4 Jahre Dauerkatastrophe Fukushima

Atomenergie Die Katastrophe von Fukushima ist zwar aus den Augen verschwunden, jedoch bleibt sie alles andere als beendet

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Nach wie vor gehen die "Aufräumarbeiten" in Fukushima weiter
Nach wie vor gehen die "Aufräumarbeiten" in Fukushima weiter

Bild: Ken Ishii/Getty Images

Im März 2011 ereignete sich in Folge des Tōhoku-Erdbebens, bzw. des Tsunamis der tragische Atomunfall im Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi, bei dem vier von sechs Reaktorblöcke schwer beschädigt wurden. Doch die Katastrophe ist längst nicht beendet, nur weil wir nichts mehr davon hören. Sie passiert noch immer, jeden Tag. Noch immer wird am Atomstandort Radioaktivität freigesetzt: Es fließen 300 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer – pro Tag. Als einzelnes Ereignis wäre das eine Schlagzeile für die Haupt-Nachrichten. In Fukushima passiert dies nun seit vier Jahren jeden Tag. Natürlich ist es den Atomlobbyisten Recht, dass die Medien die Situation schnell aus den Augen verlieren, weil sonst deutlich werden würde, wie viel stärker und nachhaltiger solch ein Unfall Natur und Menschen belastet bzw. welche verheerenden Folgen diese Katastrophentechnologie hat.

Ungefähr 360.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren der Region Fukushima werden lebenslang regelmäßig auf Krebs untersucht. Beim ersten Screening wurde bereits bei 109 Kindern Schilddrüsenkrebs festgestellt. Statisch normal wäre bei der Zahl der untersuchten Kinder ca. ein Krebsfall gewesen. Das wahre Ausmaß der gesundheitlichen Folgen wird man aber erst in vielen Jahren sehen können, da die Latenzzeit zwischen der Bestrahlung und dem vermehrten Auftreten von Krebserkrankungen je nach Krebsart unterschiedlich lang ist und z.T. über zehn Jahre betragen kann. Aber auch diese schlimmen Folgen sind ja nur ein Teil der Auswirkungen, die nun, fern der Empörung, von den Menschen in Japan getragen werden müssen.

Kinder auf radioaktiv verstrahlten Spielplätzen?

Der Jahrestag von Fukushima macht nochmal bewusst, welche katastrophalen Folgen die Atomenergie für Menschen haben kann. Auch, wenn es keine für die Medien interessante „Neuigkeiten“ gibt, sollte man sich die Situation dort mal wieder vor Augen führen. Denn all das kann auch hier passieren. Wer möchte gerne aus seiner Heimat zwangsevakuiert werden und zwar dauerhaft? Wer möchte gerne seine Kinder auf Spielplätze schicken, auf denen die Höhe der radioaktiven Belastung des Sandes jeden Tag neu auf Infotafeln notiert wird? Oder auf Schulen, die zwar offiziell dekontaminiert wurden, die aber kurz danach wieder durch Wind und Regen mit radioaktiv kontaminierten Teilchen verseucht sind? Wer möchte in der ständigen Angst leben aufgrund der erhöhten Strahlenbelastung eines Tages an Krebs zu erkranken? Dieser belastende Zustand ist für hunderttausende von Japanern Alltag.

Atomkatastrophe in Europa ausgeschlossen?

Wir können froh sein, dass so etwas in Westeuropa noch nicht passiert ist. Zwar haben wir 29 Jahre nach Tschernobyl im Bundeshaushalt immer noch Titel für die Beseitigung von radioaktiven Wildschweinen z.B. in Bayern. Die große Katastrophe direkt hier bei uns ist aber zum Glück bisher ausgeblieben. Wer sagt aber, dass das so bleiben muss? Noch immer laufen in Europa mehr als 100 Atomreaktoren. Einige davon in Deutschland oder in unmittelbarer Grenznähe. Und diese AKW werden jeden Tag älter. Auch Atomreaktoren altern, es kommt zu Materialermüdungen. In Belgien wurden in den AKW Doel 3 und Tihange 2 aktuell mit neuen Messmethoden über 16.000 Risse in den Reaktordruckbehältern gefunden. Die Laufzeiten der schon seit vierzig Jahren im Betrieb befindlichen Uraltreaktoren Doel 1 und 2 sollen nach Willen der belgischen Regierung sogar nochmal jeweils um zehn Jahre verlängert werden, weil man Stromengpässe befürchtet. Belgien liegt sehr nah an Deutschland und meistens kommt der Wind aus dem Westen. Dass aufgrund mangelnder Zukunftsplanung der belgischen Energieversorger bzw. der belgischen Regierung jetzt die Sicherheit der Bevölkerung zurückstehen muss, ist absolut inakzeptabel. Müssen wir das wirklich einfach so hinnehmen?

Immer nur Zurückhaltung üben?

Unsichere Atomkraftwerke finden wir nicht nur in Belgien, sondern auch in anderen Nachbarländern. Fessenheim in Frankreich läuft seit fast 40 Jahren und hat immer wieder Probleme. Temelin in Tschechien ist schon lange umstritten. Und die ältesten AKW Europas stehen in der Schweiz. Um wirklich sicher zu sein, dass uns und unseren Kindern keine Atomkatastrophe droht, müssen alle Atomreaktoren endgültig abgeschaltet werden. Auch wenn wir Deutsche unseren Nachbarn nichts vorschreiben können, so können wir doch verhandeln und beim Aufbau beispielsweise von Erneuerbaren Energien helfen, um so deren Versorgungssicherheit zu erhöhen. Dies sollte unsere Sicherheit uns wert sein!

Neue Atomkraftwerke zu bauen, wie in Finnland und Frankreich und sogar Milliardensubventionen für AKW-Neubauten zu beschließen, wie in Großbritannien, ist komplett aberwitzig. Da muss sich die Bundesregierung klar gegen positionieren. Wenn die Menschen schon leider viel zu selten vorrausschauend handeln, so sollten sie doch wenigstens in der Lage sein, aus Fehlern zu lernen – ohne dass es auch in Westeuropa erst zu einer Katastrophe kommen muss! Wir sollten uns endlich offensiv dafür einsetzen, dass andere Länder folgen. Sich diplomatisch zurück zu halten, ist bei dem Thema unangebracht. Dafür werde ich mich in meiner Fraktion einsetzen und dies muss endlich auch die Union kapieren.

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