Es ist einfach, dem Nachrichtengeschäft mangelnde Qualität vorzuwerfen. Wir sind unschuldig. Schließlich sind wir auf den seriösen Nachrichtenbetrieb angewiesen. Wir, wir, wir, wir, wir… Ist es vielleicht zu einfach? Machen wir es uns zu einfach?
Der technische Fortschritt sorgt stetig dafür, dass sich der Nachrichtenbetrieb verändert. Das hat zur Folge, dass der Journalismus insgesamt immer schneller geworden ist. Doch dies ist nicht nur Möglichkeit; es ist vielmehr auch Notwendigkeit geworden. Der Anstieg der verfügbaren Kanäle zur Nachrichtenübermittlung, die Geschwindigkeit mit der dies seit einigen Jahren nun möglich ist, die ständige Verfügbarkeit von Formaten für praktisch Jedermann und auch die pure Anzahl von Medien sorgen dafür, dass auch die Anzahl der Nachrichten explodiert ist.
Sicher, es passiert ständig etwas. Aber passiert ständig etwas? Dies klingt paradox. Ist es aber vielleicht gar nicht. Ein Beispiel: Sind reine Nachrichtensender zum Beispiel eine gute Sache? Sicher, auf den ersten Blick mögen sie auf eine konkrete Sache spezialisiert und somit professionalisiert sein – eben auf die Berichterstattung. Andererseits müssen sie natürlich auch permanent auf Sendung sein, ihr Produkt also – die Nachricht – unter die Leute bringen, um Quote zu machen. Ich wage zu behaupten, dass es niemals passieren wird, dass ein Sprecher seine Zettel auf den Tresen legt und sagt: ‚Sorry. Heute ist nichts Relevantes passiert. Deswegen kommt jetzt gleich das Wetter.‘ Das ist natürlich überspitzt dargestellt. Es zeigt aber auf, dass es strukturell notwendig ist, dass immer etwas passiert. Und wenn eben nichts passiert, passiert eben irgendetwas.
Es besteht dabei immer die Gefahr, dass zu wenig ausgesondert wird. Der Nachrichtenbetrieb besitzt aber auch eine Filterfunktion. Schließlich ist nicht alles auch unbedingt eine Nachricht wert. Nichtsdestotrotz sind natürlich reine Nachrichtensender eine feine Sache, wenn wirklich einmal etwas passiert. Nur sollte man als Bürger immer im Hinterkopf behalten, dass die Nachrichten nicht nur eine gesellschaftliche Funktion besitzen, sondern dass der Nachrichtenbetrieb auch ein Geschäft wie jedes andere ist. Das muss nicht zum Problem werden – aber es kann. Und es wird ganz sicher zum Problem, wenn die Notwendigkeit Nachrichten zu produzieren, statt über sie zu berichten, in den Fokus der journalistischen Betätigung rückt. Neben der fehlenden Qualität besteht auch noch die Gefahr des Übernehmens. Beiträge die mit dem Strom schwimmen haben es allgemein leichter: Sie werden weniger diskutiert, weniger angegriffen. Darunter kann jedoch die notwendige Objektivität leiden.
Jeder Journalist hat die Aufgabe, ein Thema von mehreren Seiten zu durchleuchten, also Argumente und Gegenargumente zu sammeln, zu sortieren, darzustellen und zu interpretieren. Tut er das nicht, ist der Beitrag vielleicht schneller produziert – er muss sich dann aber dem Vorwurf mangelnder Seriosität aussetzen. Dies geschieht selten, da viele Beiträge in der schieren Masse des täglichen Informationswahnsinns untergehen. Fehlende Objektivität ist aber gefährlich, da der Bürger auf eine umfassende Berichterstattung angewiesen ist und viele sich darauf auch einfach verlassen. Die Entscheidungen zwischen Objektivität, Qualität und Lautstärke ist immer eine Gratwanderung, die alle heutigen Journalisten beachten müssen. Doch dürfen wir als Gesellschaft deswegen alleine dem Medienbetrieb den schwarzen Peter zuschieben, wenn qualitative Mängel in der Berichterstattung auffallen?
Es macht es sehr schwierig, dass die Politik verpflichtet ist, sich aus der Organisation und Struktur der Medien kategorisch herauszuhalten. Die Politik kann und darf dem Informationsbetrieb nicht vorschreiben, was und wie berichtet werden soll. Das ist gut so. Daraus kann man folgern, dass die Medien also allein selbst dafür verantwortlich sind, ihre Qualität zu verbessern. Doch stimmt das wirklich? Wir alle tragen schließlich ebenfalls unseren Teil zum derzeitigen Zustand bei. Als Konsument saugen wir die Sensation, das Außergewöhnliche und vielleicht auch die journalistische Bestätigung unserer persönlichen Meinung gerne auf: Wir lesen und reden gerne darüber. Als Bürger jedoch sind wir auf eine genaue Berichterstattung, der Erklärung auch komplexer Sachverhalte sowie einer möglichst objektiven und allumfassenden Darstellung angewiesen, um uns über wichtige Gegebenheiten eine fundierte Meinung bilden zu können. Denn erst das macht uns entscheidungsfähig; erst das macht uns zu mündigen Bürgern, welche eine freie Zivilgesellschaft bilden können. Der leichte Weg des kurzfristigen Amusements oder auch Konsums von Meldungen ist nicht grundsätzlich Zeitverschwendung – deswegen ist auch die Sensationsmeldung nicht per se zu verteufeln. Hoch relevante Themen müssen jedoch adäquat dargestellt werden – gegebenenfalls auch komplex und langwierig. Dieses Angebot muss einem die Berichterstattung geben können – das darf man als Bürger erwarten und auch fordern. Wir sind aber auch selbst gefordert und stehen dabei im Spannungsfeld zwischen Sensation und Diskussion – zwischen dem entspannenden Konsum und der mühsamen, aber notwendigen Informationsgewinnung.
Die Frage ist weniger ‚Wollen wir das? ‘ als vielmehr ‚Wie gehen wir damit um, dass es so ist? ‘. Früher hatte der Journalismus mehr Zeit. Zeit zu suchen, Zeit zu fragen, Zeit zu verifizieren und abzuwägen. Heute ist nichts älter als die Nachricht von gestern. Kalter Kaffee. Uninteressant. Die Verantwortung dafür hat auch die Gesellschaft: Wir müssen begreifen, dass unsere Entscheidungen auch die Medien beeinflussen – und nicht nur umgekehrt.
Kommentare 55
Ich versteh das hiesige Permanenz-Gejammere um die (Mainstream) Medien eh nicht. Ich trau dem gedruckten oder gesendeten Wort nicht, seit ich 14 oder 15 Jahre alt war. Da begann ich meinen Kopf einzuschalten. Damals wusst ich schon, wie leicht es ist, jemanden aus der Feiertags-Belegschaft heraus zu retuschieren. Als wär der gar nie nicht dabei gewesen. Und damals gab es noch gar keine Photoshop. Das hätten die Propagandisten damals schon haben sollen, welch ein Bild von der Welt hätten sie uns zusammengemalt. Ich hätt's trotzdem nicht geglaubt. Weil du erfährst hier was und da was und vielleicht auch dort und dann ergibt sich was, was einer Wirklichkeit nahe kommen kann. Ich meine einerWirklichkeit, über die man mit Hand und Fuß und auch mit dem Kopf nachdenken kann, ohne sich zu viel zusammenzufaseln doer zusammezuphantasieren. Aber das braucht in der Regel etrwas Ze it. Die muss man sich auch im Zeitalter der "Echtzeit" nehmen.
Ich wage mal eine wirklich gewagte These: Der vielbeschworene "mündige Bürger" existiert nicht. Und er kann auch nicht mehr existieren, denn die Regelkreise der Verwaltung, der Politik, der Herrschaft und des Marktes so groß geworden sind, dass sie für niemanden mehr einsehbar sind. Daher hat der mündige Bürger auch nichts mehr zu entscheiden das von Belang ist. Wer weiß ob er das jemals hatte. Entscheiden kann der Bürger in der eigenen Kommune, in der Stadt, im Landkreis, wo er sich die Probleme persönlich ansehen kann, wo er sich ein Bild machen kann, wo er mit den Beteiligten persönlich ins Gespräch kommen kann. Dass im kommunalen Bereich leider die Figur des Oberbürgermeisters wenig demokratisch geformt ist und mehr etwas von Alleinherrscher mit mahnendem Repräsentantenrat (Stadtrat) hat, ist ein Kuriosum der deutschen Politik.
Wie dem auch sei, der Journalismus kann seiner eigentlichen Aufgabe gar nicht befriedigend nachkommen weil er dazu nahezu allwissend sein müsste. Jedes fehlende Puzzle in einer globalen Story kann das Vorzeichen der Story umdrehen. So behilft sich der Journalismus mit Tendenziösem, Halbgarem und Behaupteten. Denn die Welt ist nicht mehr zu (be)greifen. Sie ist zum gordischen Knoten geworden. Hugh.
Korrektur: Jedes fehlende Puzzlestück
Man nennt so etwas, glaube ich, auch 'Medienkompetenz'. Es ist aber richtig, eine bessere, professionellere, ethisch integre Berichterstattung zu verlangen.
Und da wird Herrn Hennemanns letzter Absatz interessant - es mag durchaus sein, dass für eine Mehrheit der potenziellen Mediennutzer die Nachricht von gestern kalter Kaffee ist.
Aber es gibt mindestens eine starke Minderheit, die sich für mehr als das interessiert. Und kleinere Zeitungen machen daraus nicht das, was sie daraus machen könnten. Sie lassen viele Themen, die durchaus "heiß" wären, ebenso durchrutschen wie die "großen" Teile der Presse.
Und da wird es dann auffällig. Nicht im Sinne einer zentral gelenkten Verschwörung, sondern in dem Sinne, dass man die Leute, mit denen man sich regelmäßig zum Essen, zum Informationsaustausch oder zum Abschließen von Werbeanzeigen trifft, denn doch nicht zu nachhaltig verärgern möchte.
Darüber, wie es besser gehen könnte, kann man sich ruhig Gedanken machen.
Ihre Sicht finde ich zu idealistisch, Herr Hennemann. Vielleicht zwei Links, die in diesem Kontext passen könnten:
http://www.doppelpod.com/lang/de/2011/05/18/wie-frei-ist-die-deutsche-presse-wirklich/
http://www.perlentaucher.de/buch/uwe-krueger/meinungsmacht.html
Formal mögen die Medien "politikfern" sein. Aber Wege zur elitenfreundlichen Synchronisierung finden sich allemal.
Ernstchen: kein Journalist muss alles wissen. Aber die einigen sind mehr, die anderen weniger mutig.
Es gibt "Freischreiber", die ziemlich mutig sind, und feige Zeitungen, die das Geschriebene nicht annehmen wollen.
Niemand muss die Ukraine-Krise verstehen (können). Aber wo Sie gerade die Kommunalpolitik erwähnt haben... :-))
Was meinen Sie wohl, was so ein Lokalreporter alles weiß - und nie im Leben veröffentlichen wird.
Ich geb dir recht in allem, JR. Mir ging es nicht darum die Journalisten bzw. Medien zu entschuldigen, sondern um die Unüberschaubarkeit von Allem. Ich ziehe eher das Konstrukt "Information" im allgemeinen in Zweifel. Mit der "Wahrheit" habe ich sowieso schon abgeschlossen. ;))
Ohne den Versuch zur Information kommen wir nicht aus, und ohne den Versuch zur Wahrheit auch nicht.
Ist eine Frage des Anspruchs, möchte ich meinen. Sich vor allem selbst auf eine wahrhaftige Haltung zu verpflichten ist mir nicht verdächtig. Zu behaupten, man habe eine Wahrheit, hingegen schon.
Vaclav Havel ist seine Art Wahrhaftigkeit anscheinend sehr weitgehend gelungen. Selbst in China, wo die KP ein chinesisch-oppositonelles "Nachfolgemodell" der tschechischen "Charta 77" mit jeder Menge Verhaftungen und Verurteilungen bekämpfte, waren die Nachrufe auf Havel knapp, vorsichtig, aber ungewöhnlich respektvoll.
Manche Bilder zu den Nachrufen glichen Ikonen. Ich war sehr überrascht.
Ach da kommen einem ja die Tränen. Nein, diese Allgemeinplätze wird Ihnen jeder unterschreiben können, gar keine Frage.
Interessant wird das Thema doch erst, wenn es darum geht, wie sich "Leitmedien" für Propaganda verfügbar machen, interessant wird es, wenn es um Eigentum an Medien geht, wenn es um redaktionelle Freiheit geht, man erinnert sich dunkel an "embedded journalists", an Propagandalügen, die von Presse unhinterfragt an die Öffentlichkeit weitergeleitet wurden usw. usf.
Geschickt eigentlich daß Ihr Text solche Themen ignoriert. Da gibt man sich keine Blößen.
Ja, da hast Du recht JR. Ich gehe an dieses Thema (und an viele andere ebenfalls) sogar bewusst sehr idealistisch heran. Ich finde es manchmal notwendig und auch sinnvoll, auf eigentliche Werte und das Grundsätzliche hinzuweisen. Dagegen kann man argumentieren, dass dies zu naiv und zu realitätsfern sei. Vielleicht ist es das sogar. Aber die Beschäftigung mit ganz einfachen Werten und Normen kann auch den Blick auf das Wesentliche schärfen und den Fokus auf die Frage zurück bringen, was man eigentlich will oder wollen sollte. Ich hoffe, ich habe mich nicht zu verschwurbelt gerade ausgedrückt. Jedenfalls wollte ich an dieser Stelle nur sagen, dass ich das absichtlich so gemacht habe und mir Deine Argumente dabei auch durch den Kopf gegangen sind.
Ich denke nicht, dass alle Medien ausschließlich profitorientiert sind. In vielen Redaktionen sitzen durchaus Menschen, die ihren Auftrag in der seriösen Berichterstattung sehen. Nur gibt es eben auch die Notwendigkeit, profitorientiert zu sein. Und diese zwei Seiten können eben zu Konflikten führen und durchaus auch (!) zu schlechtem Journalismus oder einseitiger Berichterstattung. Das ist aber meiner persönlichen Meinung nach nicht die Regel. Und auch nicht unausweichlich oder unveränderbar. Ich sehe eben auch den Leser/Zuschauer/usw. selbst in der Verantwortung.
Das sehe ich anders. Die Welt ist hochkomplex. Aber wenn man möchte, kann man auch hinter den Vorhang schauen. Vielleicht wird nur diese Möglichkeit nicht oft genug genutzt? Und ich finde auch nicht, dass der Journalismus allwissend sein muss. Journalisten sind Menschen wie jeder andere auch. Menschen mit Meinungen und Einstellungen. Ich finde es vollkommen legitim, wenn diese auch in Berichten sichtbar ist. Das geht auch gar nicht anders denke ich. Aber auch da sehe ich den Leser/Zuschauer in der Verantwortung. Man mag vielleicht Wahrheit suchen wenn man Artikel liest und Reportagen anschaut. Wahrheit ist jedoch meiner Meinung nach das Feld der Wissenschaft und nicht des Journalismus. Journalisten sollten (meistens... kommt auf die Form des Beitrags an...) objektiv wie möglich sein. Jedem Konsumenten solle aber klar sein, dass es absolute Objektivität nicht geben kann. Deswegen sollte man Medien auch zur eigenen Entscheidungsfindung nutzen - sich also informieren und dann selbst abwägen - und nicht als Blaupause für die eigene Meinung benutzen.
Wie kommst'n drauf, dass ich denke, alle Medien seien und auch noch ausschließlich profitorientiert. So denk ich bestimmt nicht. Ich glaub, ich hab schon einen Riecher dafür, wer mir da schreibt, oder wer zu mir spricht. (Fernsehen tu ich nimmer, seit 1988 schon nicht mehr, ich guck höchstens mal rein, wenn der Glubb, gewonnen hat, und du weißt, wie selten das ist.) Und gerade im ö.r. Radio und im ÖR erlebe ich immer noch gute Journalistinnen und Journalisten, das ich mit dem eigentlich zufrieden bin. Und in echt, ich find (fast) in jeder Zeitung, die ich lese, mindestens einen Beitrag, den ich mit Gewinn lese. Also ich finde es immer noch nicht ganz so schlimm, wie es sich manche Leute hier machen.
Ich meine doch nicht dass Journalisten alles wissen müssen. Ich meine dass "jedes fehlende Puzzle in einer globalen Story [...] das Vorzeichen der Story umdrehen [kann]". Und dass das die Informationsvermittlung sehr fehler- und manipulationsanfällig macht. Das Thema Objektivität ist ein gaaaaaanz ein schwieriges.
Ah! Du hast Recht. Ich habe Deinen Kommentar falsch verstanden. Entschuldige bitte. Vergiss meinen Kommentar.
Da sagste was. Sehe ich ähnlich.
Es macht es sehr schwierig, dass die Politik verpflichtet ist, sich aus der Organisation und Struktur der Medien kategorisch herauszuhalten. Die Politik kann und darf dem Informationsbetrieb nicht vorschreiben, was und wie berichtet werden soll. Das ist gut so. Daraus kann man folgern, dass die Medien also allein selbst dafür verantwortlich sind, ihre Qualität zu verbessern. Doch stimmt das wirklich?
Nee, die Politik hält sich nicht raus aus der Organisation und Struktur der Medien. Warum wohl hat Konrad Adenauer vor Jahr und Tag die Gründung des ZDF so vorangetrieben oder ein Helmut Kohl und auch ein Edmund Stoiber den Leo Kirch so gefördert? Um Einfluss zu sichern. Nie so vordergründig, dass man das sieht. Es läuft teilweise verdeckt und es gibt ein permanentes "Geben und Nehmen" zwischen Politik und Medien. Gerade im Moment wird das ja ganz deutlich mit der so einseitigen Ukraine-Berichterstattung. Erst jetzt durch das Internet wird das viel deutlicher und auch die merkwürdige Einheitlichkeit der Medien, von Nuancen abgesehen. Na, ich sehe, ich wiederhole mich, andere Kommentatoren haben das schon ähnlich angemerkt.
Noch gefährlicher finde ich - und das ist auch kein neues Problem - dass mächtige Medien vor allem selbst Politik machen wollen. Die Springerschen Querschüsse - vor vielen Jahren - gegen Brandts Ostpolitik, die Attacken gegen diesen unglücklich agierenden Christian Wulff dieser Tage. Die immer wieder auftretenden merkwürdigen Kampagnen in bestimmte politische Richtungen. Die Medien haben weniger Kontrollfunktion, sondern gerieren sich als "Vierte Macht". Dass es einzelne Journalisten gibt, die immer mal wieder "wider den Stachel löcken", ändert nichts daran.
Es verwundert mich nicht, wenn Politiker natürlich die Medien zu ihrem Vorteil nutzen möchten und möglichst viel Einfluss ausüben wollen. Jedoch gibt es Mechanismen, die immer wieder dafür sorgen, dass diese Versuche öffentlich gemacht werden. Die Pressefreiheit gilt zurecht als unantastbar und schon einige Politiker haben sich die Finger verbrannt, wenn sie daran Modifizierungen vornehmen wollten.
Ich sage nicht, dass das alles perfekt läuft und alles super funktioniert. Ich bin aber selbst tief davon überzeugt, dass wir eben kein Staatsfernsehen haben, dass den Mächtigen nur nach dem Mund redet. Natürlich fechten Politik und Journalismus permanent Konflikte miteinander aus - wäre komisch, wenn das nicht so wäre.
Jetzt kann man sicher diverse Gegenbeispiele finden (mir fällt gerade spontan die Guardian-Geschichte aus dem letzten Jahr ein). Aber so lange Angriffe auf freie Medien noch Aufschreie in der Öffentlichkeit auslösen, mache ich mir persönlich keine Sorgen über eine vollzogene Aushöhlung der Pressefreiheit.
"Ich bin aber selbst tief davon überzeugt, dass wir eben kein Staatsfernsehen haben, dass den Mächtigen nur nach dem Mund redet."
Diese Redewendung kommt mir ziemlich bekannt vor. Habe ich schon oft gehört von Politikern, die, wenn sie faktenfrei etwas behaupten, mit der Floskel beginnen: "Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass...". Allerdings wird daraus kein Argument. Die Creme der Journalisten ist mit der Politik verbandelt. Und natürlich auch umgekehrt: Die Creme der Politik arbeitet mit den Journalisten Schulter an Schulter. Haben doch beide Seiten etwas davon. Meinst du etwa im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der von Rundfunkräten, die überwiegend aus der Politik kommen, kontrolliert wird, werden Journalisten, die sich distanziert mit dem Politikbetrieb auseinandersetzen, in den Fahrstuhl der Berufskarriere gesetzt? Ich erinnere an das Beispiel Lanz, der zusammen mit einem Stern-Oberen die Vizevorsitzende der Linken in die Zange nehmen wollte.
Aus dem Klappentext des Buches "Die Tagesshow":
"Wenn sich das Land um 20 Uhr vor den Fernseher setzt, dann zelebriert die Mediengesellschaft ihre Kommunion. Niemand schaut die "Tagesschau", um die Welt zu begreifen. Man kann sagen: Die Sendung verwandelt die Realität in eine Art endlose Lindenstraße. Die "Tagesschau" (genau wie andere Nachrichtensendungen) versteht sich jedoch nicht als Fiktion, sondern als informative Dienstleistung. Diesen Mythos nimmt Walter van Rossum auseinander. Er kontrastiert eine Reportage aus der "Tagesschau"-Redaktion in Hamburg mit der minutiösen Analyse einer einzigen 20-Uhr-Ausgabe der "Tagesschau": Welche Ereignisse werden wie und in welcher Reihenfolge und in welcher Länge dargestellt? Und wieso um Himmels willen bleibt die Welt trotz aller guten Absichten der Macher auch nach 15 Minuten unbegreiflich? Was hat das zu tun mit den Riten des medialen Apparates, den Hierarchien, täglichen Konferenzen der Chefredakteure etc.? Und was wird in der "Tagesschau" nicht berichtet? Welche realen Ereignisse werden zu "Nachrichten" - und was geschieht dabei mit den Ereignissen?"
"Allerdings wird daraus kein Argument."
Stimmt. Meine Argumente findest Du im Text und im Kommentar. Nicht in diesem Satz.
Und wie ich bereits schrieb, ist nicht alles supi oder perfekt. Aber Staatsmedien sehen für mich persönlich anders aus. Ich denke, dass Zeitzeugen unserer zwei deutschen Diktaturen das wahrscheinlich ähnlich sehen würden. Da kann ich aber nur vermuten.
Es geht nicht um Pressefreiheit im Sinne, Verbote etwas zu schreiben. Es geht um systematische Beeinflussung. Dass über 90% der Medien transatlantischen Konzernen gehören, dass diese Geschäftsführer, Chef-Redaktionen mit kooperierenden Leuten besetzen, dass nur Berichte gekauft, gedruckt werden, die in den Mainstream passen, dass die Top-Journalisten nur hofiert werden, wenn sie Mainstream schreiben, dass man nur Karriere machen kann, wenn man auf der gewünschten Linie liegt, dass freie Journalisten bspw. Russland- oder Ost-Ukraine-erklärende Artikel gar nicht verkauft bekommen ... ich bin unterwegs, sonst hätte ich noch klagende Stimmen parat - und gerade hier könnte man wie der FREITAG in der letzten Ausgabe auch ausserhalb der Tagesaktualität wertvolle Verständnisarbeit leisten. Der Boykott aufklärender Artikel über die Menschen der Ost-Ukraine war systemisch betrieben und gewollt. Mit theoretischer Pressefreiheit ist diese Auslassung nicht zu erklären, sondern nur mit dem politischen Willen des Mainstreams, Gewalt aus Kiew gegen diesen Protest nicht mit zu viel Mitgefühl zu belasten.
Anbei:
I
"[...]Es gibt kaum einen Journalisten in Deutschland, der nicht jederzeit die Krise der Medien beklagt. Aber es gab und gibt keine Krise der Medien, es gab und gibt nur eine Krise des Journalismus. Nicht das Internet bedroht den Beruf, auch nicht der Renditehunger der Verlage, sondern die Journalisten selbst sind es, die zunehmend jegliche Seriosität im Umgang mit politisch oder gesellschaftlich relevanten Themen verweigern. Einigen ausgezeichneten, profund und kritisch berichtenden Zeitungen steht die immer größer werdende Masse der Blätter gegenüber, die den Husten eines Fernsehquizmasters zum Tagesthema machen und den Beitrag über eine Talkshow für politische Berichterstattung halten.[...]"
=> Berliner Zeitung vom 19. Oktober 2012 "Eine Frage der Haltung" von Christian Bommarius
II
MfG-mcmac
Ich nehm' mal ein Politikfeld: Sport. Wird darüber kritisch berichtet? Ich kenne nur affirmative Sendungen, die auf der Ebene der emotionalen Beschreibung der ausführenden Sportler senden. Öffentlich-rechtliche Sportreporter sind embedded. Analysierende Sendungen des Sportbetriebs gibt es so gut wie nicht. Manchmal im Deutschlandfunk. Aber im Fernsehen - nix!
"Der Boykott aufklärender Artikel über die Menschen der Ost-Ukraine war systemisch betrieben und gewollt."
Und wer wollte das? Wer hat das betrieben? Welche Akteure muss ich mir unter "Mainstream" vorstellen? Ich sage es noch einmal: Ich gehe konform mit einigen Argumenten. Sicher ist in unserem Gesellschaftssystem derjenige mit Kapital in den meisten Bereichen im Vorteil. Man kann auch sagen, dass er mächtiger ist. Aber eine Grundlinie, ich meine damit also eine Art einen Interessenverbund, der die von Dir angesprochenen Sachen organisieren könnte, den sehe ich leider nicht.
Dieses Video hat letzte Woche schon Georg von Grote gepostet. Ich finde das ziemlich gut.
Ich finde generell, dass Sport zu viel positive Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Aber anscheinend gibt es da ein Bedürfnis, oder?
Der oben bereits verlinkte Arikel von Bommarius aus der Berliner Zeitung ist auch nicht schlecht...
"[...]Als das Bundesverfassungsgericht im Sommer 1966 sein berühmtes „Spiegel-Urteil“ verkündete, lehnte es nicht nur – mit vier zu vier Richterstimmen – die Verfassungsbeschwerde Augsteins gegen die Polizeiaktion in seinen Redaktionsbüros ab, zugleich bescheinigte es der Presse eine entscheidende Funktion in der Demokratie: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. … In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung.“
Schon damals haben nur wenige Journalisten begriffen, dass die so beschriebene Pressefreiheit nicht nur das Recht ist, über Politik zu berichten, sie zu moderieren und hier und dort mit einem Leitartikel zu bedenken. Sie ist die Verpflichtung zur Kontrolle. Die aber setzt Kenntnis, Unabhängigkeit und die Bereitschaft zur Kritik voraus.[...]"
MfG-mcmac
Ich sehe keine Verschwörung, einzelner speziell handelnder Personen, sondern ein System aus Eigentum- und Kundenmacht, Interessen, Belohnungs-, Anreiz- bzw Sanktions-Folgen.
Gut, okay. Das kann ich nachvollziehen. Ich habe da gerade einmal drüber nachgedacht und muss sagen, dass ich das eher als eine Vielzahl von Einzelphänomenen sehen würde, die vielleicht in ähnlichen Ergebnissen münden. Aber das System - also so etwas wie etwas institutionalisiertes oder auch nur organisuertes - das kanonisch nicht erkennen irgendwie.
Blödes Telefon!!! Nicht kanonisch!!! Das sollte eigentlich: 'Das kann ich so nicht erkennen' heißen...
Huch, ich bin sehr unaufmerksam heute und habe Deinen Kommentar doch glatt übergangen. Sorry dafür - das war keine Absicht.
Ja, solche Phänomene gibt es vielleicht. Und was ist Deine Schlußfolgerung daraus?
Zum gleichwirkenden System wird es fast nie durch Absprache, durch besonders gewollte Eingriffe, sondern durch Automatismen.
Ein transatlantischer Medien-Konzern wie Bertelsmann gehört (zu) Random House. Die machen schon mehrheitlich ihr Geschäft in den USA.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/thumb/e/e0/Verlagsgruppe-Random-House-Logo.svg/508px-Verlagsgruppe-Random-House-Logo.svg.png
Zusätzlich/Folglich sind sie in vielen Transatlantischen Organisationen aktiv und halten/hielten sich ihre Lobbyisten etwa in Brüssel - wo ja über 30.000 davon aktiv sind.
Elmar Brok ist dabei wohl einer bekanntesten Pitt-Bulls, den sie für 200Tsd EUR/Jahr zusätzlich als ihren Lobbyisten in Brüssel oder auf dem Maidan auf Jagd gehen, zahlreiche Vorstandposten in transatlantischen Organisationen besetzen lassen ..
Das Eigentum bestimmt die Inhalte, genauso wie das Interesse der ebenfalls transatlantischen Anzeigenkunden ...
wiki/Propagandamodell
zusätzlich ist auch wirksam, was du im Artikel beschreibst, die wenigsten können es sich überhaupt noch leisten zu recherchieren ... die Konzerne, ehemals Gegenstand von Recherche werden über ihre PR-Agenturen, -Abteilungen zum Lieferanten von Informationen.
Es entsteht wie bei Chodorkoskij oder zur Ukraine der Gleichklang der Medien, ganz ohne Verschwörungszentrale ..
Schlußfolgerung? Erst einmal daß es sehr schwierig ist, die Verhältnisse angemessen zu beurteilen. Dazu kommt die Erfahrung, daß man häufig über den Tisch gezogen wurde und daß Kriege inszeniert wurden, wo man mit Diplomatie viel Elend vermieden hätte.
Ich will niemanden verteidigen, aber die Art und Weise, wie in den westlichen Medien Präsidenten anderer Nation (Irak, Libyen, Syrien, Rußland) systematisch persönlich verteufelt werden, weckt meinen Argwohn. Das hat mit Politik nichts zu tun. Geht gar nicht.
Das machen sie alle. Glotze reiht sich nahtlos ein. Jeder, der halbwegs selber nachdenkt, sieht doch, daß bestimmte Interessen durchgesetzt werden sollen und die Person lediglich öffentlichkeitswirksam als Haßobjekt inszeniert wird. Sowas ekelt mich einfach an. Und wer seine Karten nicht auf den Tisch legen mag, wenn es angesagt ist, dem kann man nicht trauen. So einfach sind die Dinge manchmal.
Da kann ich Dir zustimmen. So denke ich auch und ich finde Deine Beispiele auch sehr passend. Aber ich finde, dass wir als Gesellschaft das Zepter noch nicht völlig aus der Hand gegeben haben und noch Möglichkeiten bestehen, diese Entwicklung an unsere Bedürfnisse anzupassen: Sei es durch Kartellrecht oder auch durch Selbstverpflichtungen der Unternehmen. Keine Ahnung, was man da genau machen kann - bin da nicht so der Spezialist. Es würde auf jeden Fall etwas verändern, wenn sich der Einzelne sein Konsumverhalten einmal anschauen würde. Das ist ja auch sozusagen meine Kernaussage.
Ich weiß ja nicht, ob Kriege „inszeniert“ worden sind – bzw. ob man das so sagen/schreiben sollte… Kriege führt man ja meistens, wenn man irgendetwas will: Land, Ressourcen, Macht in einem bestimmten Teil der Welt… Auch mal der Gerechtigkeit und Menschlichkeit wegen glaube ich (aber da darfst Du mich dann dafür naiv oder idealistisch nennen). Und ich finde, dass besonders die EU eigentlich ein gutes Beispiel ist, wie man seine Interessen mit Demokratie durchsetzen kann. Damit mache ich aber vielleicht ein zu großes neues Fass auf.
Deine Präsidentenbeispiele sind schwierig. Das sind alles politische Systeme, die in meiner persönlichen Wahrnehmung vom gesellschaftlichen Fortschritt hinter dem unseren stehen. Ich weiß, dass es Argumente für die Art von Politik gibt, wie sie in den angesprochenen Ländern gemacht wird. Meine sind das aber nicht. Ich habe es nicht so mit undemokratischen Prinzipien wie „Religion“, „Imperialismus“ oder „Machterhalt egal was komme“. Deswegen interessieren mich auch diese Staaten nicht so besonders. Ich bin noch nie besonders bewandert in der täglichen Außenpolitik gewesen. Aber man muss ja nicht alles wissen.
„Das machen sie alle. Glotze reiht sich nahtlos ein. Jeder, der halbwegs selber nachdenkt, sieht doch, daß bestimmte Interessen durchgesetzt werden sollen und die Person lediglich öffentlichkeitswirksam als Haßobjekt inszeniert wird. Sowas ekelt mich einfach an. Und wer seine Karten nicht auf den Tisch legen mag, wenn es angesagt ist, dem kann man nicht trauen. So einfach sind die Dinge manchmal.“
Oh! Das kann ich ohne Einwand so unterschreiben. Naja, fast. Ich denke halt nicht, dass hinter dem, was Du als „öffentlichkeitswirksam als Haßobjekt inszenieren“ beschreibst, eine großangelegte Kampagne steht. Ich denke eher, dass da dem Volk nach dem Mund geredet werden soll – bzw eher wird. Artikel müssen eben auch schnell fertig sein. Und wenn man eine allgemeine Grundhaltung bedient, ist man schneller wieder auf dem Sofa, als wenn man differenziert die Widersprüche eines Themas aufzeigt.
der EU-Satz: nicht Demokratie, sondern Diplomatie
Habt Ihr auch manchmal das Gefühl, dass sich Worte oder Buchstaben beim Posten verändern?!? Liegt das an der Rechtschreibprüfung oder schreibe ich wirklich so falsch? Seltsam, seltsam...
Das Problem: (fast) jeder Fall, in dem ein Journalist eine gute Story in die Schublade wandern sieht, ist ein "Einzelfall". (Fast) jeder Fall, in dem (arbeitsvertraglich oft ohnehin prekär beschäftigte) Journalisten gehen müssen, ist ein Einzelfall.
Ohne dass ich besonders enge Beziehungen "zur Presse" hätte, fiel mir 2008 ein deutsch-chinesischer Konflikt in dieser Hinsicht auf - beim Auslandssender Deutsche Welle.
Wie die Politik allerdings die Forderung nach "Pro-Demokratie" einiger Dissidenten und eines "Autorenkreises" »umsetzte, war ein Fallbeispiel dafür was passiert, wenn Politik und Journalismus aufeinanderstoßen - und sich ineinander verhakeln.
Was sie täglich tun. Es müsste nicht so sein; unsere Verfassung ließe auch anderes zu - sie gebietet sogar anderes -, aber dafür müsste es erst einmal die eine oder andere Sau interessieren.
Ich sehe das Problem auch, dass es differenzierte Berichte oder Reportagen schwer haben. Dies kann viele Gründe haben: vielleicht durch eine etwaige Gegnerschaft zur vorherrschenden Meinung; durch eine zu hohe Spezialisierung auf ein Nischenthema, welches gerade nicht populär ist; durch die bereits angesprochene Zeitnot; durch die Konkurrenz; durch zu große Nähe zur Politik usw. usf.
Viele dieser Probleme entstehen durch unser Wirtschaftssystem. Aber eben auch durch Desinteresse der Menschen. Das schreibst Du ja auch. Und da ich nicht sehe, dass sich das Wirtschaftssystem in absehbarer Zeit ändern wird...
Das ist der Knackpunkt, Herr Hennemann: sind die Gründe wirklich so zahlreich? Ich bin sicher, hätte - zum Beispiel - der "Freitag" die DW-Story aufgenommen und professionelle Redakteure darauf angesetzt, wäre es viel spannender geworden.
Hier besteht aber ein anderes Problem, und das bekam der von mir weiter oben verlinkte Uwe Krüger - seinen eigenen Worten nach - von einem Mann der "Welt" gesagt: er finde es nicht gut, wenn Journalisten Journalisten interviewten.
Da kämen wir nämlich in den Bereich der prekär beschäftigten Pressemitarbeiter, aber auch in den Bereich der politischen Einflussnahme. Und in vielen Einzelfällen würde dann ein Muster erkennbar.
Ich glaube, Berlino sprach das schon an: nicht zuletzt hinsichtlich der Eigentumsstrukturen.
Dass privatwirtschaftliche Presse Fragen nach arbeitsrechtlichen Usancen bei den öffentich-rechtlichen Organisationen stellt, die ihrerseits privatwirtschaftliche Gewohnheiten übernommen haben, wäre offenbar zuviel verlangt - und kann nicht überraschen.
Von den Mitarbeitern, die bei der DW "flogen", war keiner unbefristet angestellt. Darum war es so leicht, sie loszuwerden.
Und zum Beispiel darum ist Konformismus in den Medien auch kein Zufall.
Nur als Hinweise - das kann man nicht alles in einer Stunde nachlesen. Aber da sie sich für die Medienlandschaft ja offensichtlich interessieren, ist vielleicht auch das für Sie von längerfristigem Interesse.
Ich danke Dir erst einmal. Ich werde mich da mal einlesen.
Das mit dem Kapitalismus ist immer so eine Sache. Man ist da immer schnell dabei, dem anderen ein falsches Bewusstsein zu attestieren. Aber das ist irgendwie unfair, wenn man an anderer Stelle die Gleichberechtigung von Meinungen vertritt. Ich bin auch der Meinung, dass der Kapitalismus Bedürfnisse erschafft, die man guten Gewissens nach falsche Bedürfnisse nennen kann. Ich verstehe auch nicht die Vorteile von einhundert Anbietern gleicher (oder zumindestens sehr ähnlicher Produkte). Da wird dann immer auf eine angebliche Auswahlmöglichkeit und bessere Entscheidungschancen hingewiesen, die ich aber so nicht erkennen kann. Mehr Eindruck macht auf mich der Hinweis darauf, dass Konkurrenz dem (technischen) Fortschritt dient. Allerdings vernichten Innovationen, die heute meistens bei normalen Alltagsgegenständen nur leichte Innovationen darstellen (toll, ein neues Handy, das macht die Seite im Browser 0,5 Sekunden schneller auf...) Tonnen an Ressourcen. Nicht zu vergessen die Ausbeutung, die Ignoranz, die Beschäftigung der Bevölkerung mit unwichtigen Dingen (panem et circensis), und und und...
Aber das sind alles Sachen, die seit Jahren/Jahrzehnten/Jahrhunderten bekannt sind. Und trotzdem machen (fast) alle da gerne mit. Ich kann mir das absolut nicht erklären.
Aber jetzt bin ich voll abgeschweift (abgeschwiffen? egal...).
Ist - zumindest auf diesen Threads - eine alte Diskussion. Für mich eine Art Dauerspannung zwischen dem Anspruch, dass jeder Bürger in der Lage sei, sich auf ihn angewandte manipulative Techniken (von einem gesellschaftlichen Versprechen*) bis hin zur Demotivation durch Entmutigung) bewusst zu werden einerseits, und den doch recht großen »Toolkits der "Eliten" andererseits.
Von meinem heutigen Kenntnisstand aus schätze ich mal ganz vorsichtig, dass weder der von Ihnen (bewusst) idealistisch gewählte Standpunkt noch die finstere Welt unterm Aluhut so etwas wie ein Gesamtbild hergeben. ;-)
Das so als meine Zwischenbilanz.
_________________________
*) Mit Versprechen meine ich zum Beispiel den amerikanischen Traum, den chinesischen Traum, einer durchaus noch mehrheitsfähigen deutschen Selbstzufriedenheit (uns geht's ja noch gold), usw..
Ja, aber ein Gesamtbild abzugeben ist auch vielleicht unmöglich. Das ist wie die Suche nach der Weltformel, die alles erklären kann.
Ich denke, dass man am besten damit fährt, wenn man sich bei jedem Problem (egal welcher Größe) sich einmal die Positionen aus so vielen Winkeln wie möglich ansieht. Mir sterben zwar fast die Finger dabei ab, wenn ich das tippe, aber *seufz* : auch für den Kapitalismus gibt es gute bis *aua* sehr gute Gründe.
Wenn man Sachen immer nur von seinem linken Standpunkt betrachtet (wie ich das auch manchmal mache, vor allem im Alltag, oder bei Diskussionen mit meinen auch linken Kumpels) dann ist die Gefahr hoch, das man immer nur die gleichen Meinungen, Ansichten (und Lösungen!) reproduziert als noch selbst nachzudenken. Es bildet sich dann so eine Art Konsensmeinung heraus.
Man muss sich doch nur die russische Presse- und Fernsehlandschaft ansehen, da bekommt man einen ganz guten Eindruck davon, was "Leitmedien" tatsächlich sind.
Das soll jetzt nicht etwa relativieren, sondern die falsche Behauptung, unsere Medien seien insgesamt als Leitmedien einzuordnen, entkräften.
Dass es auch bei uns in Politik, Wirtschaft und Journalismus bis in ganz gewöhnliche Beziehungen hinein Lobbyisten gibt, ist eine Binse, zwar ein ärgerliches, aber kein totalitäres Manko.
Eben. Wenn gewisse strukturelle Faktoren dafür sorgen, dass der Journalismus konformistischer, sensationsgeiler oder unkritischer wird dann kann man das ruhig sagen. Aber das sind keine Anzeichen für 'Systemmedien'. Das sind dann eben die Ergebnisse von strukturellen Mängeln - die in der Masse natürlich problematisch sind - keine Frage.
Es soll ja Medien geben, die, so zumindest wird gemunkelt, in ihrer Beilage nach Kritikern suchen, die bereit sind, das Blatt zu kritisieren :-)
Wobei mir diese Begriffe irgendwie missverständlich sind, denn dass in einem demokratischen System auch die Medien diesem System entsprechen, also strukturell demokratisch sind, dürfte doch niemanden wundern. So definiert also allgemein Systemmedien sind.
Deshalb wählte ich Leitmedien, die eine leitende beeinflussende Richtung verfolgen, welche ihnen vom (totalitären, nicht demokratischen) System vorgegeben wurde.
Aber das ist meine persönliche Definition.
is' nich' wahr! Macht das Springer auch? Bei denen läuft das bestimmt vorher mit Bewerbung. Und da komm ich dann wieder nicht am Gatekeeper vorbei. Ach Mist.
Toll. Jetzt bin ich deprimiert.
Hmm. Vielleicht würde ich sagen dass... hmm... Nee, anders.
Ich finde nicht, dass Medien unbedingt demokratisch sein müssen. Also die Organisation ist ja meistens nicht besonders demokratisch. Das baut ja mehr oder weniger auch auf klaren Hierarchien auf (bei dem einen Blatt mehr, bei dem anderen Blatt weniger...). Ich denke eher, dass sie im demokratischen Geist handeln sollten. Aber... Hmm.... Irgendwie stecke ich gerade im Geschwurbel fest.
das habe ich wohl unklar ausgedückt, gemeint ist nicht die Struktur der Verlage, sondern die Struktur der veröffentlichten Meinung "auf dem Boden des Grundgesetzes", wie es so abgehoben heißt......
Wir geben tagtäglich Gesamtbilder ab oder modellieren welche - mal mehr, mal weniger wissenschaftlich, Herr Hennemann. Und ich finde, von der deutschen Medienlandschaft lässt sich durchaus ein Gesamtbild zeichnen.
Selbstverständlich kommt dabei immer vieles zu kurz, entspricht falschen Voreinstellungen, etc..
Aber zum Beispiel Christian Y. Schmidt hat da vor einigen Jahren einen beachtlichen Versuch unternommen.
http://www.doppelpod.com/lang/de/2011/05/18/wie-frei-ist-die-deutsche-presse-wirklich/
Und wer sagt, es ergebe sich da kein Gesamtbild, der möge es gut begründen. (Wenn er mich überzeugen möchte.)
Ah okay! Jetzt versteh' ich Dich!
Whow! Der Link passt ja total gut. Der ist aber so lang. Da brauche ich ein wenig für.
Wenn ich den Artikel vorher gekannt hätte, hätte ich meinen Beitrag nicht geschrieben. Dieser Vortrag ist ziemlich genial wie ich finde. Kann da gerade keinerlei Kritikpunkte entdecken.
Ein Gesamtbild zu entwerfen finde ich allerdings insofern schwierig, da sich die unterschiedlichen Faktoren (er nennt ja auch positives) immer wieder neu mischen: das ist ja ein ständiger dynamischer Prozess.
Ich sehe es aber auch so, dass die von ihm angesprochenen Phänomene ein echtes Problem für die formal freie Pressefreiheit darstellen und wir das auch alle erkennen können. Nur bin ich mir sicher, wie und wo man da politisch ansetzen könnte. Als Linker sage ich persönlich natürlich: Kein Problem, ist ja easy - Systemwechsel. Aber als Linker, der sich auch mit den Gefahren eines solchen auseinandergesetzt hat, bin ich immer erst auf der Suche nach einem reformistischen Weg. Und ich bin so ziemlich mit meinem eigenen Latein am Ende, wenn es darum geht, den Einfluss von privatwirtschaftlich geführten Unternehmen auf die öffentliche Meinung demokratisch legitimiertbegrenzen zu können.
Mein Tablet hat ein "nicht" verschluckt. Der Satz muss lauten:
Nur bin ich mir NICHTsicher, wie und wo man ansetzen...usw
Kein Problem, ist ja easy - Systemwechsel. ber als Linker, der sich auch mit den Gefahren eines solchen auseinandergesetzt hat, bin ich immer erst auf der Suche nach einem reformistischen Weg.
Ich denke, da sind wir uns einig. Was die Anhänger einer Revolution gerne übersehen ist, dass sie auch selbst klüger bzw. urteilsfähiger werden müssen. Tatsächlich fehlt es vielen an der Kompetenz, andere Zeitgenossen auch nur zivil anzusprechen. Und auch eine frisch auf den Kopf gestellte Pyramide wird ganz schnell wieder nach oben hin schmal.
;-)
Aber klüger werden heißt eben auch das, was man einmal als mangelhaft erkennt - und auch wenn die eigene Erkenntnis relativ ist, muss ich mich mit ihrer Hilfe orientieren - entsprechend benennt, ohne falsch verstandene Rücksicht auf frühere Ansichten oder Bundesgenossen.
Ich meine, das bringt alle Menschen guten Willens weiter - und "überlässt" Themen wie z. B. die Pressefreiheit nicht der Rechten.
Uns Normalverbrauchern steht bei unseren Urteilen nicht viel zur Verfügung außer Beobachtung, Erfahrung und die Fähigkeit zur Plausibilitätsprüfung. Wer der aktuellen "Herrschaft" nicht vertraut tut gut daran, auch der zukünftigen zu misstrauen.
Bleibt in der Tat nur die schrittweise, aber kontinuierliche Verbesserung.
„Und auch eine frisch auf den Kopf gestellte Pyramide wird ganz schnell wieder nach oben hin schmal.“
Der Satz gefällt mir sehr. Und es stimmt. Die zwei großen mehr oder weniger durchgezogenen und mit etwas Erfolg beschiedenen Revolutionen waren die Französische und die Russische Revolution. Beide haben schließlich schreckliche Dinge hervorgebracht und ich denke, dass diese schrecklichen Dinge der Revolution immanent sind. Meiner Meinung nach liegt das vor allem an dem Faktor, ohne den man Revolutionen nicht durchziehen kann: am Pöbel, der sie trägt. Er ist leicht zu begeistern und großen Versprechungen gegenüber sehr zugeneigt.
Nur lässt sich der Mob schlecht lenken und ist schließlich eher spontan als vernunftorientiert. Und er ist immer undemokratisch, da andere Meinungen nicht zählen. Wenn man keinen Pöbel hat sind Revolutionen uninteressant. Denn dann lassen sich Veränderungen in einem demokratischen vernünftigen Prozess durchsetzen. Wenn man so etwas wie einen halben Pöbel hat, ist das glaube ich so wie jetzt gerade (Ich hoffe, keiner fühlt sich jetzt diffamiert. Ich brauche diesen Begriff nun mal gerade für meine Erklärung.) Nur leider ist unser Pöbel in der heutigen Zeit auch teilweise ziemlich reaktionär und somit weder für Revolution noch für Reformation groß zu gebrauchen.
„Bleibt in der Tat nur die schrittweise, aber kontinuierliche Verbesserung.“
Das denke ich auch. Das ist vernünftig. Und auch, wenn ich kein Fan von Hegel‘ Weltgeist oder von Marx‘ Ablauf der Geschichte im historischem Materialismus bin, so bin ich doch idealistisch genug, dass ich denke, dass sich letzten Endes die Vernunft durchsetzen wird und es in kleinen Stücken auch der gesellschaftliche Fortschritt schafft Land zu gewinnen. Vielleicht mit Rückschlägen. Nichts ist perfekt. :)