Bundesratsinitiative zur Mietpreisbremse

Es geht um was Deutsche Großstädte ächzen unter steigenden Mieten und die Mietpreisbremse wirkt nicht. Mit einer Bundesratsinitiative will der Berliner Senat das Gesetz verschärfen

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In Berlin sehen sich viele Bewohner durch steigende Mieten gezwungen, in die Außenbezirke zu ziehen
In Berlin sehen sich viele Bewohner durch steigende Mieten gezwungen, in die Außenbezirke zu ziehen

Foto: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Auf der Sitzung des Berliner Senats am Dienstag hat dieser eine Berliner Bundesratsinitiative zur Verschärfung der Mietpreisbremse beschlossen. Nach dieser Gesetzesinitiative sollen Vermieterinnen und Vermieter verpflichtet werden, bereits zu Mietbeginn von sich aus über die Miete des Vormieters zu informieren und nicht erst auf Verlangen der Mieterinnen und Mieter. Des Weiteren sollen die Mieterinnen und Mieter einen Rückforderungsanspruch wegen überzahlter Miete bereits ab dem Zeitpunkt des Mietbeginns haben.

In vielen deutschen Städten steigen die Mieten bei Neuvermietungen von Bestandswohnungen überdurchschnittlich stark an. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber im April 2015 das Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten (Mietrechtsnovellierungsgesetz - MietNovG) verkündet.

Das Gesetz gilt seit dem 01.06.2015 in ganz Deutschland. Über die Umsetzung der Mietpreisbremse entscheidet jedes Bundesland individuell. Berlin war die erste Stadt, in der die Mietpreisbremse eingeführt wurde. Sie gilt dort seit dem 01.06.2015. Zum Stichtag 31.12.2016 galt die Mietpreisbremse in 313 Gemeinden.

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Trotz Mietpreisbremse steigen und steigen die Mieten. In Berlin sind die Mieten in den vergangenen zwei Jahren ex­plo­si­ons­ar­tig gestiegen. Das geht aus dem aktuellen Berliner Mietspiegel 2017 hervor. Danach stieg die durchschnittliche Nettokaltmiete in Berlin von 5,84 € um 0,55 € auf 6,39 €. Dies entspricht einem Anstieg von 9,4 %. In dem Vorzeitraum waren es nur 2,7 %. Wohnungen mit einer Wohnfläche von weniger als 40 m² verteuerten sich um 11,3 %, Wohnungen mit einer Wohnfläche von 40 bis 59,99 m² um 8,5 %, Wohnungen mit einer Wohnfläche von 60 bis 89,99 m² um 9 % und Wohnungen mit einer Wohnfläche von 90 m² oder größer um 11,2 %.

Diese Zahlen aus Berlin zeigen exemplarisch das ganze Scheitern der Mietpreisbremse. In anderen Großstädten sieht es nicht anders aus.

Eine von der grünen Bundestagsfraktion beauftragte Studie „Finanzielle Lasten für Mieter durch Überschreitung der Mietpreisbremse" von miettest e.V. belegt die Wirkungslosigkeit der Mietpreisbremse: Mieter zahlen pro Jahr 310 Millionen Euro zu viel Miete. Das Gutachten beziffert die „Verletzungsquote" der Mietpreisbremse-Vorschriften mit bundesweit 44 Prozent. Das heißt, bei fast jedem zweiten Wohnungsangebot liegt ein Gesetzverstoß zugrunde.

Eine neue Empirica-Studie für Berlin, die erstmalig einen empirischen Paneldatensatz einschließlich der Vormieten verwendet, um die legale Miete zu ermitteln, und damit die Mietpreisbremse unter Berücksichtigung von Vormieten evaluiert hat, kommt zu dem Ergebnis, dass die Angebotsmieten in 81 % der untersuchten Fälle mehr als 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete laut Mietspiegel lagen. Bei Abzug der Fälle, in denen Vermieter wegen einer entsprechend hohen Vormiete legal eine höhere Miete fordern durften, waren es noch 62 % der Angebote, die potenziell gegen die Mietpreisbremse verstoßen. Bei Abzug aller Inserate, bei denen die Wohnungen als "renoviert" oder "saniert" angeboten wurden, verblieben noch 48 %. Bei diesen gab es keine Hinweise, dass die höhere Miete durch eine entsprechend höherwertige Ausstattung oder einen besseren Zustand gerechtfertigt war. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die tatsächliche Verletzungsquote der Mietpreisbremse daher zwischen 48 % als Untergrenze und 62 % als Obergrenze liege.

Inzwischen steht fest: Die Mietpreisbremse ist gescheitert. Sie funktioniert nicht. Sie ist vom Bundesgesetzgeber völlig unzureichend und misslungen gestaltet worden. Die Wiedervermietungsmieten steigen und steigen, ein Normalverdiener kann sich bald keine bezahlbare Wohnung mehr leisten und Rentner schon gar nicht. Das Wohnen zu bezahlbaren Mieten ist in vielen Städten bedroht. Die Mietpreisbremse bremst nicht. Die meisten Vermieter halten sich nicht an die gesetzlichen Vorschriften. Mieter sind mit den komplizierten und intransparenten gesetzlichen Regelungen überfordert.

Bezahlbarer Wohnraum in Deutschland wird knapp und die Menschen haben Angst, ihre Wohnung nicht mehr bezahlen zu können bzw. keine bezahlbare Wohnung zu finden. Das ist auch der Grund, warum die Anzahl der Wohnungswechsel stetig abnimmt. Wegen hoher Mieten ziehen immer weniger Mieterinnen und Mieter um. Exorbitante Mieterhöhungen werden meist nicht in laufenden Mietverhältnissen fällig, sondern fallen beim Wohnungswechsel an. Die Mieterinnen und Mieter bleiben in ihren bisherigen Wohnungen, um höhere Mieten zu vermeiden. So geht es nicht weiter.

Der Berliner Senat hat nunmehr reagiert und auf Vorlage der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher, und des Senators für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dr. Dirk Behrendt, am heutigen Tag beschlossen, den Gesetzentwurf zur Verbesserung des Mieterschutzes bei Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn beim Bundesrat einzubringen.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller erklärte zur Bundesratsinitiative Berlins zur sogenannten Mietpreisbremse: „Die Mietpreisbremse war ein wichtiger Schritt. Sie kann und muss jetzt in ihrer Wirksamkeit verbessert werden. Nachdem die CDU/CSU in der vergangenen Legislaturperiode nichts dafür getan hat, das Instrument der Mietpreisbremse zu stärken, hat Berlin die Initiative ergriffen, um die beiden Haupthürden für die Wirksamkeit der gegenwärtigen Regelung zu beseitigen. Vermieterinnen und Vermieter sollen verpflichtet werden, bereits zu Mietbeginn von sich aus über die Miete des Vormieters zu informieren und nicht erst auf Verlangen der Mieterinnen und Mieter. Des Weiteren sollen die Mieterinnen und Mieter einen Rückforderungsanspruch wegen überzahlter Miete bereits ab Zeitpunkt des Mietbeginns haben. Bisher gilt dies erst, wenn die Mieter die überzahlte Miete rügen. Da Vermieter und Vermieterinnen aber bisher von ihrem Recht mangels Kenntnis der Vormiete kaum Gebrauch machten, läuft die Rückforderungsverpflichtung der Vermieter oft ins Leere. Die Berliner Gesetzesinitiative will dieses sinnvolle Gesetz jetzt stärken. Der neue Bundestag sollte umgehend die Neuregelungen beschließen.“

Senator Dr. Behrendt: „Die bisherige Mietpreisbremse ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Mit unserer Bundesratsinitiative wollen wir sie verbessern. Die Informationspflicht der Vermieter ist gut für die Berliner Mieterinnen und Mieter.“

Senatorin Lompscher: „Viele Mieterinnen und Mieter scheuen sich bislang auch aus Angst um ihre Wohnung, ihr Recht aktiv einzufordern. Mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf nehmen wir deshalb ganz bewusst die Vermieterinnen und Vermieter in die Pflicht. Damit gehen wir einen ersten, wichtigen Schritt, um die Mietpreisbremse im Sinne der Mieterinnen und Mieter zu verbessern.“

Ziel der Berliner Gesetzinitiative ist es, die Wirksamkeit der Mietpreisbremse durch Einführung einer Informationspflicht der Vermieterinnen und Vermieter bei Mietbeginn sowie eines Rückforderungsanspruches bei zu viel gezahlter Miete seit Mietbeginn nachhaltig zu verbessern.

In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt, wie in ganz Berlin, darf aufgrund der Mietpreisbremse im Grundsatz die Miete bei Wiedervermietung einer Wohnung die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens zehn Prozent übersteigen. Nach gültiger Rechtslage ist der Vermieter jedoch erst auf Verlangen des Mieterhaushaltes verpflichtet, diesem mitzuteilen, aus welchen Gründen die Miete mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Bevor der Mieterhaushalt eine überhöhte Miete zurückverlangen kann, muss er den Verstoß gegen die Vorschriften offiziell rügen.

Die Berliner Bundesratsinitiative will dies nun ändern. Die Vermieterinnen und Vermieter sollen gleich zum Mietbeginn alle notwendigen Informationen an die Mieterhaushalte geben, damit diese die Einhaltung der Mietpreisbremse ohne weitere Nachfragen überprüfen können. Stellt der Mieterhaushalt fest, dass die Miete unzulässig hoch ist und rügt dies, soll er grundsätzlich die nicht geschuldete Miete seit Mietbeginn zurückerhalten. Vermieterinnen und Vermietern wird damit der Anreiz zu überhöhten Mieten genommen.

Damit die Berliner Initiative Gesetzeskraft erlangen kann, sind die Zustimmung des Bundesrates und der Beschluss durch den Deutschen Bundestag notwendig.

Es ist überdies beabsichtigt, weitere Verbesserungen des bundeseinheitlichen Mietrechts im Bundesrat zu initiieren. Auf dem Prüfstand stehen dann auch weitere Details zur Mietpreisbremse.

Der AMV - Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e.V., der bereits seit Längerem die Verschärfung der Mietpreisbremse fordert und hierzu am 02.06.2017 seine Online-Petition „Mietpreisbremse verschärfen“ (change.org/mietpreisbremse) startete, die inzwischen die 38.500er-Marke geknackt hat, begrüßt es ausdrücklich, das der Berliner Senat eine Bundesratsinitiative zur Verschärfung der Mietpreisbremse auf den Weg bringen will. Es ist richtig, die beiden Konstruktionsfehler der Mietpreisbremse, dass die Angabe der Vormiete für den Vermieter nicht gesetzlich verpflichtend ist und Mieter einen Verstoß gegen die Vorschriften der Mietpreisbremse erst rügen müssen und nur die Miete zurückbekommen, die nach Zugang der Rüge fällig wird, zu beseitigen. Allerdings besteht weitergehender Handlungsbedarf. Wenn die Mietpreisbremse wirken soll, müssen auch die zahlreichen Ausnahmen - Überhöhte Vormiete, Erstbezug, Bezug nach Modernisierung, Wohnräume zum vorübergehenden Gebrauch - abgeschafft werden. Nur bei einer Abschaffung der Ausnahmen kann es in Zukunft zu einer wirksamen Mietpreisbegrenzung kommen. Ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse muss zukünftig als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld sanktioniert werden, damit Vermieter sich an die Mietpreisbremse und damit an geltendes Recht halten. Sonst bleibt die Mietpreisbremse ein zahnloser Tiger. Nur Sanktionen wirken gegen überzogene Mieten. Nur eine abschreckende Mietpreisbremse motiviert zur Einhaltung und führt damit zu einem langsameren Mietenanstieg. Ohne Abschaffung der gesetzlichen Ausnahmen und ohne Einführung von Sanktionen ist die Berliner Bundesratsinitiative zur Verschärfung der Mietpreisbremse zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, mehr jedoch nicht. Sie muss in der vorliegenden Form als halbherzig bezeichnet werden. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Schritte folgen werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Marcel Eupen

Jurist bei AMV - Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e.V.

Marcel Eupen

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