Am 1. September hatte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla noch strahlend vor dem größten Wahlplakat Deutschlands posiert. Wo sonst Penélope Cruz für L'Oréal oder Vanessa Hessler für Alice die Blicke der Autofahrer auf sich zogen, wollten nun die Christdemokraten Vorbeifahrende und Passanten dazu verführen, ihr Kreuz am 27. September an der richtigen Stelle zu machen. Dafür hatten sie sich sogar Unterstützung mitgebracht. 1.800 Sympathisanten waren dem Aufruf ihrer Partei gefolgt und hatten sich bereit erklärt, auf dem Riesenposter mit ihrem Gesicht für die Union zu werben. Ihre Köpfe wurden landesgemäß schwarz-rot-gold eingefärbt, darüber der Slogan „Wir haben die Kraft“ gedruckt. In 28 Meter Höhe überspannt es zwischen den beiden Kandelabern des Charlottenburger Tors die Straße des 17. Juni. Pofalla fand dies sei „eine dolle Idee, die deutlich macht, dass wir einen modernen, zukunftsorientierten Wahlkampf führen“. Diese Idee hatte man sich einiges kosten lassen, angeblich eine sechsstellige Summe. Das Charlottenburger Plakat ist wahrscheinlich nicht nur das größte, sondern auch das teuerste des Wahlkampfs.
Gegen die eigene Partei
Doch schon nach zwei Tagen gab es Ärger. Ausgerechnet ein CDU-Mann, der Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf Klaus-Dieter Gröhler, gab den Spielverderber und wies darauf hin, dass politische oder religiöse Werbung an dieser Stelle nicht erlaubt sei. In einem Vertrag, den der Bezirk mit der Stiftung Denkmalschutz Berlin - der Eigentümerin der Kandelaber - über die Vermarktung der Flächen geschlossen hatte, war dies so fixiert worden. Der Taz erzählte Gröhler, seine sozialdemokratische Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen habe ihn auf das Plakat aufmerksam gemacht. Beide forderten, dass es schnellstmöglich verschwinden müsse, damit die Neutralität des Staates gewahrt bleibe. Die Stiftung Denkmalschutz machte das Werbeunternehmen Megaposter, an dass sie die Flächen verpachtet hat, für den Schaden verantwortlich. „Megaposter hat diese Auflagen übersehen. Die Stiftung hat Megaposter (…) diesbezüglich abgemahnt und (...) zum unverzüglichen Abbau der Werbeplanen aufgefordert.“, hieß es in einer Pressemitteilung. Doch schon bald stellte sich heraus, dass die politische-religiöse Limitierung der Werbung bereits 2007 ausgelaufen sei. Die Bezirkspolitiker aus Charlottenburg-Wilmersdorf beriefen sich dagegen auf eine Anweisung des Berliner Senats und hielten an ihrer Forderung fest. „Das Plakat hängt rechtmäßig“, behauptete dagegen CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Die Zeichen standen auf Streit.
Frieden durch Umgestaltung
Doch an einer weiteren medialen Eskalation, gar einem Rechtsstreit, hatte niemand ein Interesse, am allerwenigsten die CDU. Einvernehmlich einigten sich alle Beteiligten am 4. September darauf, „dass die Plakatwerbung überarbeitet und neutral gestaltet wird“. Konkret soll der Slogan und das Signum der Partei entfernt und stattdessen ein neutraler Wahlaufruf drauf gedruckt werden. Dies soll Ende der Woche geschehen. Finanziert die CDU aus ihren Kassen, also großzügig die Demokratie? Oder sogar die SPD? Schließlich weiß man doch, dass von einer hohen Wahlbeteiligung vor allem die Sozialdemokraten profitieren. Ganz so großzügig ist die Union, trotz ihrer Führung in den Umfragen, dann wohl doch nicht. Über die genauen Modalitäten wurde Stillschweigen vereinbart. Man kann aber davon ausgehen, dass Megaposter der Partei finanziell entgegengekommen ist.
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