Die französische Kunst des Krieges…

Frankreich Es ist nicht unüblich, wenn innenpolitisch unter Druck geratene Regierungschefs oder Regierungen ihr Heil in einem Militäreinsatz suchen.

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Zu häufig hat es einfach gut funktioniert so die Bevölkerung von wesentlichen Problemen abzulenken. Nun ist der französische Präsident Holland aber sozusagen der Archetyp des gehetzten Regierungschefs. Es gab in den diversen französischen Republiken bisher keinen so unbeliebten Präsidenten wie ihn. Die diversen angestrebten innen- und wirtschaftspolitischen Reformen zeigten bisher keinerlei Erfolge. Ökonomisch ist Frankreich, besonders durch den Druck der deutschen Hartz-reformierten Wirtschaft, auf dem absteigenden Ast. Auch der enge Schulterschluss mit Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frankreich ein großes Problem mit der wesentlich konkurrenzfähigeren, deutschen Wirtschaft hat. Die Situation wird mit dem aktuellen Flüchtlingsstrom noch verschärft. Und dies nicht nur was die Kosten angeht, sondern auch international im Verhältnis zu Großbritannien. Die Situation von hunderten Flüchtlingen in Calais, die auf eine Möglichkeit warten irgendwie nach Großbritannien zu kommen, sorgt für Turbulenzen in den französisch-britischen Beziehungen. Ganz abgesehen davon ist der Militäreinsatz in Mali, der zwar personaltechnisch herunter geschraubt wurde, ein finanzielles Loch ohne Boden- ein französisches Afghanistan sozusagen. Warum sollte man also noch einen Militäreinsatz beginnen und Luftschläge in Syrien, gegen die man sich lange wehrte, planen? Im Grunde liegt die Antwort in den vorher kurz angedeuteten französischen Problemen. Hinzu kommt ein Sonderfall: Im Gegensatz zu den Deutschen, die eine unaufgeregte Politik bevorzugen, verlangen die Franzosen von ihren Präsidenten ein „Macher“ zu sein und dieses „machen“ muss auch entsprechend verkauft werden. Der blasse Holland hat da, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Sarkozy, einiges aufzuholen. Böse Zungen behaupten sogar, ein französischer Präsident müsse die Züge eines Machos haben. Diese Züge fehlen Holland, trotz Affäre, weitestgehend. Wie dem auch sei, Holland muss durchgreifen und „seinen Mann stehen“, wenn er ein positives Vermächtnis als Präsident hinterlassen will. Da bieten sich Luftangriffe auf den IS in Syrien in mehrfacher Weise an. Zum einen zeigt Holland das er durchgreifen kann, was durchaus Parallelen zu Mali aufweist, und zum anderen geht er gegen die Grundlage des aktuellen Flüchtlingsstroms vor. Er schlägt also die berühmten „zwei Fliegen mit einer Klappe“. Außerdem sind Einsätze der Luftwaffe wesentlich weniger Riskant als Bodentruppen und es ist besser jetzt einen Beitrag zu leisten als eventuell später für „unangenehme“ Aufgaben herangezogen zu werden.

Es stellt sich aber die berechtigte Frage, ob diese Luftangriffe nicht nur Nadelstiche sind und ob das französische Engagement nur unüberlegter Aktivismus ist. Militärisch betrachtet würden Luftangriffe nur in Verbindung mit einer gesamtheitlichen Strategie, die alle Akteure entsprechend ihrer Fähigkeiten einbindet, Sinn machen. Diese Strategie dürfte auch den Einsatz von Bodentruppen, mit entsprechendem VN-Mandat, nicht ausschließen, um zu einem Erfolg zu führen. Dies setzt aber ein genauso einheitlichen Umgang mit dem Regime in Damaskus voraus und, vor allem, einem tragfähigen Plan für die Zukunft Syriens und dies ohne Assad. Da mit beidem in näherer Zukunft nicht zu rechnen ist, bleibt der französische Beitrag außenpolitisches Blendwerk. Das bedeutet aber nicht, dass es Paris nicht ernst damit ist, denn die Dekolonisierungswelle in den ehemaligen französischen Kolonien, so lange sie auch her sein mag, hat das Selbstbild Frankreichs als Welt- und Ordnungsmacht nachhaltig erschüttert. Dies führt dazu das Paris gerne in ehemaligen Kolonien, im Falle von Syrien: ehemaliges Mandatsgebiet des Völkerbunds, interveniert. Die Geschichte vieler afrikanischer Staaten zeugt davon. Letztlich geht es wohl mehr darum sich selbst zu beweisen das man noch weltpolitisch von Belang ist und weniger um die Lösung konkreter Probleme. Das wäre auch eine Erklärung für das Timing der Franzosen. Sollten sich die Gerüchte, dass Russland ebenfalls in Syrien intervenieren will, als wahr erweisen, dann wäre ein weiterer internationaler Player auf den Plan getreten, der eine ähnliche sicherheits- und außenpolitische Strategie verfolgt wie Frankreich. Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist das Mächteverhältnis in der EU: wenn man schon ökonomisch nicht mit Deutschland mithalten kann, dann zumindest militärisch. Und da London scheinbar sein Bestes tut um die EU zu verlassen, bleibt nur noch Frankreich als militärisches Schwergewicht. Eine Rolle die Paris wohl gefallen könnte.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Marcel Bethan

Verwaltungs- und Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Sicherheitspolitik und Nordafrika/Naher Osten

Marcel Bethan

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