Die Imagination leuchtet in kräftigen Farben

Festival In Zeiten der Pandemie und geschlossener Kinosäle erlebt das Hörspiel ein Revival. Den aktuellen Stand der freien, äußerst lebendigen Szene kann man derzeit erleben
Das kann Hörspiel: Die Pforten zur 360 Grad Leinwand der eigenen Vorstellungskraft bleiben einladend geöffnet und laden zu Reisen „Jenseits der Unendlichkeit“ ein
Das kann Hörspiel: Die Pforten zur 360 Grad Leinwand der eigenen Vorstellungskraft bleiben einladend geöffnet und laden zu Reisen „Jenseits der Unendlichkeit“ ein

Foto: Tim Graham/Evening Standard/Getty Images

Medium der Stunde ist doch wohl gerade das Radio und seine Königsdisziplin, das Hörspiel, erlebt zu Recht eine neue Blüte. In Zeiten allgemeiner Beschränkung hat es einen besonderen Reiz, sich einer Kunstform zuzuwenden, die aus einem vermeintlichen Mangel ihre grösste erzählerische Kraft schöpft. Die nicht vorhandenen Bilder lassen die durch Stimmen, Geräuschen und Klängen hervorgerufenen Imaginationen um so kräftiger leuchtend erscheinen. Bleiben in Hinterstuben der Seelen womöglich auch noch viel dauerhafter projiziert als die vorgekauten, im Moment ihres Vorüberflimmerns schon wieder verpufften Bilder der Kinematographie. Mögen die Pforten der Kinosäle weiter geschlossen bleiben; die Pforten zur 360 Grad Leinwand der eigenen Vorstellungskraft bleiben umso einladender geöffnet und laden zu Reisen „Jenseits der Unendlichkeit“ ein.

Mit dem gerade stattfindenden 11. Berliner Hörspielfestival (BHF) hat die Kunstform ein verlässliches Instrument der Maßgabe aktueller Standards gefunden. Was hier vorgestellt wird, drückt den „State of the Art“ der freien, äußerst lebendigen Szene aus.

Ursprünglich wären dieses Jahr die Stücke erstmals in der Akademie der Künste präsentiert worden. Nun werden sämtliche nominierten Hörspiele über die You Tube Kanäle des BHF und der Akademie der Künste gestreamt. Interessierte können online ihr Voting abgeben und anschließend noch eine Woche einzelne Beiträge nachhören. Visuell werden die Stücke, ob nun wirklich notwendig oder nicht, von Josef Maria Schäfers, abstrakt untermalt, was das innere Kino in eine gewisse Farbigkeit taucht, so wie Plattencover ebenfalls die Wahrnehmung der zugehörigen Musik farblich einprägen.

Eine Festivalstimmung ist durchaus spürbar

Moderiert werden die Beiträge unter anderem von der Schauspielerin Britta Steffenhagen oder dem vielfach ausgezeichneten Hörspielmacher Robert Schoen, welche danach via Stream Gespräche mit den AutorInnen führen. Für Cornelia Klauß, Sprecherin der Film und Medienabteilung der Akademie der Künste, ist das Festival auch eine Möglichkeit für die Akademie, die Möglichkeiten in der digitalen Welt weiter auszuloten.

Allein durch die Fülle der Beiträge ist durchaus eine Festivalstimmung spürbar. Aus 151 Einreichungen wurden 35 Beiträge für vier Wettbewerbe ausgewählt. Alle Gattungen sind vertreten. Erzählerische, dokumentarische, klangkünstlerische und sprachexperimentelle Formen, die nicht nach Gattungen, sondern schlicht nach ihrer Länge gruppiert werden. Erstmals ist mit dem „Burning Mic“ auch ein Preis für nicht-deutschsprachige Beiträge ausgelobt. Bereits fünfjähriges Jubiläum erlebt der „MikroFiltzer“, ein Preis für schnell produzierte Hörstücke, die maximal 60 Sekunden lang sein müssen und einen vorgegebenen Satz oder ein Geräusch enthalten.

Wer sich nun also einlassen will auf unendliche Klangwelten, wird vom 21. bis zum 24. Mai gut versorgt. Irritierende Versuche der Kontaktaufnahme mit künstlerischer Intelligenz („Wie kann ein Klappmöbel ein Schrei sein und dann noch der letzte“ von Thomas Glatz, am Sonntag um 21.15 Uhr) oder blanker Horror („Das Haus hat gelbe Fenster“ von Maidon Bader & Thomas Gaevert, Samstag, 19 Uhr), Kurze lyrische Gedankenfahrten („Mitternachtsfahrgäste“ von Sarah Marie Meinert, Samstag, ab 20.15 Uhr) oder ein Doku/Spielstück über die Opioid-Krise in den USA („End of the Line-Annie“ von Andy Short, Sonntag 19 Uhr). Welten, die nur darauf warten, von wachen Ohren aufgenommen zu werden.

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