Ole von Beust ist gegangen – die schwarz-grüne Regierungskoalition in Hamburg aber bleibt bestehen. Am Mittwoch abend wählte die Hamburgische Bürgerschaft den bisherigen Hamburger Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) zum neuen Bürgermeister. Dabei erhielt der 40-jährige Heidelberger sogar zwei Stimmen über den Durst: Nicht nur die 68 Abgeordneten der schwarz-grünen Regierungsfraktionen votierten für Ahlhaus, auch zwei Vertreter der rot-roten Opposition machten ihr Kreuz hinter seinem Namen. Ein überraschender Triumph für den politischen Newcomer, der von den CDU-Abgeordneten frenetisch bejubelt und mit Zugabe-Rufen kommentiert wurde.
Dabei hatte es lange Zeit nicht nach einer so deutlichen Mehrheit ausgesehen. Nach dem Rücktritt von Ole von Beust am 18. Juli schlug Ahlhaus aus den Reihen des grünen Koalitionspartners viel Skepsis entgegen. Als Innensenator hatte der grobschlächtige Politiker den Hardliner im schwarz-grünen Kabinett geben müssen, in dessen Zuständigkeit es fiel, den konservativen Rand der CDU-Wählerschaft in die neue Koalition mitzunehmen. Als Law-and-Order-Politiker wurde Ahlhaus für die bürgerrechtsorientierte Grün-Alternative Liste (GAL) zum Bad Guy des Bündnisses, ein sorgsam aufgebautes Image, das Ahlhaus als Bürgermeister-Anwärter schließlich auf die Füße fiel. Beim Ringen um eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition hatte Christoph Ahlhaus nur ein Problem. Es hieß: Christoph Ahlhaus.
Fünf Wochen lang hatte Ahlhaus Zeit, viele grüne Klinken zu putzen, musste schließlich vergangene Woche – ein Novum in der bundesdeutschen Parteiengeschichte – eine Bewerbungsrede auf einer Mitgliederversammlung des Koalitionspartners halten. Dabei gelang es dem Politiker offensichtlich, den richtigen Tonfall zu finden und die richtigen Themen zu setzen. Er machte den Grünen klar, dass er viel liberaler sei, als die Rolle des Innensenators, die er bislang auszufüllen hatte, es erscheinen ließ, dass er ein Fan von Schwarz-Grün sei und nicht nur zu allen Punkten des Koalitionsvertrages stehe, sondern bestimmte grüne Herzensprojekte noch schneller auf die Bahn bringen werde, als bislang vorgesehen. Seine Wahl bewertete Ahlhaus als „Reifeprüfung für Schwarz-Grün“: Jetzt zeige sich, ob alles „an der Person Ole von Beust hängt, oder ob es ein stabiles Politikmodell ist.“
Die Kritiker innerhalb der GAL, die wie etwa die Grüne Jugend befürchteten, dass mit Ahlhaus der schwarz-grüne Zug in eine konservativere Richtung fahre, waren zwar bis zuletzt lautstark, zahlenmäßig aber in der eigenen Partei unterlegen. Nachdem vergangenen Sonntag auf einem grünen Parteitag rund 80 Prozent der Anwesenden sich für eine Koalition ausgesprochen hatten, war der Weg für Ahlhaus frei. Die Mehrheit der Hamburger Grünen wollte sich weder in der Opposition noch an der Seite der Sozialdemokraten in rot-grüner Umarmung sehen. „Mit der SPD würde die Umsetzung grüner Ideen nicht einfacher, sondern häufig sogar schwieriger werden“, lässt sich etwa der GAL-Fraktionschef Jens Kerstan zitieren. Bei den grünen Funktionären, ganz gleich ob Senatoren, Abgeordnete oder Hamburger Parteiführung, gilt die CDU auch nach zweieinhalb Jahren Koalition als verlässlicher und verbindlicher Partner, der mit der GAL auf Augenhöhe Politik mache und seine Zusagen konsequent einhalte. Das sei mit der Hamburger SPD, sagen alle Grünen, die sich noch an die rot-grüne Regierungszeit erinnern können, ganz anders gewesen.
Einen ersten Dämpfer hat Christoph Ahlhaus trotzdem bereits erhalten. Die drei neuen Senatoren, die er zur Auffrischung seines Kabinetts präsentierte, kamen nicht nur bei vielen Grünen schlecht an. Den bisherigen Hamburger Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck, der ebenfalls als Hardliner gilt und neuer Innenseantor werden soll, und den bereits 2009 in den Ruhestand geschickten Ex-Kulturstaatsrat Reinhard Stuth, der vom Behörden-Personalrat gehasst und von der Hamburger Kulturszene alles andere als geschätzt wird, jetzt aber als Kultursenator reaktiviert wird, hätten die Grünen vielleicht noch achselzuckend hingenommen. Dass mit dem Hamburger Multimillionär und Mäzen Ian Karan ein 71-jähriger Wirtschaftssenator wird, der in den vergangenen Tagen zugab, seine Biographie an mehreren Stellen frisiert zu haben, ist für viele Grüne schwer erträglich. Zudem musste Karan einräumen, einst den Rechtspopulisten Ronald Schill und unlängst die erfolgreiche Volksinitiative gegen die schwarz-grüne Schulreform, die das wichtigste schwarz-grüne Projekt in Hamburg zum Einsturz brachte, finanziell unterstützt zu haben. Während die oppositionelle Linkspartei die Ahlhaussche Männerriege ganz offiziell als „Gruselkabinett“ brandmarkt, lassen sich grüne Funktionäre nur hinter vorgehaltener Hand über „den erste Missgriff von Ahlhaus" aus. Die Quittung dafür erhielt Hamburgs Neu-Bürgermeister nur wenige Minuten nach Amtsantritt: Sein neuer Senat, über den am Mittwoch in der Bürgerschaft en bloc abgestimmt wurde, erhielt sechs Stimmen weniger als er selbst.
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