitzt, die für die LSBTIQA*-Community im Fußball existieren. Nun, wo die Neugier auf „den schwulen Profi“ befriedigt ist, löst sich dieser hoffentlich.
Damit kann der Blick frei werden, beispielsweise der auf das binäre System im Sport, nicht nur in den Profiligen, das vielen den Zugang erschwert oder gar unmöglich macht. Auch bei Einlasskontrollen und Toiletten fehlen vielfach Ansätze jenseits der Binarität. Frauen und andere nicht als cis-männlich gelesene Personen erfahren im Umfeld des Fußballs nach wie vor sexualisierte Gewalt, körperlich oder verbal. Das Männlichkeitsideal im Sport wird oft zur Abwertung anderer Geschlechter und Sexualitäten genutzt – Beschimpfungen wie „Hurensohn“ oder „Schwuchtel“ stehen dafür als Beispiel.
Spieler brauchen regelmäßig „mehr Eier“. Sind Frauen am Ball, wird der Sport ohnehin abgewertet. Hartnäckig hält sich zudem die Legende, für Spielerinnen sei es unproblematisch, Homosexualität öffentlich zu leben, was nicht nur ihre Kämpfe und Ängste abtut, sondern real existierende Probleme: Wie zum Beispiel Sponsoren reagieren, ist bedeutsam, gerade angesichts der geringeren Einkommen. All diese Themen verschwinden bislang hinter dem des Coming-outs, das alles überlagert. Auch dafür, diesen Missstand zu beenden, ist Cavallos Schritt so wichtig.
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