Geschrieben von Roberto J. De Lapuente
Rainer Langhans zuckelt derzeit durch den Dschungel. Vormals war er schon bei anderen fadenscheinigen Sendekonzepten zu sehen. Wo wären andere "linke Koryphäen" heute, lebten sie noch? Was wäre heute ihre mediale Funktion, wo würden sie auftreten, was würden sie sagen und welchen Aktionen würden sie beiwohnen?
Heute: Ulrike Meinhof
Dschungelcamp und perfektes Dinner wären nichts für sie; sie säße heute bei Will oder in politischen Talkshows der dritten Programme (Münchner Runde etc.), um zur sozialen Frage zu dozieren. Dort würde sie ihren Sermon entweder als Journalistin der taz oder des Stern loswerden. Die heute 76-jährige erzählte oft über ihre Verirrungen von damals, ihre Haftzeit und die Schwierigkeiten, die sie in der Zeit unmittelbar nach ihrer Haftentlassung, Mitte der Neunzigerjahre, hatte. Sie böte der deutschen Öffentlichkeit die geläuterte Grande Dame einer gewaltbereiten Generation.
Ihre journalistische Klasse habe ihr geholfen, nach und nach wieder ins Metier zurückzukehren, würde sie sich selbst beurteilen; nachdem sie sich vehement für eine Reform des Sozialstaates und staatliche Entschuldung ausgesprochen hatte, sicherte sie sich erste Meriten. Während der Kanzlerschaft Schröders stellte sie sich provokativ auf Seite der Sozialdemokratie; früher habe sie, so würde sie sich äußern, gerne auf die SPD geschimpft, die ja die Menschen verraten habe, aber mittlerweile erkenne sie und jeder halbwegs denkfähige Mensch, dass diese Partei die letzte Rettung des Sozialstaatsgedankens sei. Die Agenda 2010 schrübe sie bei der taz oder dem Stern zum großen Wurf der Regierung um; "Und natürlich darf Leistung gekürzt werden!", lautete der Titel eines Artikels, der gleichermaßen Reminiszenz auf einen alten Text ihrerseits, als auch ein brennendes Pamphlet auf die notwendige Sanktionierung arbeitsunwilliger Erwerbsloser, wäre.
Neben den politischen Talkshows würde sie einige Angebote, abendlich in einer Spielshow bei Pilawa aufzutreten abgelehnt haben, bis sie eines Tages, mag es Altersmilde oder Marketingstrategie sein, doch zusagte. Dort lümmelte neben ihr Frank Schirrmacher. Beide gäben das "Team Journalisten" in einer kruden Sendung, in der es um spartenspezifische Intelligenz ginge. Schirrmacher wäre indes für Peter Hahne eingesprungen, der kurz zuvor abgesagt hätte - nicht weil er Meinhof an seiner Seite nicht dulden mochte, nein, nur eine ordinäre Erkältung hätte ihn dazu veranlasst. Springer wiederum würde Ulrike Meinhof zwar nicht lieben, sie aber respektvoll dulden und sie gelegentlich sogar zur Gewinnerin des Tages machen, wenn sie beim politischen TV-Talk vehement für Hartz IV und für den Krieg in Afghanistan stritte - letzteren würde sie natürlich nur verteidigen, um unterdrückte Frauen vom Joch muslimischer Männer zu befreien. Alice Schwarzer würde um gelegentliche Gastartikel buhlen, die Meinhof auch zur Bereicherung der Emma bereitstellen würde.
Sie schüttelte außerdem Sarrazin bei einem Interviewtermin die Hand und würde hernach schreiben, dass sie und er Streiter für Frauenrechte seien, die es ja leider nur im Westen gäbe, weswegen der Kampf der fortschrittlichen Himmelsrichtung gegen den rückständigen (Mittleren) Osten eindeutig richtig sei; "Wir sagen, der Typ im Turban ist ein Schwein, kein Mensch. Und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden", wäre eine letzte Anspielung auf einen älteren Text, den sie scheinbar immer wieder hervorkramen würde, wenn es drastisch klingen soll - Horst Mahler, alter Freund aus vergangenen Tagen, gratulierte ihr zu einem mutigen Buch, das sie inspiriert von Sarrazins Machwerk auf den Markt würfe. Deswegen zierte sie manchen Aufmacher mancher Zeitung - sie gälte als die mutige Frau, die endlich sage, was alle immer schon dachten. Auch damals, so würde Meinhof bei Beckmann einsichtig sagen, als sie noch bei der RAF war, da ging es indirekt nicht gegen den Staat, sondern gegen die Überfremdung in diesem Staat; sie habe es damals nur noch nicht definieren können, es war eine dumpfe, unkonkrete Angst in ihr. Aber mittlerweile erkenne sie, warum sie damals diesem irrationalen Impuls folgte, ihre journalistische Karriere zu beenden, um in den Untergrund zu gehen: sie wollte in keinem Staat leben müssen, in dem sie sich fremd fühlte - und ein solcher Staat, der bahnte sich bereits damals an, würde sie abschließen. BILD schrübe tagsdrauf etwas von der Selbstlosigkeit der Meinhof und neuer Deutung der RAF...
Demnächst ein weiterer, als links geltender Toter, dessen Glück es ist, nicht mehr zu existieren...
Kommentare 78
Böse und unfair, dieses Nachtreten übers Grab hinaus. Bei Ulrike Meinhof verstehe ichs schon garnicht. Die ist kaputt gegangen an den Konflikten und Widersprüchen in ihrem Leben, in der RAF, im Gefängnis.
Mein ganzes Bild von Herrn Lapuente kommt ins Wanken.
Auch nur ein Mainstream-Nachbeter, auch nur einer, der undifferenziert alles in einen Topf wirft. Alice Schwarzer und die Meinhof und überhaupt. ...Danke, davon bitte nichts mehr.
Sehe ich genauso, und gewiss bringt ein Herr Lapuente mein Bild von der Meinhof nicht ins Wanken. Von ihm habe ich dagegen keins, wer ist das überhaupt?
Ach nein, danke, von jemandem, der in einem Artikel zweimal "schübe" statt "schriebe" schrub, bitte nichts mehr!
"Konkret" Oranier, konkret!
verschroben - und drauf gespuckt
info am rande: Aktuelle Stunde: Auf Wunsch von CDU/CSU und FDP berät der Bundestag am Donnerstag ab 13.50 Uhr in einer Aktuellen Stunde über das Thema "Forderungen der Vorsitzenden der Partei Die Linke, Dr. Gesine Lötzsch, Wege zum Kommunismus auszuprobieren - Opfer nicht verhöhnen". Und das kommt von den Parteien, von deren die eine, nämlich die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung das bisherige Regime in Tunesien hofiert und noch vor Wochen als ausgezeichneten Partner bezeichnet hat: www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57986
Und die wollen uns Demokratie lehren ...
Als Satire, für die sich der Text erkennbar ausgibt, untauglich. Ist zu einer reinen Spekulation geraten, in der ein geiler Name zum schieren MacGuffin für den im einschlägigen Stil offensichtlich unbeleckten Autor verkommt.
Blogs via Copy Paste werden mir immer suspekter, zumal der Autor hier auch einen eigenen Account hat. Soll er und nicht durch eine Blume sprechen.
@jayne,
wie immer, Relativieren hilft auch hier nicht weiter..........
Wunderbare Satire, was auch dadurch bewiesen wird,dass (nach Tucholsky) halb Doitschland auf dem Sofa sitzt und übel nimmt.
"Konkret" Oranier, konkret!
- Was soll mir das sagen? Das ist mir zu unkonkret.
Am Besten setzt man einem Zaunpfahl eine Langhaarperücke auf und sagt dann: "Seht her, das ist ein klassischer Linker, nämlich seit 1968, wie man an der Haartracht sieht". Dann gibt es viel zu schwadronieren.
Über Leute die nicht mehr da sind zu phantasieren ist sicher ein hübsches Spielchen. Wenn man gerade nichts zu tun hat.
Wobei die Version "Ulrike Meinhof als Joseph Fischer der RAF" ja nicht sehr phantasievoll ist.
Lieber Oranier, Ulrike war Chefredakteurin von Konkret, vergessen? Die wichtigste Stimme der Linken in den 60ern......
Ach jayne,
dass das Geld, Aktien, Regierungen, Komödianten, Zeitungsschreiber besitzende Bürgertum beim bloßen Wort "Kommunismus" in Panik gerät und in Hysterie verfällt: wen sollte es noch verwundern?
Geht nicht schon seit geraumer Zeit ein Gespenst in Europa um?
Zwischen Langhans und Meinhof lagen schon 1968 Welten.
Ich sehe das viel unverkrampfter: vor dem Kommunismus in der "bekannten" Form hat wohl niemand mehr Angst, der ist schließlich mausetot.
Anders sieht es aus mit der Bewegung, die die originäre Bedeutung des K-Wortes verfolgt.
Verehrter hadie, Sie haben das "Geisterfahrersyndrom" und machen einen Denkfehler. Die paar kritischen Stimmen hier in der FC für "halb Deutschland" zu nehmen...guter Gott. Wir sind hier die paar, die gegen den Strom der Begeisterung schwimmen.
Mehr als halb Deutschland, alle die mit den 68ern abrechnen wollen, werden dem flachen Text von Lapuente begeistert Beifall zollen. Der liegt voll im Trend. Tucholsky würde sich auch nicht mit solcher Leichenfledderei befassen.
@ goedzak - genau, aber das interessiert "ad sinistram" nicht, über den ich völlig platt bin.
@ ForenBoy
"Lieber Oranier, Ulrike war Chefredakteurin von Konkret, vergessen? Die wichtigste Stimme der Linken in den 60ern......"
Nein, nicht vergessen, im Gegenteil, ich sah und sehe bloß den Bezug zu meiner Bemerkung nicht.
Ich denke, du meinst etwas anderes als du schreibst. Dein Text bedeutet, Ulrike sei die "wichtigste Stimme der Linken in den 60ern" gewesen, was trotz ihrer Bekanntheit und der Beliebtheit ihrer Kolumnen-Beiträge stark übertrieben wäre.
Meintest du jedoch die "Konkret", hättest du korrekt schreiben müssen:
"Ulrike war Chefredakteurin von Konkret...DER wichtigsten Stimme der Linken ...".
Jedoch ist auch das fragwürdig, auch wenn das Urteil in deinen Video-Beiträgen erscheint. Immerhin gab es auch theoretisch profundere, vom Schreiber dieser Zeilen und anderen als wichtigere Stimmen rezipierte Zeitschriften, wie z.B. "Das Argument", "Kursbuch" und die "Blätter für deutsche und internationale Politik", die von dem Theologen Karl Barth „eine Insel der Vernunft in einem Meer von Unsinn“ genannt wurden und vom CSU-Zentralorgan Bayernkurier als „Zentralorgan der APO“.
Die "Blätter" gibt es noch heute und können Leuten als geistiger Strohhalm dienen, die, wie ebenfalls der Schreiber dieser Zeilen, jedenfalls nach dem Urteil einer bestimmten FC-"Publizistin", keine eigenen Gedanken haben, aber unfähig sind, sie auszudrücken.
Nein. ich beginne nicht mit einem persönlichen Anwurf. Es geht in der Satire auch nicht um "die 68-er", sondern um eine gewisse Sorte von Journalisten, die unbedingt bei jedem Herdentrieb vorne mit dabei sein müssen. Und es ging mir nicht um "halb Deutschland", sondern um "halb Doitschland". Denken Sie mal darüber nach! Über die "Leichenfledderei" bin ich erhaben, Sie hätten in solch einem Fall sofort wieder die Löschung des Beitrags beantragt. Auch wenn sie ihn nicht sehen können, an der anderen Seite des Kabels sitzt ein Mensch!
@oranier, mache Dir nichts draus, auch wenn Du schon mal nicht richtig hin guckst: ich habe "Konkret" richtig geschrieben und habe erwartet, dass Di mein Wortspiel
"Konkret" oranier, konkret richtig verstehen würdest, wie sonst immer (meistens).
"Auch wenn sie ihn nicht sehen können, an der anderen Seite des Kabels sitzt ein Mensch!"
Wer würde das bestreiten. Aber Menschen sind verschieden, die einen nehmen ewig einen Blogeintrag übel, andere finden eine Satire nicht gelungen.
Es geht dabei auch um die Gewichtung von Inhalten im Schweine-Journalismus, die Meinhoff war dies, die Becker jenes, Langhans wieder etwas anderes, weiß der Fücks!
Hartz IV und Rohstoffkriege sind gegenwärtig!
Vielleicht erschließt sich dem einen oder anderen der Beitrag von Roberto etwas mehr, wenn er auch die Kommentatoren auf dem Blog dazu liest:
. ad-sinistram.blogspot.com/2011/01/das-gluck-mancher-linker.html
@ ForenBoy
mach' dir nichts draus, auch wenn du schon mal nicht richtig hinguckst! Ich habe nicht deine Rechtschreibung, sondern deine Grammatik als irreführend kritisiert. Einfach nochmal in Ruhe lesen!
@ Margareth Gorges
Danke, wir sind hier ein bisschen schwer von Begriff und bedürfen neben deiner Fremdbeiträge noch deiner flankierenden Lesehilfen zum Verständnis eines so schwierigen und komplexen Textes.
Wie wäre es, das Paradigma stattdessen einmal bescheiden umzukehren und die kritischen Überlegungen hier genauer zu erwägen? Vielleicht erschließt sich dir dann der Beitrag von Roberto etwas mehr.
Ich habe mir die Kommentare auch angeguckt. Das Problem ist, dass Lapuente hier einfach zu ungenau rangeht. Man kann nicht erschließen, ob das eine Fantasie von Mainstream-Journalisten - wie es hadie oben meint- ist, die sich die "Verwertbarkeit" von Ulrike Meinhof näher angucken oder eine Fantasie über Ulrike Meinhof selbst in der Gegenwart .
Das ist einfach handwerklich nicht eindeutig und damit auch unproduktive Missverständnisse erzeugend. Davon abgesehen: Die Meinhof ist sowieso schon eine Person, auf der viel abgeladen wird und zwar von allen Seiten. Da zucke ich automatisch zurück. S. oben.
"Wie wäre es, das Paradigma stattdessen einmal bescheiden umzukehren und die kritischen Überlegungen hier genauer zu erwägen?"
Stimmt.
Liebe Magda, ich persönlich stimme Dir in allen Punkten zu.
Auch ich finde es nicht gelungen , den Mainstream Journalismus grade an Ulricke Meinhof auzudecken.
Da Roberto für mich eh kein Blogger im herkömmlichen Sinne ist, sondern ein Schriftsteller und Philosoph , ordne ich diesen seinen Beitrag darunter ein, und mein "zucken" wird etwas abgemildert beim Lesen.
Da er ja angekündigt hat demnächst einen weiteren Artikel über : "als links geltender Toter, dessen Glück es ist, nicht mehr zu existieren..".
zu schreiben - erschließt sich mir vielleicht noch deutlicher was er damit aufzeigen möchte.
"Liebe Magda, ich persönlich stimme Dir in allen Punkten zu.
Auch ich finde es nicht gelungen , den Mainstream Journalismus grade an Ulricke Meinhof auzudecken. "
Sie übernehmen also die Texte noch nichtmal, weil sie Sie überzeugen, sondern - ja warum eigentlich? Um Content zu schaffen?
Cassandra, sowas nennt man sich auch mit anderen Meinungen und Denkanstössen befassen...........
Nun, dann bin ich ein wenig anders gestrickt als Sie. Wenn ich mit anderen Denkweisen befasse, schreibe ich eigene Texte dazu.
Margareth Gorges schrieb am 19.01.2011 um 13:26
"Da Roberto für mich eh kein Blogger im herkömmlichen Sinne ist, sondern ein Schriftsteller und Philosoph (...) Da er ja angekündigt hat demnächst einen weiteren Artikel (...) zu schreiben - erschließt sich mir vielleicht noch deutlicher was er damit aufzeigen möchte."
Ach du lieber Himmel, haben wir es hier mit einer autoritativen Jüngerin zu tun, die ehrfurchtsvoll der nächsten Veröffentlichung des Meisters harrt, um für sie Licht ins Dunkle seines geheimnisvollen Denkens zu bringen?
Wen interessiert es, was Roberto "für Sie" ist, und welchen Erkenntniswert hat ein solches subjektives Urteil im Rahmen eines Diskurses? "Für mich" ist Roberto z.B. ein Angeber, der den Lesern zeigen möchte, wie er sprachlich mit scheinbar komplizierten Konjunktivformen zu jonglieren weiß, die er nur leider, leider, nicht korrekt beherrscht. Und "für mich" sind Sie eine völlig unkreative Bloggerin, die von Texten aus zweiter Hand lebt, denen sie nicht einmal eigene Worte hinzuzufügen weiß und die sie laut eigenem Bekunden nicht einmal selber richtig versteht, sondern die sich ihr vielleicht irgendwann "erschließen".
Aber das sind subjektiv-persönliche Urteile, die ich mir gemeinhin verkneife und wo ich stattdessen zur textkritischen Tat schreite. Erst dann werden die Urteile diskutierbar, als subjektiv-persönliche sind sie schlicht inkommensurabel.
Ein Text ist ein Text und hat als solcher eine Bedeutungsstruktur, die sich von der Intention des Autors abgelöst hat. Die zusätzliche Frage, "was er damit aufzeigen möchte" unterstellt als solche bereits, das gehe aus seinem Text für den Leser nicht hervor, und insofern eine Inkompetenz des Autors.
Der fällt im Hinblick auf die Meinhof heute eindeutige Urteile darüber, was "nichts für sie" wäre und was sie stattdessen täte. Daran gibt es doch gar nichts zu deuteln. Sehr viel zu deuteln gibt es allerdings über den annähernden Realitätsgehalt seines fiktiven Urteils. Und der geht allerdings nicht nur wegen des spekulativen Charakters des ganzen Unternehmens, sondern auch und gerade angesichts des nicht spekulativen, sondern weitgehend offenbaren Charakters der historischen Ulrike Meinhof gegen Null.
Aber jenseits dieser Detailkritik ist zu sagen, dass die zugrundeliegende literarische Idee nichts hervorzubringen vermag als "Leichenfledderei", wie Magda es treffend ausdrückt. Im vorliegenden Fall noch dazu langweilig ausgeführt (wenn ich eine begonnene Lektüre nach fünf oder zehn Zeilen abbreche, liegt es am Text, sage ich ganz selbstbewusst). Alles in allem: Literatur im Dalkowski-Stil.
Es gibt sehr reizvolle literarische Beispiele, wo verstorbene Personen, Künstler und Literaten zumal, als fiktive Figuren wieder auferstehen. Mir fällt spontan "Das Treffen in Telgte" von Günter Grass ein. Dort lässt er die literarischen und musikalischen Exponenten des 17. Jh. in einer fiktiven Zufallsrunde in der Mitte zwischen den Verhandlungsorten des Westfälischen Friedens, Münster und Osnabrück, zusammentreffen und über Krieg und Frieden räsonieren.
Das Entscheidende und Reizvolle ist hierbei sozusagen die Übertragung der bekannten Personencharakteristika auf realistische, aber nicht reale Situationen. So etwas ließe sich durchaus auch in Grenzen für eine andere Gegenwart konstruieren, gibt es vermutlich auch. Jedoch müssen die realen historischen Figuren an den fiktiven Protagonisten erkennbar sein. Ihnen eine personale Entwicklung nach dem Tode anzudichten, dazu noch eine, die eine Verwandlung in extrem entgegengesetzte Richtung beschrübe (!), ist, jenseits des moralisierenden Leichenfledderer-Urteils, nichts als langweiliges dummes Zeug.
Grüße
oranier
"Cassandra, sowas nennt man sich auch mit anderen Meinungen und Denkanstössen befassen"
Das tun wir doch wohl alle in der einen oder anderen Form, oder? Aber das sind dann Formen der Rezeption. Zusätzlich aber anderen das anstoßende Denken, nicht einmal gefiltert durch den eigenen Anstoß (um Himmels Willen, bitte nicht: "Anstoss"!) bruchlos weiterzugeben, da erschließt sich mir der Sinn nicht. Vielleicht später einmal.
@ Oranier ich lese Ihre Anmerkungen dazu, Sie haben meine gelesen.
Ok meine Meinung interessiert sie nicht was ich davon halte, na dann .
"Roberto ist ein Angeber, ich unkreativ ohne eigene Worte.".. tschija ich muss wirklich schmunzeln - dass nenn ich doch mal astreines Schubladendenken. Aber wurscht.
Irgendwie passt das Wort des Jahres dazu: Alternativlos
@ Margareth Gorges
Wer Differenzierungen lesen kann, ist bei einer Diskussion klar im Vorteil. Mich interessieren keine subjektiv-persönlichen Meinungen über Personen, durchaus aber begründete Urteile über deren Texte. Solche habe ich leider, in Ihren Schubladen kramend, nicht gefunden.
Was ich über Sie und Roberto ausgesagt habe, waren ausdrücklich solche subjektiv-persönlichen Meinungen, gebildet an diesem Thread und im Gegensatz zu Ihren begründet. Wenn Sie dagegen Argumente vorzubringen haben: bitteschön!
Oder halten Sie: "wurscht und alternativlos" für ein solches? Da muss ich aber wirklich schmunzeln.
Lassen Sie es gut sein!
Grüße
oranier
Texte von anderen Autoren zu posten, ist, solange sie nicht als eigene ausgegeben werden, völlig legitim. Der Kritik stellen sie sich in jedem Fall.
Lieber oranier,
vielleicht hilft ja folgende ganz randständige Überlegung:
Wenn jemand einfach so und ohne weiteres hinschreibt, das bloße Hin-, Her- und gelegentlich sogar Totwälzen von »Meinungen« und »Denkanstößen« sei bereits an sich die Qualität, um die es gehe, dann ist das doch genau jene schlechte Form von plattem Pluralismus, die mittlerweile selber zum letzten und höchsten Stadium von Propaganda geworden ist.
Hier herrscht nichts als losgelassene Subjektivität, vermittels der die Meinungshuberei ihre unumschränkte Diktatur über die Wahrheitsfähigkeit des Denkens ausübt: Wo jedes Einerseits unvermeidlich ein Andererseits provoziert und am Ende beides nebeneinander steht, ohne auch nur im mindesten ein Urteil sprechen zu können, dort gibt es nur mehr Indifferenz und totale Kontingenz.
Das ist doch eigentlich schon genug erwidert auf jemanden, der sich anschickt, eine dezidierte Gegenöffentlichkeit abseits des berüchtigten mainstreams ins Werk zu setzen, oder nicht?
Viele Grüße
vom Josef
@Margareth Gorges,
ich denke, unser oranier ist heute nur ein wenig zickig, wir sollten ihm nochmal einen Orden verleihen, um ihn milde zu stimmen:
http://www.abload.de/img/7-352-1zopv.jpg
http://www.abload.de/img/7-352-2vqrc.jpg
"Da Roberto für mich eh kein Blogger im herkömmlichen Sinne ist, sondern ein Schriftsteller und Philosoph , ordne ich diesen seinen Beitrag darunter ein, und mein "zucken" wird etwas abgemildert beim Lesen."
Jaja, ist ja gut, er hat halt seine Liebhaber.
Wie auch immer, ich lese ihn hin und wieder ja auch mit Interesse, umso mehr stört mich diese - mir geschmacklos erscheinende - Idee, die sich in diesem Text manifestiert.
Die Legitimität hat hier doch auch keiner angezweifelt, lieber goedzak. Ich bspw wunderte mich bloß, welche Motivation dahinter stehen mag, Texte einzustellen, die man nicht selbst geschrieben hat und deren Inhalt man anzweifelt, ohne dies aber im Blogbeitrag zu kommentieren. Das war für mich in sich nicht logisch. Nun habe ich ja eine Antwort.
(ForenBoy schrieb am 19.01.2011 um 15:37)
Weißt Du eigentlich, mein Schnuffelhase, wie sehr solche Bilder in Übergröße bei der Lektüre stören?
sie sollen nicht stören, sondern beruhigen........
Spannender und wichtiger als das Gedöns um die fraglose Legitimität des vorliegenden Blogbeitrags und um die fragliche Qualität des Textes finde ich, da das Thema schon aufgekommen ist, folgendes:
goedzak schrieb am 19.01.2011 um 10:30
Zwischen Langhans und Meinhof lagen schon 1968 Welten.
Das, lieber goedzak, denke ich eher weniger.
Ich habe im Februar 2008 in einem anderen Blog heftigen Widerspruch formuliert zu der allfälligen medialen Abrechnung mit 68 anlässlich des 40. Jahrestages, die bis zur Analogie zwischen den 68ern und den jungen Faschisten der frühen dreißiger Jahre reichte (Götz Aly).
Gleichwohl schrieb ich damals:
"Damit ist von mir als Beteiligtem der “Bewegung” keineswegs der Wunsch nach kritikloser und nostalgischer Schönfärberei verbunden, sondern im Gegenteil der nach “Aufarbeitung”, und das bedeutet nach den Worten, die Joachim Gauck jüngst in einer Diskussion über die DDR-Vergangenheit gesprochen hat, “dass wir uns trauen dorthin zu gehen, wo Erinnerung weh tut. Diese Erinnerung hat mit Trauer und Scham zu tun.”
Solche Trauer und Scham müssen wir z.B. tatsächlich empfinden angesichts so mancher Leichtgläubigkeit und Affinität gegenüber totalitären Konzepten und zumal der Akzeptanz von Gewalt, die sich nur zum Teil aus der Gegenreaktion gegen die Fratze erklärt, die der Staat uns bei unseren zunächst friedlichen Demonstrationen gezeigt hat.
(...)
Wir “68er” sind aufgerufen, uns auch und gerade dadurch von der Vätergeneration zu unterscheiden, dass wir uns schmerzvoll auch unsere Fehler bewusst machen, uns gegenüber den Nachgeborenen dazu bekennen und sie freimütig mit ihnen zu besprechen, statt die großen Helden oder die schuldlosen Verdränger zu geben."
In dieser Stimmung einer abstrakten Gewaltlegitimation, wenn nicht -verherrlichung, die nicht nur unter Intellektuellen in Westdeutschland grassierte (man lese z.B. Sartres erschreckendes Vorwort zu Frantz Fanon, Die Verdammten dieser Erde) gediehen politische Gewaltkonzepte innerhalb des SDS, bei Dutschke, Krahl, Enzensberger, die ausstrahlten auf Ulrike Meinhof wie auf die Exponenten der Kommune I.
Erst in der Folge von 68/69 spalteten sich die Richtungen auf: Leute wie Langhans drifteten ins unpolitische Drogen- und Esoterik-Milieu ab und Meinhof in die terroristische RAF. In den autoritären Strukturen der maoistischen K-Gruppen blühten Fantasien von einem bevorstehenden "Volkskrieg", der als "revisionistisch" verschriene DKP-nahe "Marxistischer Studentenbund Spartakus" war in der Gewaltfrage noch der moderateste, indem er RAF- und Stadtguelilla-Strategien und -Fantasien als Abenteurertum ablehnte.
Hier ein Link zu Peter Schneiders Rückbesinnung auf die damalige Situation:
www.cicero.de/dossier_detail.php?ress_id=7=2361
Ist mir eigentlich wurscht, ob ich mit dem Spruch Recht kriege oder nicht. Mein Herz hängt an keinem der beiden. Aber: Die 6 Jahre ältere Meinhof ist, wenn überhaupt, eine Spät-68erin, Langhans eher sowas wie ein nicht erwachsen werden wollender (war ja 68 auch schon 28) Subkultur-Aktivist, die jungleWorld nennt sowas heutzutage "Pop-Linke" und diskutiert das als ernstzunehmende 'linke' Existenzform. Während Meinhof geackert und gerungen, gekämpft und gelitten, klarsichtig sich geäußert und schlimm geirrt hat, ist Langhans, ich will's mal positiv ausdrücken, unbeschwert durch sein Leben getaumelt. Schön für ihn, hat aber über ihn hinaus keine Bedeutung, jedenfalls nicht mehr, als auch jeder Gammler 1967 oder Punk 1977 hatte. Die erst "in der Folge von 68/69" offensichtlich gewordene Aufspaltung zwischen den beiden Richtungen ist nichts Plötzliches gewesen.
Was Du über die Anforderungen an 'Euch 68er' schreibst, ist sicher etwas, was Du Dich bemühst zu leisten, und andere Weggefährten tun das wohl auch. Aber damit seit Ihr genau genommen über das 'Typische' der '68er' Revolte hinaus gegangen. Das bestand wohl eher darin, motiviert von heroischen Illusionen (Revolution, Befreiung des Menschen, der Sexualität, der dritten Welt usw.), kostümiert in Maskeraden (sehr vielfältige allerdings, sogar proletarische darunter) real folgendes erreicht zu haben: Den Kapitalismus endlich bei sich selber ankommen zu lassen, ihn von den letzten Hautfetzen seiner Frühformen zu befreien, die Entfesselung der Produktion durch die Entfesselung der Konsumtion überhaupt erst sinnvoll zu machen, was ja 'Befreiung' der Körperlichkeit, das 'bedürfnisreiche' Individuum (Hedonismus), den adäquaten, dem Technologie-Fortschritt entsprechenden, zu maßvoller Kreativität, Eigensinn und Selbstverantwortung fähigen Produzententypen usw. erforderte, umgekehrt also die Beseitigung aller Rest-Autoritarismen und Überbleibsel kontra-produktiver (und kontra-konsumtiver) Moralsätze wie Sparsamkeit, Bescheidenheit, Obrigkeitsgläubigkeit u.dgl.m. - Der typische 68er ist dann wohl jemand, der den "in der Folge von 68/69" begonnenen Marsch durch die Institutionen an deren Spitze beendet und sich fürderhin der Bewahrung und Befestigung des gewandelten Bestehenden gewidmet hat. (Der Job ist nun auch schon erledigt, jetzt sind ja die neo-konservativen und -liberalen Popper der 80er Jahre dran...)
Na, da ich aus Alters- und anderen Gründen kein 68er bin (was ich um 78 rum tatsächlich mal ne kurze Zeit lang bedauert habe), wirst Du mich nun wohl naseweis oder schlimmeres nennen.
Sei's drum, immerhin kannst Du mir zugute halten, Dir mit meinem Zweifel, Du seist mit Deinem Anspruch kein typischer 68er, ein Kompliment gemacht zu haben.
@ oranier - "Damit ist von mir als Beteiligtem der “Bewegung” keineswegs der Wunsch nach kritikloser und nostalgischer Schönfärberei verbunden, sondern im Gegenteil der nach “Aufarbeitung”, und das bedeutet nach den Worten, die Joachim Gauck jüngst in einer Diskussion über die DDR-Vergangenheit gesprochen hat, “dass wir uns trauen dorthin zu gehen, wo Erinnerung weh tut. Diese Erinnerung hat mit Trauer und Scham zu tun.”
Solche Trauer und Scham müssen wir z.B. tatsächlich empfinden angesichts so mancher Leichtgläubigkeit und Affinität gegenüber totalitären Konzepten und zumal der Akzeptanz von Gewalt, die sich nur zum Teil aus der Gegenreaktion gegen die Fratze erklärt, die der Staat uns bei unseren zunächst friedlichen Demonstrationen gezeigt hat."
Mir ist nicht nach Trauer, Scham und Schande, wenn es um die DDR geht. Um Nachdenklichkeit eher, das ist sicher am Platze.
Bei Gauck, verehrter oranier, kann ich nur anmerken, dass dessen Erinnerungarbeit höchst einseitig verläuft. Seine Eltern im Nationalsozialismus entschärft er als harmlose Mitläufer, die DDR-Bürger wertet er ab von "oben herab" als Leute ohne Rückgrat. Gauck ist für mich ein Prototyp des beliebigen Freiheitsschwätzers. Einer, der nichts gewagt hat, der unter dem Dach der Kirche gesichert war und sich heute als Held feiertn lässt. Nee, danke.
www.freitag.de/community/blogs/magda/joachim-gaucks-totalitaere-aufklaerung
Und hier ist ein Link zum Thema.
mit einem Link, der viele ungeklärte Fragen aufwirft und keineswegs mit "Nachdenklichkeit" vom Tisch zu wischen ist.
Die Mitgliedschaft von politisch Verantwortlichen ist ein absolutes NoGo:
tinyurl.com/ForenBoy70
Die Stasi-Mitgliedschaft von politisch Verantwortlichen ist ein absolutes NoGo:
"die Entfesselung der Produktion durch die Entfesselung der Konsumtion ..." -
5000 sterne für diese ausführung -
Genau diese Formulierung ist es, die ich am problematischsten finde, indyjane.
Denn genau durch diese Formulierung hindurch drückt sich aus, weshalb sich nach meinem Eindruck viele Linke sich bis zur Unkenntlichkeit den Pastoren, Pfarrern und sonstigen Vorbetern der Enthaltsamkeit (also der autonom exekutierten Ver- und Entsagung) anverwandelt haben, die es doch einmal radikal zu kritisieren galt.
Denn der (marxistische) Materialismus ist nie und nimmermehr eine Kritik eines Konsumtions-, sondern im Gegenteil die ganz eminente Kritik eines Produktionsverhältnisses, nämlich des kapitalistischen und also desjenigen, das gerade durch seine völlige Widersinnigkeit an sich konstituiert und gesetzt ist. Weder gibt es falsche (übersteigerte, eskalierte, degenerierte, dekadente usw. usf.) Bedürfnisse noch ist der Widersinn an der Ware durch Aufhebung oder Untergang zu vollstrecken, sondern das Kapital dergestalt abzuschaffen und also der gesellschaftliche Reichtum so allgemein anzueignen, daß das (i.e. jedes!) Bedürfnis nicht erst dann sich befriedigen läßt, wenn es sich als hinreichende Zahlungskraft ausspricht.
Ihr Link ist allerdings nicht gerade von "Nachdenklichkeit" geprägt. Hubertus Knabe und BZ! Eine interessante und vor allem glaubwürdige Mischung im politischen Diskurs um DDR, Diktatur, Stasi und LINKE. Die glaubwürdigste aller Zeiten, würde ich sagen.
Ihre Gauck-Verehrung in allen Ehren, aber Bloggerin Magda hat im letzten Jahr einen wertvollen Beitrag, wenn Sie so wollen einen Gegenpart zur medial erzeugten allgemeinen Gauck-Hysterie geleistet, die zum großen Teil, wie im Deutschlandfunk vor kurzem aufgeklärt wurde, gezielt und professionell aufgezogen worden ist. Flugs war dieser bittere Rächer mit stramm neokonservativer Weltsicht und latentem Unterschichtendünkel ausgestattete Prediger der "reinen Lehre" ein "Bundespräsident der Herzen" und - oh Wunder - Kandidat der irgendwie Linken des deutschen Parlamentes für das Amt des Grüßaugust der Nation.
Zu Recht bemerkte Stefan Gärtner (TITANIC, 09/10, S. 18):
„Der größte und womöglich einzige Vorzug von Christian Wulff ist, daß er uns einen Bundespräsidenten Joachim Gauck erspart hat.“
und noch ein alter Blog-Beitrag von mir:
www.freitag.de/community/blogs/mahung/die-gauck-schmonzette-findet-quaelend-ihr-ende--zeit-wurde-es
"wie im Deutschlandfunk vor kurzem aufgeklärt wurde"
u.a. hier:
Analogkäse schmeckt besser!
Wie sich Public Relation als fünfte Gewalt etabliert
leider nur noch als pdf. S. 7ff
www.dradio.de/download/127346/
Hui, hier geht ja jetzt alles durcheinander, müssen wir jetzt über das hingehaltene Hubertus-Knabe-Stöckchen springen?
Dies geht @j-ap:
Eine Sympathieerklärung für die "Vorbeter der Enthaltsamkeit" war das nicht, das hast Du falsch verstanden, was auch an meinen verkürzten und viele Facetten aussparenden Formulierungen liegen mag. (Nebenbei gesagt: Die "typischen 68er", die ich meine, waren groß darin, den "falschen Konsum" der Massen verächtlich zu machen, auch ein Zeichen des heroisch-illusionären Charakters ihrer Bestrebungen...)
Was nun den "(marxistischen) Materialismus" angeht, er ist Kritik (vor allem im Sinne von Analyse) der gesellschaftlichen Verhältnisse als Zusammenhang von Produktions- und Konsumtionsverhältnissen. Und natürlich gibt es keine "falschen Bedürfnisse" (diese Aussage liest Du jetzt wirklich hinein), denn es gibt keine Bedürfnisse, die auf konkrete Gebrauchswerte gerichtet sind, die eine bestimmte gesellschaftliche Formbestimmung aufweisen. Bedürfnisse sind zunächst nichts als in Hinsicht auf die konkrete Form ihrer Befriedigung unspezifische Empfindungen von Mangelzuständen physischer oder psychisch-emotionaler Art. Die Konkretisierung des Begehrens geschieht in dem Zusammenhang der Vergesellschaft der Menschen (wird auch gerne 'Sozialisierung' genannt). Und so kann es geschehen, dass das starke Bedürfnis nach Anerkennung meiner Person und Besonderheit sich in dem Wunsch nach einem Notebook und einem Internetzugang konkretisiert, damit ich in einer Community rumbloggen kann. Dann will ich vielleicht ein MacBookPro und kein Dell-Laptop, weil ich damit im Cafe St. Oberholz nicht aufkreuzen darf usw. Ob das falsch oder richtig ist, ist die falsche Frage. (Für den Einzelnen kann es aber sehr bald zu einer existenziellen Frage werden, ob ich mein elementares Bedürfnis in dieser Form wirklich befriedigen kann oder seine Befriedigung nur kompensiert habe.)
Die Revolte von 68 hat einem anderen Typus Individuum, sowohl als Produzenten als auch als Konsumenten, zum Durchbruch verholfen. Das war historisch zur weiteren Entfaltung kapitalistischer Verhältnisse dringend nötig.
Noch mal zur Konsumkritik: Da ist immer noch W. F. Haug, Kritik der Warenästhetik, empfehlenswert, auch wenn manches natürlich frag-würdig ist, etwa Haugs Ästhetikverständnis. Aber in diesem Buch wird eben nicht die Askese gepredigt, was immer der Hauptvorwurf war, sondern die gesellschaftliche Form des Genusses im (damaligen) Kapitalismus kritisiert, die sich allerdings vor allem durch ihren Illusionscharakter bzw. die kalkulierte Verlogenheit des Genussversprechens auszeichnet.
danke@mahung für die Weiterungen.
den Link bitte nicht auf seine "Herkunft" bewerten, mir geht es nicht um die Antworten, die aktuell (von heute Abend) gegeben werden, sondern die FRAGEN, und zwar alle.
Mir ist auch klar, dass zwischen den ursprünglichen DDR-Bürgern und den BRD-Bürgern in Sachen STASI unterschiedliche Sichtweisen bestehen und auch in Zukunft wohl bestehen bleiben.
Allerdings will ich keinen einzigen STASI-EXmitarbeiter und auch keine SED-EXmitglieder, die schon seit Ulbrichts Tagen Mitglied waren, in einer verantwortlichen Regierungspartei wieder finden. Das geht nämlich gar nicht.
Und die LINKE täte gut daran, sich von solchen Mitgliedern, schnellstens zu trennen, denn sonst wird sie niemals einen Fuß auf den Boden bekommen.
Die westliche Bevölkerung hat sich bisher für dieses Riesenproblem nicht besonders interessiert, es wird Zeit, dass sich dies ändert und die STASI-Täter zur Verantwortung gezogen werden.
Ich will einfach nicht, dass diese so glimpflich davon kommen wie die Nazis nach 1949.
"Ich will einfach nicht, dass diese so glimpflich davon kommen wie die Nazis nach 1949."
Genau: Denn die Stasi hatte ja - wie wir alle wissen - ungefähr 50 Millionen Tote zu verantworten, ziemlich viel Stress rund um den Globus verursacht und außerdem noch einen echt krassen Weltkrieg angefangen, von den Vernichtungslagern mit Millionen getöteter Mitglieder der Großbourgeoisie erst gar nicht angefangen und muss deshalb mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden, während die Nazis ja nur 230 Mauertote verursachten.
Eindeutige Sache, die Stasi-Mörder dürfen nicht entkommen!
Oder war es doch irgendwie anders?
Warum schreibt der mir unbekannte und hier nun Philosoph genannte Roberto J. de Lapuente einen solchen Beitrag und warum stellt Margareth Gorges diese platte Zeug hier als eigenen Blog ein? Einen wohlfeilen Versuch einer Satire, der an der beschränkten Sicht des Autors auf Ulrike Meinhof, auf die 68-er und am eigenen eitlen Duktus scheitert.
Manche bewerben sich mit so etwas bei Stern oder Spiegel, allerdings ohne Erfolg, denn eine gewisse Eloquenz wird auch dort verlangt.
"BILD schrübe tagsdrauf" allerdings gefällt mir sehr gut.
@ Magda
Ui, scheint sich ja noch eine spannende, zumindest umfangreiche Diskussion entwickelt zu haben. Mal sehen, ich beginne mal mit dir:
Ja, das war wohl ungeschickt von mir. Ich habe etwas zitiert, was ich vor zwei Jahren geschrieben habe, um des Wortlauts willen, den ich auf mich und meine kollektive Vergangenheit bezog - in relativer Unkenntnis, wie ich gestehe, der Person Gauck, die ich hier besser rausgehalten hätte.
In Bezug auf den gibt es zwischen uns mittlerweile keinen Dissens, glaube ich, und ich fand es nach nur oberflächlicher Beschäftigung mit ihm nur konsequent, dass die Linke sich seiner Wahl trotz der zu erwartenden Schmähungen verweigert hat.
Grüße
oranier
Also wenn das Deine Einschätzung der Stasi und Ihrer Opfer ist, die nicht nur aus mind. 230 Toten bestehen, sondern auch unzähligen Opfern des Überwachungsstaats DDR, die zwar überlebt haben, aber mit erheblichen seelischen und körperlichen Wunden, dann ist Deine Sicht der Dinge weniger objektiv, als ich dachte.
Da brauche ich die 100 Millionen Tote durch den Kommunismus gar nicht mehr bemühen, da uns die Instrumentalisierung von Toten nicht weiter bringt.
Die Stasi-Verbrecher müssen bestraft werden, das ist "alternativlos"!
@ FB
Sprichst du etwa mit mir? Ich erinnere mich nicht, von der Stasi und Ihren Opfern gehandelt zu haben.
Sorry, oranier, du hast dich irgendwie während des Schreibens zwischen mir und UweJuergenNess eingenistet.
Aus dem Kontext heraus hast Du aber bemerkt, dass Du nicht gemeint sein kannst, trotzdem schön, mit Dir gesprochen zu haben....lach
danke für den hinweis,
mir ging es jedoch um den in diesem zusammenhang wichtigen hinweis, dass die "68er"-bewegung, in der der marxismus nur ein teil war, die große entwicklung der märkte ermöglichte ...
die frage der bedürfnisse ist "ein weites feld"
sorry, das sollte ein kommentar zu j-ap sein, und der hinweis wurde im grunde später schon gemacht...
Du liebe Güte, die B:Z. und Hubertus Knabe, das ist natürlich eine andere Medienmacht. Über Knabe diskutiere ich nicht. Der ist ein sich selbst erklärendes Phänomen.
der angekündigte "ZP" (Aktuelle Stunde) wurde scheinbar heute morgen gecanzelt und dafür einer zu einem anderen thema plaziert ...
"Die westliche Bevölkerung hat sich bisher für dieses Riesenproblem nicht besonders interessiert, es wird Zeit, dass sich dies ändert und die STASI-Täter zur Verantwortung gezogen werden."
Es dürfte Dir nicht entgangen sein, dass "Stasi-Täter", sofern sie rechtlich relevante Straftaten begangen haben sehr wohl zur Verantwortung gezogen wurden. Nicht zu vergessen, dass reihenweise Mitarbeiter des Mfs oder die sog. IM´s nach Ihrer Enttarnung oder Selbstanzeige ihre Job´s verloren - nach festgelegten Regeln. Wie viele z.B. Fernsehmoderatoren/innen kennen Sie, denen dies so ging. Da könnten Sie sich wirklich mal endlich schlau machen und nicht immer nur die Pauschalkeule schwingen. Im Osten ist in dieser Richtung bereits sehr viel passiert. Wo ich Ihnen vollends Recht gebe, ist die völlig ungenügende Aufarbeitung, Aufdeckung und ggf. Bestrafung der Stasi-Zuträger West. Vielleicht wird das medial nur nicht so aufgebauscht und findet trotzden statt - jedenfalls habe ich den Eindruck, dass auch hier mit zweierlei Maß gemessen wird und wurde.
Lesestoff zum Thema:
Alexander Osang "Die Nachrichten" z. B.
@ goedzak schrieb am 19.01.2011 um 20:35
Wurscht, atürlich, es geht doch nicht ums Rechthaben, sondern um Klärung. Recht gebe ich dir durchaus im Hinblick auf "Welten" zwischen den unterschiedlichen "Existenzformen", ich hatte mich zumal auf K 1 und SDS als ursprünglich gemeinsamen Kristallisationspunkt von Langhans und Meinhof für spezifisches politisches Engagement und Gewaltmotiv bezogen.
Die Spaltung war natürlich in Richtungskämpfen von vornherein gegeben, leider als typische Erscheinung linker Bewegungen, aber das organisatorische Auseinanderfallen erfolgte eben 68/69 endgültig mit dem Niedergang des SDS.
"Naseweis"? wieso das denn? Du hast dir ja erkennbar sekundär einen besseren Überblick verschafft als ihn mancher Dabeigewesene aus verengtem oder verklärendem Blickwinkel hat. Das Kompliment also dankend zurück! Wobei ich doch denke: der typische 68er ist eine Fiktion. Die "68er Bewegung" setzt sich, wie aus dem bisher Erörterten schon ersichtlich, postmodern gesprochen, aus unterschiedlichen "Erzählungen" zusammen, die sich teilweise überschneiden, teilweise stark voneinander divergieren.
Schon das Datum markiert eher internationale Ereignisse: Martin Luther King und Bürgerrechtsbewegung, Pariser Mai usw., in der Bundesrepublik steht damals eigentlich der Kampf gegen die Notstandsgesetze im Vordergrund, der von wesentlich breiterer Front ausgetragen wurde, als es der Begriff "die 68er" umreißen könnte.
Von diesen Differenzierungen abgesehen und auf die Gemeinsamkeiten geschaut, setzt du einige Schlaglichter auf die "68er", im ganzen klingt mir das aber zu negativ. Man kann im Nachhinein leicht sagen, dass die Bewegung iin ihren vorgestellten Zielen illusionären, sowie den in den Blick genommenen Mitteln abenteuerlichen Charakter hatte und iim Hinblick darauf gescheitert ist. Damit steht sie in der Geschichte nicht isoliert da, und man kann sie redlicherweise für die anschließende Stabilisierung des "Systems" ebensowenig verantwortlich machen wie beispielsweise die Befreiungskrieger für Metternich und die Heilige Allianz.
Als Bewegung von Studenten und Intellektuellen teilte sie mit ähnlichen Bewegungen eine übersteigerte Vorstellung von ihrer Bedeutung und ihren Möglichkeiten. Das aufgrund der Marx- bzw. Marxismus-Rezeption angestrebte Bündnis mit der Arbeiterklasse war rein voluntaristisch und konnte auch nicht funktionieren, wenn man, ähnlich der Landbewegung der russischen "Volksfreunde", in die Betriebe ging, um die Arbeiter über ihre wahren Interessen zu belehren, deren Organisationen (Gewerkschaften und SPD) jedoch für reformistisch bis reaktionär erklärte und verbal bekämpfte oder zu unterwandern versuchte, statt sich dort auf den langen "Marsch durch die Institutionen" zu begeben, und das Motiv des "Konsumterrors" dermaßen in den Vordergrund zu rücken.
Das ganze zeigt, dass es sich hier originär um eine bürgerlich-jugendliche Protestbewegung handelte, mit den entsprechenden Borniertheiten. Der "Muff von tausend Jahren" war den bildungsbürgerlichen Studenten solange ganz recht, wie das klassische Ordinariensystem an den Universitäten ihnen angemessene und angenehme Studien- und Lebensbedingungen garantierte, einschlielich der heute in der Soziologie so genannten "Statuspassagen", also Berufs-Einstiegs- und Aufstiegsmöglichkeiten.
Die Entwicklung der Produktivkräfte brachte aber einen gesteigerten Bedarf an akademisch ausgebildetem Personal und damit die moderne Massenuniversität hervor, notwendig verbunden mit Verschlechterung der Bedingungen und Deklassierung der akademisch Gebildeten. Dagegen rührte sich zunächst der Aufruhr. Man mag sich vorstellen, weiche Distanz der Schreiber dieser Zeilen, aus proletarisch-subproletarischen Verhältnissen stammend und nun die neuen (eigentlich nur für Intelligente vorgesehenen) Bildungschancen ergreifend, gegenüber der Kritik des Konsums einnahm, die sich die saturierten Bürgerkinder erlaubten, die aber seinen persönlichen Zielen sowie denen seiner Klasse nach einem angemessenen anteil am gesellschaftlich erarbeiteten Produkt, vom Reichtum noch garnicht zu reden, diametral entgegengesetzt waren.
So war es nur konsequent, dass ich von den erwähnten Richtungen der "gewerkschaftlich orientierten", DKP- und DDR-nahen Richtung zuneigte und mich dort organisierte und engagierte. Das ging aber, jenseits der "Bewahrung und Befestigung des gewandelten Bestehenden" weit über meine Studien- und 68er Zeit hinaus und brachte mir beruflich so manche Probleme und Gefährdungen ein. Und meine - wie ich es heute sehe - teilweise blinden Identifikationen mit dem sog "realen Sozialismus" habe ich im angedeuteten Sinne, da durchaus auf Freiwilligkeit beruhend, auf andere Weise zu verarbeiten als ehemalige Bewohner der DDR, die in das "System" auf je spezifische Weise eingebunden waren. - Das war jetzt viel Persönliches.
Dass sich in der Bundesrepublik in den 60er/70er Jahren ein sozialer, ökonomischer und kultureller Wandel vollzog, als Modernisierung und insofern Befestigung statt als Revolutionierung der Verhältnisse, ist aus heutiger Sicht unzweifelhaft. Dass, hier wie dort, gesellschaftliche Prozesse zwar nach Gesetzmäßigkeiten, aber nicht mechanisch ablaufen, also der Individuen als ihrer Akteure bedürfen, ist, so denke ich, zwischen uns ebenso unstrittig. Aber neben dem, was die Individuen bewusst anstreben, ob realistisch oder illusionär, setzt sich eben auch vieles, vielleicht sogar das Wesentliche, hinter ihrem Rücken durch, und anders, als sie wollen. Die Individuen bleiben aber Individuen, mit ihren je besonderen Beteiligungen und Verantwortungen, Verarbeitungen oder Verdrängungen.
"Philosoph" ist kein geschützter Titel, lieber weinsztein, und FÜR MICH bist auch du ein Philosoph.
Heutzutage hat ja jedes kommerzielle Unternehmen, das etwas auf sich hält, eine "Philosophie" und betraut folglich "Philosophen" mit deren Formulierung.
Da waren Leute wie der große Immanuel Kant doch bescheidener, der von sich sagte, er sei kein Philosoph, sondern nur ein Philosophieprofessor.
sicher ein Nachtreten, aber darüber hinaus auch Ausdruck einer sehr viel weitergehenden Überzeugung, der Überzeugung, dass jeder Mensch, der/die nur lange genug lebt, korrumpiert, es ist nur eine Frage der Zeit. Ich sehe in der medialen Öffentlichkeit nur sehr wenige Menschen, die diese Auffassung widerlegen würden. Allerdings bezweifele ich ebenso, dass die Meinhoff die geegnete Person dafür ist, dies durchzuexerzieren, angesichts sovieler lebender Beispiele, möge sich Lapuente also an seinem Geifer verschlucken.
...und wieder einmal die selektive Gewichtung hinsichtlich der Historie:
Als wenn die Geschichte der deutschen Linken sich an der RAF und den 68ern festmachen ließe!
...die Geschichte der Linken und in erster Linie die Geschichte einer linkssozialistischen Alternative der Nachkriegszeit beginnt schon weit früher in den Fünfzigern, nämlich nämlich mit der Leugnung und Aufgabe einer solchen Alternative im Godesberger Programm der SPD, die den spülwasserweichen Kurs der deutschen Nachkriegs-SPD einläuetete, die mit der Denunziation und Diffamierung von Personen wie Viktor Agartz weitergeführte wurde, in seiner degeneriertesten und verlogensten Form in der "Neuen Mitte"-Konzeption endete und, wenn man genau hinschaut, die Sozialdemokratie zur Florence Nightingale am Krankenbett des Kapitalismus macht.
Die sehr typischen traditionellen Reflexen, man denke nur an die Rote Socken-Kampagne in früheren Wahlkampfjahren in der "Nachwendezeit", die mit der Diffamierung und Denunziation der Partei "Die Linken" einhergeht, bestärken mich im Eindruck, das sich seit Adenauers gezielt eingesetztem Antikommunismus eigentlich nichts geändert hat, er ist und bleibt weiterhin ein bewährtes taktisches Mittel zur Ausgrenzung, vorgetragen mit allem verlogenen pastoralen Pathos der Gesinnungsethik und Verfassungstreue!
Frau Gorges hat es nicht so mit anderen Meinungen. Sie hat schon zweimal ihre eigenen Blogs (bzw mit den kopierten Inhalten) gelöscht weil ihr Kommentare dazu nicht gefielen.
Die "Diffamierung und Denunziation der Partei "Die Linken"" dürfte doch nach 20 Jahren keine Relevanz mehr haben, es sei denn, die LINKE kann die aus meiner Sicht berechtigten Argumente "so schnell" nicht entkräften.
@ Giuseppe Navetta
Du schreibst: ...er [= der Antikommunismus] ist und bleibt weiterhin ein bewährtes taktisches Mittel zur Ausgrenzung, vorgetragen mit allem verlogenen pastoralen Pathos der Gesinnungsethik und Verfassungstreue!
Diese Meinung teile ich. Deshalb finde ich es politisch ungeschickt, den Begriff Kommunismus wie eine Fahne über den Köpfen zu schwenken. Für das konditionierte Pressewesen, hinter dem üblicherweise konzernartige Strukturen stehen, ist es ein Glücksfall, wenn eine sich den politisch links Denkenden zuordnende Politikerin mit diesem Wort meint hausieren gehen zu können.
@ Guiseppe
Die Geschichte der deutschen Linken nicht an RAF und 68er festzumachen, schließt das aus, RAF und 68er gelegentlich zu thematisieren?
Aha, "die Geschichte einer linkssozialistischen Alternative der Nachkriegszeit beginnt (...) mit der Leugnung und Aufgabe einer solchen Alternative im Godesberger Programm"? Scheint mir doch eher, dass sie damit endet, oder? Und "zur Florence Nightingale am Krankenbett des Kapitalismus" wurde die Sozialdemokratie doch wohl schon durch Bernstein, spätestens durch Scheidemann und Ebert, oder? Wenn also schon gegen "selektive Gewichtung" der Historie, dann richtig.
Dass Godesberger Programm und "Neue Mitte"-Konzeption aber zentrale Markierungspunkte auf dem Wege weg von kommunistischen und linkssozialistischen Alternativen sind, bedarf keiner Erörterung. Wohl aber bedürfte es mal einer Erörterung, was denn sinnvolle und gangbare Alternativen für die SPD gewesen wären und wären angesichts des Verschwindens erstens eines revolutionären Potenzials in der Arbeiterklasse und zweitens des Verschwindens der Arbeiterklasse selber im klassschen Verständnis.
Antikommunismus als typischer traditioneller Reflex: geschenkt. Aber auch hier: das Gespenst geht seit mehr denn eineinhalb Jahrhunderten um. Was die (Kantsche) Gesinnungsethik in dem Zusammenhang zu suchen hat, erschließt sich mir leider nicht.
Grüße
oranier
@ Achtermann
Ob es im Einzelfall opportun ist, wenn eine linke - wieso das geschraubte: "sich den politisch links Denkenden zuordnende" - Politikerin über den Kommunismus räsoniert (wieso "hausieren geht", haben wir es etwa mit Zigeuner-Gesindel zu tun?) darüber wäre ggf. zu diskutieren, nicht opportun, sondern im Gegenteil opportunistisch wäre es allerdings, wenn Kommunisten angesichts antikommunistischer Stimmungsmache seitens bürgerlicher Politiker und seitens der Medien, die du nicht müde wirst für geradezu gleichgeschaltet anzusehen ("das konditionierte Pressewesen") aufhörten, das Wort "Kommunismus" in den Mund zu nehmen.
In unserer freiheitlich-demokratisch verfassten Gesellschaft sollten Politiker selbstbewusst für die Konzepte werben können, die sie vertreten und anstreben, um Klarheit für die Adressaten ihrer Politik und Programmatik zu schaffen und um den ständigen Verdächtigungen zu begegnen, sie meinten nicht, was sie propagierten.
Da die politisch-ideologischen Verhältnisse nun mal so sind, wie Guiseppe und du sie richtig benennen, nützt es auch nicht, wenn Linke ihre Einstellungen verstecken und ihre Ziele verdecken. Wie man gesehen hat, werden sie ggf. per - für ein demokratisches Gemeinwesen unwürdigen - Gesinnungsterror herausgefordert, sich von dem und dem: SED-Staat, Stasi-Verbrechen, Kommunismus zu distanzieren, wogegen die Linke sinnvoll eigentlich nur in die demokratisch-freiheitliche Offensive gehen kann.
Grüße
oranier
Lieber oranier, Du schreibst:
In unserer freiheitlich-demokratisch verfassten Gesellschaft sollten Politiker selbstbewusst für die Konzepte werben können, die sie vertreten und anstreben, um Klarheit für die Adressaten ihrer Politik und Programmatik zu schaffen und um den ständigen Verdächtigungen zu begegnen, sie meinten nicht, was sie propagierten.
Unser Staatsgebilde, das Du "freiheitlich-demokratisch verfasste Gesellschaft" nennst, hat ein eher neurotisches Verhältnis zu dem Begriff des Kommunismus. Der erste Bundeskanzler der Republik, der seine christliche Parteimitgliedschaft mit nicht wenigen vormaligen Hitler-Adepten teilte, verstand es bestens, gegen die Siegermacht aus dem Osten zu polemisieren und das Verbot einer kommunistischen Partei durchzusetzen. Schon sechs Jahre zuvor, 1950, ist ihm mit dem nach ihm benannten Erlass gelungen, Kommunisten aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Mit juristischen Mitteln, die sich auf die Haltung der Bevölkerung zum Kommunismus (egal welcher Variante) auswirkten, gelang es den Vertretern der "freiheitlich-demokratisch verfassten Gesellschaft", den Begriff in ihren politischen Giftschrank zu einzuschließen.
Auch die 1968 gegründete Deutsche Kommunistische Partei war ständig Objekt des Verfassungsschutzes. Wer sich zur Mitgliedschaft bekannte, wurde, wie fast zwei Jahrzehnte zuvor, aus dem Staatsdienst geworfen. Das weißt Du, der zur DKP eine Zeitlang eine politische Nähe verspürte, sicher besser als ich. Diese langen in der Öffentlichkeit ausgetragenen Diskussionen um die Verfassungstreue (Diskussionsstichwort: Demokratischer Zentralismus) haben mit dazu beigetragen, den Kommunismusbegriff in der Bevölkerung zu diskreditieren.
Auch diverse kommunistische Abspaltungen und Neugründungen, ich denke da etwa an den Kommunistischen Bund Westdeutschland, und die damit verbundenen innerkommunistischen Auseinandersetzungen haben meiner Einschätzung nach nicht vertrauensbildend gewirkt.
Ich tendiere aufgrund dieser Erfahrungen dazu, eine Partei, die zu Wahlen antritt und damit das parlamentarische System akzeptiert, sollte sich nicht kommunistisch nennen. Die Wahlchancen würden gering sein. Die französischen oder italienischen Kommunisten waren (sind?) anders strukturiert. Man verbindet mit ihnen nicht nur das Biedere des Kommunismus.
"Aber neben dem, was die Individuen bewusst anstreben, ob realistisch oder illusionär, setzt sich eben auch vieles, vielleicht sogar das Wesentliche, hinter ihrem Rücken durch, und anders, als sie wollen." - Ja, das habe ich i.G. auch gemeint.
Also mich erinnert der Blog eher an einen Hundebesitzer,:"Der will doch nur spielen".
Ich warte einfach auf den zweiten Satz,"Das hat er noch nie gemacht".
Und Forenboy, "braver Hund".
@Achtermann
100% D'accordo! Ungeschickt halte ich sogar noch für eine geschmeichelte Bezeichnung derartiger Öffentlichkeitsarbeit!
Was die Gesinnungsethik betrifft: Ich habe zwar keine Zahlen parat und womöglich gibt es auch gar keine dazu, aber mit recht hoher Wahrscheinlichkeit wird man bei entsprechender Untersuchung herausfinden können, das doch recht zahlreiche ehemalige Mitglieder der Block-Parteien sich in den bundesdeutschen Parteien der bürgerlichen Mitte wiederfinden lassen und deren Gesinnungswandel mit Wahl der sozusagen "richtigen" Partei als authentisch empfunden wird! Wieviele Personen ihren Eintritt dabei als "Persilschein" benutzt haben, sei dahingestellt, in der CSU nach 1945 jedenfalls, waren es nicht wenige, wie aufschlußreiche Untersuchungen es ja belegen.
Den weiter unten angebrachten Verweis auf Bernstein und den Revisionisten teile ich bedingt, da sich moderne unorthodoxe linkssozialistische Positionen oder eine Art "Third Way" Position meines Wissens in Europa erst nach 1945 deutlich herauskristallisierten - also z.B. der Übergang des Togliatti-Kommunismus zu der Führunig unter Berlinguer mit den z.B. dazugehörenden genossenschaftlichen Modellen etc.
...also der Bernsteinverweis kam von Oranier...
Vielen Dank für's Feedback!
Mit besten Grüßen
Die Fantasie von De Lapuente klingt interessant und amüsant, die Enttäuschung über einen dschungelcampenden Langhans hat wohl zu dieser traurigen Vorstellung über Ulrike Meinhof geführt.
Ich versuche, sie mir in Talk-oder Spielshows vorzustellen - nein, es geht nicht, unmöglich.
Der Denkfehler des Autors (aus meiner Sicht):
Er vergisst, dass die Meinhof radikal und kompromisslos war, ihr eigenes Leben für "die Sache" nicht nur über den Haufen zu werfen, sondern sogar das Leben zu lassen. Ob es nun Selbstmord war oder nicht, sei dahingestellt.
Den Tod als letzte Konsequenz eines reaktionären Justiz- und Staatsapparats in Kauf zu nehmen, bedeutet bedingungslosen Freiheitswillen.
Darum ist sie tot --- und darum wäre sie niemals zu einem Wendemäntelchen geworden.