Keine sichere Bank

Finanzinstitute Banken haben viel Vertrauen verloren und stehen anhaltend unter Veränderungs- und Kostendruck. Welche Rolle spielen die Kunden?

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Nebulöse Niedrigzinslage mit wenigen Lichtblicken: die Frankfurter Skyline
Nebulöse Niedrigzinslage mit wenigen Lichtblicken: die Frankfurter Skyline

Foto: Daniel Roland/AFP/Getty Images

Der Soziologe Dirk Baecker hat in einem Gespräch mit dem Österreichischen Rundfunk auf die "Unruhe des Geldes" in der Gesellschaft hingewiesen. Wer ganz bescheiden und klassisch mithilfe von Banken sein Geld spart, muss heute mit permanenter Unruhe rechnen. Die Unruhe, die aus der Instabilität seiner Vermögenswerte rührt, die Unruhe aufgrund der zunehmenden Fristen und der Beschleunigung des Finanzsystems, die alles Eigene fortwährend zu schmälern drohen. So stürzt der ganz normale Sparer aus "der Welt des finanziell abgesicherten Lebens in die Welt der Sorge", bilanziert Baecker.

Beunruhigte Banken

An Unruhe haben auch die Banken derzeit keinen Mangel. Mit der Einführung von Gebühren für die Barabhebung am Geldautomat machen sich die Sparkassen und Genossenschaftsbanken bei ihren Kunden nicht gerade beliebter. Das Problem besteht nicht darin, dass Banken Gebühren erheben, um einzelne Leistungen, die mit logistischen Aufwand einhergehen, kostendeckend anbieten zu können. Mindestens für eine angemessene Bezahlung von Sicherheits-, Wartungs- und Lieferpersonal sollte es das wert sein. Dass Infrastruktur ihren Preis hat, egal wo sie unterhalten wird, muss man nicht groß erklären. Dass man mancherorts aber nicht gerade behutsam vorgeht, zeigt jüngst der Fall der Sparkasse Mittelthüringen. Drei Euro werden dort fällig, will der Kunde mehr als 50 Münzen auf sein Konto einzahlen. Kann man das noch vermitteln?

Unangenehm stößt Kunden und Verbraucherschützern die nahezu versteckte Änderungstaktik der Gebührenerhebung auf, wie Klaus Müller vom Bundesverband der Verbraucherzentralen im Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte. Bankkunden, so die Forderung Müllers, sollten künftig bei der Änderung der Geschäftsbedingungen gefragt werden. Das ist eigentlich Usus, denkt man nur an die Erhöhung von Stromtarifen oder das teurere Brötchen beim Bäcker. Üblicherweise gehört es zu den Prinzipien einer freien Marktwirtschaft, dass der Kunde vor dem Kauf hinsichtlich seiner Zahlungsbereitschaft gefragt wird; damit er Gelegenheit hat, selbige zu unterlassen. Ausgerechnet Banken müssen für gesonderte Gebühren dieses Einverständnis ihrer Kunden bisher nicht einholen. – Ein Mangel, den man womöglich weniger den Banken, als dem Gesetzgeber in Rechnung zu stellen hat.

Steigende Kosten

Sicher, die Banken haben ein strukturelles Problem mit ihrer Organisation aufgrund steigender Kosten und begrenzter Profitmöglichkeiten. Seit der Finanzkrise 2008 ist in den Bankhäusern einiges in Gang gekommen. Die EU und ihre Nationen haben Maßnahmen zur Regulierung initiiert. Im Fokus stehen neben dem Eigenkapital der Häuser auch das Risiko von Finanzprodukten und die internen Kontrollstrukturen. Meist wird zwar einzig über das globale Bankensystem berichtet. Erhellend ist es jedoch, das Organisationssystem der Einzelbank genauer anzusehen. Regulatorische Anpassungen führen eingedenk der Niedrigzinslage zur Schmälerung der wirtschaftlichen Ergebnisse. Das Vermögen der Banken nimmt ab, die Kostenbelastungen nehmen zu. Die Digitalisierung der Dienste erschwert den Verdienst am Kunden.

Der Personalaufwand ist (noch) unter den Bedingungen einer ertragreicheren Vergangenheit gerechnet und so kommt es zum Abbau. Zugleich erfolgt die Neugliederung des Vertriebs. Filialen werden verkleinert, zusammengelegt, spezialisiert auf bestimmte Leistungen oder aber in SB-Betrieb gewandelt. Produktinnovationen, die aus den Fintech-Startups getrieben werden (digitale Anbieter für innovative Lösungen im Zahlungsverkehr), setzen dem Bankgeschäft zu und motivieren zu Investitionen in die Innovation der Bank. Die nötigen Reformen erfordern große Projekte, die über Jahre hinweg laufen und die Kapazitäten auslasten. Zu Beginn ist oft gar nicht klar, wie gut die Verknüpfung regulatorischer, ertragssichernder und innovatorischer Projekte möglich und steuerbar ist.

Teures Outsourcing

Problematisch erscheint Branchenkennern, dass über Jahre das Outsourcing von Wissen und Prozessen vorangetrieben wurde. Dabei sind Kompetenzen im Bereich der IT verloren gegangen – oder wurden nicht aufgestockt. Geblieben ist vielerorts ein stark belasteter Apparat, der vor diversen technischen Aufgaben steht. Bei aller Veränderung wird es besonders auf das Personal ankommen. Die Automatisierung von begrenzt komplexen Prozessen schreitet voran. Doch auch künftig werden „richtige“ Banken nicht auf eine beträchtliche Zahl qualifizierter Köpfe verzichten. Je mehr der direkte Kundenkontakt in webbasierte Leistungen überführt wird, desto mehr stellt sich die Frage, mit welchem Banker der Zukunft zu rechnen ist. Eines jedoch gilt für das Privatkundengeschäft aller Banken: Wie dessen Organisation weiterhin beschaffen sein wird, bestimmen nicht Stimmungslagen in Vorstandssitzungen, sondern die Kunden selbst. Das Nachfrageverhalten entscheidet über die Wege und deren Grenzen.

Und was macht künftig der gebührengeplagte unzufriedene Kunde? Kurzfristige Erregungen und Aufschreie helfen nicht weiter. Effektiv könnte ein massenweise einsetzender Dialog der Kunden mit ihren Banken sein. Eine konstant hohe Intensität einzelner Beschwerden werden die Institute nicht dauerhaft verkraften. Der persönliche Rückzug des klassischen "Präsenzkunden" hat die organisatorische Lage erst mit erzeugt, in der sich die Banken derzeit befinden. Die Filialschließungen fallen schließlich nicht vom Himmel. Wie so oft liegt also viel an der Konsumentenseite. Wem das zu umständlich ist, der kann mit dem erleichterten Kontowechselservice binnen weniger Geschäftstage den Transfer des Kontos durch seine "alte" Bank erledigen lassen. Der bürokratische Aufwand ist sehr überschaubar.

Allerdings gehören die Deutschen zu den wenig wechselwilligen Kontoinhabern. Ältere Kunden sind grundsätzlich bindungsfreudiger als jüngere. Sicher wissen das die Banken, und haben daher die Hoffnung, mit moderaten Gebührenforderungen ihre loyalen Dauerkunden doch nicht verlieren zu müssen. Laut einer aktuellen Umfrage der Direktbank INGDiba sind 43 Prozent der Befragten entschlossen, auf die Einführung von Gebühren mit dem Wechsel ihres Instituts zu reagieren. Wie viele das tatsächlich tun bleibt abzuwarten.

Marcel Schütz ist Organisationsforscher an der Universität Oldenburg und promoviert im Kolleg "Kulturen der Partizipation" über Reformprojekte in Bankhäusern.

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Geschrieben von

Marcel Schütz

forscht in Organisationen und experimentiert blogweise mit nicht uninteressanten Angelegenheiten mittlerer Reich- und Tragweite.

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