Guttenbergs unaufrichtiger Rücktritt
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Der heute vollzogene Rücktritt von Verteidigungsminister zu Guttenberg war überfällig und richtig. Die Art und Weise, in der Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Rücktritt vollzogen hat, ist jedoch schäbig. Selbst in seiner bittersten Stunde bleibt Guttenberg sich selbst treu und bestätigt seine Kritiker in ihren Vorwürfen. Von Einsicht, Demut oder gar Selbstkritik war in seiner Rücktrittsrede keine Spur. Stattdessen stellte sich zu Guttenberg einerseits als Opfer der Medien und andererseits als tapferer Dienstherr, der sich vor seine Soldaten stellt, dar. Dabei hat es den Anschein, als ob zu Guttenberg sogar selbst glaubt, was er da sagt. Er ist aber kein Opfer, sondern ein Täter. Er schützt mit seinem Rücktritt die Soldaten nur vor seinen eigenen Verfehlungen. Von Jens Berger
Wie passt es zusammen, wenn ein Verteidigungsminister, der in seinen „Glanzzeiten“ mit seiner Frau und dem „Hofberichterstatter“ Johannes B. Kerner nach Afghanistan fliegt, um dort PR-Arbeit in eigener Sache zu machen, sich nun darüber beschwert, dass die Medien seiner Person mehr Beachtung schenken, als den „toten Soldaten in Afghanistan“? Guttenberg nannte dies in seiner Rücktrittsrede eine „dramatische Verschiebung [...] auf dem Rücken der Soldaten“. In seiner Parallelwirklichkeit ist zu Guttenberg auch nur deshalb so spät zurückgetreten, weil es für ihn „gerade eine Frage des Anstandes“ gewesen sei, „zunächst die drei gefallenen Soldaten mit Würde zu Grabe zu tragen und nicht erneut ihr Gedenken durch Debatten über [seine] Person überlagern zu lassen.“
Wo war Guttenbergs Anstand, als es um die plagiierten Autoren ging? Wo war sein Anstand, als es um seinen – sicher zu gutgläubigen – Doktorvater ging? Hat der Baron nicht dadurch, dass er, der die mediale Debatte durch seine arroganten und dilettantischen Versuche, die Affäre auszusitzen, erst richtig befeuerte, nicht vielmehr die „Würde der gefallenen Soldaten“ beschädigt? Solche Fragen stellen sich für zu Guttenberg offenbar nicht, denn in seiner Welt ist nur er selbst Opfer. Alle anderen Menschen, die er getäuscht hat und denen er Leid zufügt hat, sind für ihn nur „Kollateralschäden“ seiner Eitelkeit.
Seine Inszenierung als Opfer setzte zu Guttenberg auch fort, als er die Berichterstattung der Medien anprangerte. „Die enorme Wucht der medialen Betrachtung meiner Person [...] aber auch die Qualität der Auseinandersetzung bleiben nicht ohne Wirkung auf mich selbst und meine Familie“, so zu Guttenberg. Was für ein seltsames Bild von den Medien in diesen Worten durchschimmert. Wer es nicht besser weiß, könnte glatt den Eindruck bekommen, als hätten die Medien aus einer Petitesse einen Skandal gemacht und damit dem aufrichtigen Politiker und vor allem – so etwas darf in solchen Reden nie fehlen – seiner Familie Schaden zugefügt.
Der Täter, der nach Ansicht der wissenschaftlichen Community betrogen hat, stilisiert sich zum Opfer. Doch Karl-Theodor zu Guttenberg ist kein Opfer der Medien; er ist vielmehr ein Opfer seiner selbst, ein Opfer seiner Realitätsverdrängung. Egal wie man es dreht – Guttenberg hat bei seiner Dissertation betrogen, entweder selbst oder durch den Einsatz eines Ghostwriters. Er hat auch die Öffentlichkeit betrogen, als er in der letzten Woche die Vorwürfe kleinredete und seinen Betrug als eine Art liebenswürdige Eselei darstellte. Wer sich selbst in diesem Kontext als Opfer darstellt, hat nicht verstanden, dass er selbst eklatant gegen Regeln und gegen den Anstand verstoßen hat. In der Rechtsprechung gibt es den Begriff „tätige Reue“. Von jeder Form von Reue ist bei zu Guttenberg jedoch nichts zu spüren. Er lebt in seiner eigenen Parallelwelt, in der er selbst ein tragischer Held und seine Kritiker die eigentlichen Täter sind.
Von Anfang an war es seine Krisenstrategie, die Affäre, wenn möglich, auszusitzen und als „linke Schmutzkampagne“ zu verkaufen. Die Medien – so sein Kalkül – würden nach wenigen Tagen die nächste Sau durchs Dorf treiben und der öffentliche Diskurs würde dann schon abebben. Doch zum Glück haben die alternativen und danach auch klassischen Medien in dieser Affäre nicht versagt. Das mag freilich auch an der gigantischen Fallhöhe der selbst inszenierten Lichtgestalt zu Guttenberg liegen. Erst als offenbar wurde, dass sowohl die Medien als auch die zivilgesellschaftlichen Kräfte die Causa Guttenberg nicht ad acta legen würden und auch innerhalb der Unionsparteien der erste Gegenwind aufkam, musste dem Baron klar geworden sein, dass sein Vabanquespiel nicht aufgehen konnte.
„Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht“, so zu Guttenberg in seiner Rücktrittsrede. Guttenberg setzte alles auf die Karte „Aussitzen“ und verlor. Da er aber nur noch alleine mit der BILD-Zeitung im Bunker saß und die kritischen Einschläge immer näher kamen, blieb ihm nur noch die Kapitulation.
Wer so wenig Einsicht in sein persönliches Fehlverhalten zeigt, hat sich auch eine „zweite Chance“ verbaut.
Kommentare 8
Gut analysiert und psychologisch "diagnostiziert". Allerdings glaube ich nicht an den simplen Realitätsverlust. Der Mann kennt die Realität, möchte sie aber zu seinem Vorteil verbiegen.
l.G.
Nicht Rücktritt: Eintritt!
Der Abgang des Freiherrn war so impertinent inszeniert, wie wenig von dem, was er sich davor erdreiste. Das Brimborium seines Abschieds, die selbstgerechte und überhebliche Rede, stellt wahrlich alles in den Schatten, was Guttenberg bis dato ablieferte. Sie war eloquent, gewiss - aber auch voll von Schuldabwälzungen und Verzierungen, die vom Tatbestand ablenken sollten.
So sucht er die Schuld für seinen Rücktritt nicht bei sich: er winkt die Medienlandschaft heran. Diese haben über seine Dissertation berichtet, nicht über die toten Bundeswehrsoldaten dieser Tage - weil dem so ist, braucht es einen neuen Verteidigungsminister, der aus der Stille heraus arbeitet. Ein Nachfolger muß nach dieser Lesart her, nicht weil der Vorgänger durch seine Betrügereien untragbar wurde, sondern weil die Medien zu viel über ihn als Person berichteten, was aber für das Amt des Verteidigungsministers untragbar sei - als seine Person mit positiven Aspekten die Schlagzeilen dominierte, störte er sich noch nicht an diesem Umstand. Andersherum mokiert sich Guttenberg zudem, habe man viel über die Gorch Fock berichtet, die Lage in Nordafrika sei dahinter verschwunden - hier wurde also das Handeln des Ministers zum Sujet der Medien, was ihm aber trotzdem nicht gefallen hat. Trefflicher ausgedrückt: die Medien, jedenfalls der größte Teil, tragen Schuld an seiner Entscheidung - hätten sie ihm freundlicher gesonnen berichtet, wären des Freiherrn Kräfte noch nicht aufgezehrt.
Die gesamte Rede strotzte von gefälligen Selbstzweifeln, die er süffisant im Raume verhallen läßt - denkerische Rhetorik, die Guttenberg zum kläglich gescheiterten Philosophenminister stempeln soll, zu einem, der zu sensibel, zu gescheit, zu nachdenklich für die Medienarena ist. Außerdem sei "Verantwortung" sein elfter Vorname - nur weil er Soldaten beerdigen musste, weil er sein Haus bestellen wollte, habe er am Sessel geklebt. Dergleichen kommt gut an in der Bevölkerung; man mag keine Machtbesessenen, kleben sie aber aus Verantwortungsgefühl heraus auf ihrem Posten, dann verehrt man sie. Und auch der Umstand, ein ganz klein wenig Schwäche zuzugeben, um seine Menschlichkeit, Allzumenschlichkeit zu unterstreichen, wird üblicherweise lohnend vergolten. Die Krone der ganzen Zumutung jedoch war, als Guttenberg sich bei der großen Mehrheit der Deutschen bedankte, die ihm angeblich vom Rücktritt abrieten - eine große Mehrheit, die eigentlich so nur bei der BILD-Zeitung stattfand. Aber als ein Minister, der durch BILD und mit BILD und in BILD zu seinen Meriten gelang, braucht man auch die Deutschen fernab der BILD-Zeitung nicht wahrzunehmen. Ein herzliches Dankeschön also an die fingierte Mehrheit aus dem Hause Springer!
weiterlesen: ad-sinistram.blogspot.com/2011/03/nicht-rucktritt-eintritt.html
Leute nicht ärgern – feiern! - Guttbye Minister Plagiator Plagiator
Ärgerlich, ja: Sein Rücktritt in Salamitaktik sei „eine Frage des Anstandes“ sagt er nun. Auf Anstand besteht er oft. Nur kurz kann er reden, ohne auf Anstand zu verweisen. Anstand, das sollte er bei seiner Erziehung aber wissen, ist zu allererst eine Frage des Charakters. So gemessen weiß Herr G. nicht wie man das Wort buchstabiert.
Feiern, aber ja – wer weiß wo? Let’s party
Das war kein Rücktritt sondern ein EINTRITT !
Roberto De Lapuente beschreibt es sehr anschaulich ad-sinistram.blogspot.com/2011/03/nicht-rucktritt-eintritt.html
Die Copy kommentiert mit Copy den Copy
Richtig, richtig - aber trotz und alledem - warum sollte man nicht einemal tief auf- und durchatmen und zwischendurch einmal daran denken -es gibt auch einen Grund zum Feiern! Der Fleiß der Netz-Community war nicht umsonst. Ohne diese Arbeit hätten wir befürchten müssen, Hr. G. bleibt nicht nur im Amt - nein, der Mensch könnte Kanzler werden. Fürs erste nicht mehr - also FEIERN!!!
Um dann mit neuer Kraft an die nächsten Aufgaben zu gehen.
nö nicht doch
bevor ich direkt unter Margareth Gorges Beitrag klicken konnte, kam mit Mandelbrot zuvor -
Wär auch egal, wärs diesmal nicht unnötig bitter
Die Person Gutenberg liegt doch schon seit Tagen darnieder. Was mich viel mehr empört, und was im Gutenbergtrubel vertuscht wird, ist für mich die Frage von Rechtsverständnis, Moral, Anstand und Glaubwürdigkeit der Verteidiger aus den politischen Lagern, Merkel und Co.. Es zeichnet sich für mich ein beunruhigendes Bild, wenn ich sehe wie, wie selbstverständlich die Gesetzgebenden und Gesetzgestaltenden Institutionen das Recht in unserem Land handhaben und auslegen.
Nicht nur Gutenberg sondern auch Merkel und Co. zeigen sich nicht würdig in solchen Positionen zu wirken und sollten ihre Rücktritte in Erwägung ziehen.