Einige kennen sicherlich das Experiment, zu dem es auch ein kurzes virtuelles Video gibt. In dem Spot sitzt ein Frosch in einem offenen Behälter mit warmem Wasser und es wird ein Schwall heißes Wasser zugeführt. Der Frosch springt erschrocken hinaus und rettet sich. Dann sieht man einen Frosch, der im gleichen Behälter mit lauwarmem Wasser sitzt, welches langsam erhitzt wird. Obwohl das Wasser immer heißer wird, springt der Frosch nicht hinaus und stirbt deshalb am Ende. Der Mensch denkt sich beim Schauen, wie dumm doch dieser Frosch ist. Warum wartet er denn so lange? Doch sind wir Menschen denn so viel schlauer? Funktionieren solche Mechanismen im übertragenen Sinne bei uns nicht ähnlich?
Greenpeace hat den Spot in Bezug auf die Klimakrise produziert und zumindest dort lässt sich das Verhalten des Frosches sehr gut übertragen. Wir springen auch nicht aus unserem Behälter. Wir könnten uns auch aus der Situation befreien, der Bedrohung entkommen, unser Verhalten ändern. Im Gegensatz zum Frosch wissen wir sogar in etwa was passieren wird und wir wären sogar in der Lage, die Situation zu verändern, zu beeinflussen. Dennoch bleiben wir im Behälter, verharren dort behäbig oder ignorant oder weil wir so vertieft sind mit all den Ablenkungen, die sich sonst in unserem Behälter abspielen.
Was hat dies mit Corona zu tun? Eindrücklich erfahren wir gerade unter einem Brennglas, wie wir Menschen ticken. Es kommt eine Pandemie über uns und wir sind sehr schnell bereit, zu handeln, unsere Freiheiten massiv einschränken zu lassen und sogar existentielle wirtschaftliche Einbußen hinzunehmen. Wir springen aus dem Behälter, bevor das Wasser heiß wird. Die Erregung ist schneller und massiver als der Erreger. Wir glauben und folgen all denen, die uns erklären, wie weit, wie schnell und wo wir hinspringen sollen – auch wenn die Aussagen sich widersprechen und auch nicht oder noch nicht eindeutig wissenschaftlich belegt sind. Wir attackieren heftig alle, die nicht springen wollen – ergreifen Maßnahmen gegen die Unwilligen. Wenn es um das Klima geht oder um andere Krisen, die nicht so schnell über uns hineinbrechen, passiert eher das Gegenteil, selbst wenn die Erkenntnisse viel manifestierter, die Maßnahmen viel ausgereifter sind. Es ist absurd, aber genau so haben wir uns wohl auch schon in der Urgeschichte verhalten: Auf unmittelbare Bedrohungen heftig zu reagieren und sich steigernde Bedrohungen dagegen nicht zu erfassen oder zu ignorieren. Fortgeschrittene Wissenschaft und jahrhundertlange Entwicklung sollten uns aber doch mehr beigebracht haben. Ist unsere Zivilisation nur ein dünner Firnis?
Bei Corona lesen wir den Virolog*innen jedes Wort von den Lippen ab und die Politik orientiert sich hilfesuchend an den wenigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Bei der Klimakrise können die Wissenschaftler*innen vorrechnen und zeigen was sie wollen, es verändert nur unsere Worte, unsere Ankündigungen, aber unsere Handlungen kaum. Erst Kinder und Jugendliche konnten zumindest kurzfristig erzwingen, dass das Thema öffentlicher wird, Medien berichten und Politiker*innen sich rechtfertigen mussten.
Um dies auch klar zu sagen, natürlich ist Corona eine ernstzunehmende Bedrohung und auch wenn die Faktenlage dünn ist und die Wissenschaft Zeit braucht, müssen wir sie berücksichtigen und stärken. Aber umso mehr gilt dies doch mindestens im gleichen Maße für die Klimakrise, das Artensterben, die Plünderung und Vermüllung unserer Lebensgrundlagen.
Können wir neben Instinkten und eingeprägten Reflexen nun auch sonst die Möglichkeiten des Gehirns, unseres Bewusstseins, unserer Erkenntnisse nutzen? Müssen wir nicht nur potentiell intelligenter, sondern auch praktisch schlauer als der Frosch sein? Es folgen Meldungen, dass Konzerne und Politiker*innen fordern, die Klimaschutzziele wegen der Coronafolgen auszusetzen. Es wird Meldungen geben, dass die vielen Hilfsgelder, die aufgewendet wurden, nun wieder reinzuholen sind, wir den Gürtel enger schnallen müssen. Treffen wird es dann wohl vor allem diejenigen, die sowieso am meisten ihren Kopf hingehalten haben. Die großen Konzerne, für die der Staat besonders viel Geld zur Verfügung stellt, werden dagegen schnell wieder mal hohe Dividenden und Boni an ihre Manager*innen ausschütten.
Lassen wir uns das gefallen? Lernen wir wieder nicht dazu oder können wir uns aus der Systemprägung doch befreien? Wir wissen doch wie es geht. Die anderen Krisen geben uns keine Atempause. Es ist höchste Zeit, viel schlauer zu sein als der Frosch.
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