Wulff – ein Konservativer mit freundlichem Lächeln
Verantwortlich: Wolfgang Lieb |
In den NachDenkSeiten finden sich nur ganz wenige Einträge über Christian Wulff. Er wurde allenfalls nebenbei erwähnt, wenn er dem konservativen Mainstream folgend etwa Einsparungen bei der Rente forderte oder wenn er die Politik der Großen Koalition oder von Schwarz-Gelb verteidigte. Es ist bezeichnend, dass Wulff nie mit einer Idee aufwartete, die Anstoß war oder Anstoß erregte.
Wulff lächelt eigentlich immer und ist ständig ordentlich frisiert. Wenn er sich nicht hätte scheiden lassen, wäre er der Wunsch-Schwiegersohn deutscher Mütter. Auch als Ministerpräsident von Niedersachsen war er dem „Präsident“ in seiner Amtsbezeichnung immer näher als dem „Minister“. Viele haben seine Zukunft eher in einem Job in der Wirtschaft gesehen als auf dem Posten des Bundespräsidenten. Wolfgang Lieb
Dass Merkel Wulff der „Favoritin“ Ursula von der Leyen vorgezogen hat, ist ein Tribut an die Konservativen in der CDU. Wulff gehörte zum sog. „Andenpakt“ um Roland Koch und Günther Oettinger an und ist ein Garant für einen wirtschaftsliberalen Kurs. Auch die FDP fühlt sich bei ihm gut aufgehoben.Westerwelle bescheinigte ihm bei der Kandidatenkür einen „klaren inneren Kompass“ und auch Merkel lobte sein „klares Wertesystem“. Wenn Wulff versprach „Menschen zusammenzuführen“, dann ist klar, wohin sie geführt werden sollen. Wenn er den Menschen „Mut machen“ will, dann in der Weise, dass sie wieder Mut fassen zur schwarz-gelben Bundesregierung.
Zwei Frauen an der Spitze des Staates waren der Männerriege aus Süddeutschland zu viel. Und schließlich mussten auch die Katholiken in der Union endlich wieder bedient werden. Mit Wulff hat Merkel so ziemlich den letzten ernst zu nehmenden innerparteilichen Rivalen elegant ins Schloss Bellevue abgeschoben. (Es könnte allerdings sein, dass ihr mit der ziemlich mies beiseite geschobenen Ursula von der Leyen eine zähe Gegnerin erwächst.)
Wulff will sich bemühen, „den Menschen zu dienen“, den Wünschen der großen Mehrheit etwa für mehr sozialen Ausgleich, für mehr Gerechtigkeit, für einen gesetzlichen Mindestlohn, für die Abschaffung der Rente mit 67 oder für eine Umkehr der „Reformpolitik“ wird Wulff jedenfalls nicht dienlich sein.
Es ist so gekommen, wie zu befürchten war, Merkel hat das Amt des Bundespräsidenten zu einem Ehrenvorsitz für die CDU degradiert.
Ist die Nominierung von Christian Wulff alles andere als eine politische Überraschung, so ist die Nominierung von Joachim Gauck durch SPD und die Grünen als dessen Gegenkandidat durchaus eine.
Der frühere Stasi-Beauftragte und derzeitige Vorsitzende des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ war 1999 als Kandidat der CDU im Gespräch. Die konservative „Welt“ hält ihn auch prompt für die „bessere Wahl“.
Dass nun gerade die SPD auf Gauck kommt, ist schon erstaunlich. Es ist biografisch durchaus nachvollziehbar, dass der frühere Sprecher des „Neuen Forums“ gegenüber den früheren Peinigern in der ehemaligen DDR keinerlei Nachsicht entgegenbringen kann, so dass man oft den Eindruck gewinnen musste, als führe er einen persönlichen Rachefeldzug gegen jeden mit dem SED-Regime in irgendeiner Weise Verstrickten.
Dass nun aber gerade die SPD jemand als Gegenkandidaten benennt, der bis in die jüngste Zeit die eigenen Genossen – wie unlängst noch Matthias Platzeck – mit Vorwürfen mangelnder Vergangenheitsbewältigung überzog oder der früher Manfred Stolpe über Jahre unerbittlich mit Stasi-Vorwürfen verfolgte und der es zumindest zuließ, dass selbst Johannes Rau aus seiner Behörde in Stasi-Verdacht gebracht werden konnte, das ist ein politisches Signal dafür, dass die Sozialdemokraten ihren Kurs der Ausgrenzung der Linken mit aller Härte fortzusetzen gedenken.
Kommentare 9
Zwei Frauen an der Spitze des Staates das ist zuviel für die Herren in der CDU. Die Herren hätten glatt Minderwertigkeitsgefühle bekommen.
@Margareth Gorges
Eine ausgezeichnete Analyse! Ich schließe mich der Einschätzung an.
Größere Zwerge gesucht
Nun ist es also klar, was wohl von Anfang an nicht zu verhindern war. Wulff wird Bundespräsident. Krischan, Schwiegermutters Liebling und Brechmittel für alle echten Männer hat sein Endlager erreicht. Das er nicht Kanzler werden konnte, war wohl sogar ihm schon seit einiger Zeit klar. Ein derartiges Weichei war der Härte der Merkel nicht gewachsen. Da hatte er doch wirklich einmal kooperative Führung gefordert und Angelas Blick hatte ausgereicht um ihn sofort wieder in seine Ecke und unter die Kuscheldecke zu schicken.
In Niedersachsen hat er die Macht gleich freiwillig abgetreten. Das war klug, denn der bekennende Schottenrockträger und Junkfoodfan David McAllister hätte ihn sonst zwischen zwei Burgern mal eben mitverspeist. So hing der Wulff schon seit einiger Zeit zwischen Baum und Borke. Der Andenpaktler wirkte wie ein Lama an der Nordsee. Ziemlich verloren.
Aber nun wird alles wieder gut. Neue Frau, neuer Job, 200.000 Euro per Anno bis zum Lebensende, immer Fahrer, immer Dienstwagen und immer Security die man zum Einkaufen schicken kann. Vor allem aber kann er nichts mehr falsch machen. Er muss nur das tun, was er sein Leben lang gemacht hat. Einfach nichts. Das kann er gut, da hat er Übung.
Er wird sich auch nicht verquatschen. Er ist zu faul um die Dinge begreifen zu wollen. Er wird sagen, was man ihm aufschreibt und man wird ihm nur das aufschreiben, was er auch versteht. Die Welt wird einfacher dadurch. Wenn man die Dinge auf dem Niveau von Christian Wulff erklärt, wird sie sogar sehr einfach. Selbst die Welt der Bildzeitung ist weitaus komplizierter.
Dafür allerdings wird Deutschland einen glücklichen Bundespräsidenten haben. Auch wenn viele in den letzten Tagen den Wunsch nach größeren Zwergen geäußert haben, hat das System Merkel, wieder mal einen noch kleineren Zwerg geboren. Auf Angelas Ponyhof haben eben Streitrösser nichts zu suchen. Da passt der Wullf schon eher auf den Friedhof der Kuscheltiere. Und wenn er nicht passt, dann reißt sie ihm eben ein Beinchen oder Ärmchen aus. Aber er wird schon gehorchen.
Jetzt darf er erst einmal auf Reisen gehen. Antrittsbesuche machen. Da ist schnell ein Jahr oder mehr um und schließlich sind die Wegsten ja auch meistens die Besten. Sollte das deutsche Volk aufstehen, dann kann er immer mit sanftem Augenaufschlag behaupten, dass er doch nichts gemacht habe und dabei braucht er nicht einmal zu lügen.
Quelle: Duckhome
www.duckhome.de/tb/archives/8094-Groessere-Zwerge-gesucht.html
Impera et divide
Die Bundeskanzlerin entscheidet also darüber, wer Bundespräsident wird. Angela Putin hat ihren Medwedew benannt. Was Wulff für den Job qualifizert, ist sein Parteibuch. Sonst nichts. Es hätte durchaus schlimmer kommen können, aber es ist einfach lächerlich, wie in dieser Gurkenrepublik politische Ämter besetzt werden.
Getoppt wird die Entscheidung der Bundesführerin allerdings noch durch die Kandidatenkür der Mitmach-Opposition von Blassrötlich-Grün. Joachim Gauck spaltet den Rest jenseits von Schwarzgelb noch einmal. Der PdL ständig ihre ‘Stasi-Vergangenheit’ vorzuwerfen und dann Gauck ins Rennen zu schicken, ist ein starkes Signal für den Verzicht auf jede Machtoption und gleichzeitig die Ausgrenzung der Linken.
Ich habe nichts gegen Gauck persönlich, aber sollte ein Bundespräsident nicht einer sein, der die politische Spaltung wenigstens nicht verkörpert? Ist mit der Kandidatur womöglich noch die Farce verbunden, der Linken einen Strick zu drehen, wenn sie Gauck nicht wählen will?
Daß sich solche Fragen aufdrängen, belegt einmal mehr das Niveau, auf dem die hiesige politische Kaste durch die Landschaft rutscht. Kann man sich vorstellen, es fände sich eine, auch nur eine einzige politische Persönlichkeit, die für integer gehalten würde und die Menschen begeistern könnte? Oder wenigstens überzeugen? Ich weiß, ich verlange wie immer zuviel.
Quelle: Feynsinn
feynsinn.org/?p=3518
"Die Bundeskanzlerin entscheidet also darüber, wer Bundespräsident wird. Angela Putin hat ihren Medwedew benannt." - Wie hieß es doch bei uns früher: "Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen", das hat die gelernte DDR-Bürgerin sicher auch verinnerlicht, und diese laue Lavieren ist ja systemüberschreitend ...
Kein Gedanke daran, daß es eine integrative Persönlichkeit sein müßte, die das Amt ausfüllt (und die im Übrigen ja auch Köhler nicht war) - haben wir da niemand in unserem großen Land?
Bei allem Ärger über Gauck, aber Wulff wäre wirklich schlimm. Ein anderer blogger hat mal ein paar Nettigkeiten zusammengestellt:
"Nein, Wulff, der sich bei den Landtagswahlen 1994 und 1998 als Spitzenkandidat seiner Partei in Niedersachsen nicht gegen den damaligen Amtsinhaber Gerhard Schröder durchsetzen konnte, ist aus ganz anderen Gründen eine schlechte Wahl:
• Wullf wird zum sogenannten Andenpakt gerechnet, einer erzkonservativen Seilschaft innerhalb der CDU, zu der beispielsweise auch Günther Oettinger, Franz Josef Jung, Roland Koch, Friedrich Merz und Peter Müller zählen.
• Unter dem Ministerpräsidenten Wulff wurde in Niedersachsen die Lernmittelfreiheit abgeschafft.
• Wulff war auch dafür verantwortlich, dass die unabhängige Datenschutzaufsicht in Niedersachsen de facto beseitigt wurde und seitem in der Zuständigkeit des Innenministeriums liegt.
• Wulff verteidigte (siehe auch hier) noch im November 2008 in einer Fernsehsendung überzogene Managergehälter mit den Worten
Ich finde, wenn jemand zehntausend Jobs sichert und Millionen an Steuern zahlt, gegen den darf man keine Pogromstimmung verbreiten.
• Erst vor sechs Monaten geriet Wulff erneut in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass er bei einem privaten Ferienflug mit seiner Familie mit Air Berlin eine kostenlose Hochstufung in die teurere Businessklasse angenommen hatte. Erst nach den ersten Medienmeldungen sei ihm bewusst geworden, so Wulff damals, dass er das nicht hätte tun dürfen. Einen zusätzlich negativen Touch bekam die Sache auch, weil die Landesregierung auf eine Anfrage der SPD hin zugeben musste, dass Air Berlin von 2005 bis 2009 als Sponsor der Berliner Landesvertretung in Berlin aufgetreten war."
www.politblogger.eu/beamter-im-vorruhestand/
Hier anmutunddemut.de/2010/06/03/aus-schleim-gemeisselt wird's auf den kürzestmöglichen Nenner gebracht: 'Aus Schleim gemeißelt'
Zu ihrer Feststellun darüber, dass Joachim Gauck Hern Stolpe und Herrn Platzeck "verfolgt":
Das Land Brandenburg hat erst gezwungenermaßen nach der Aufstellung der "rot-roten" Regierungs-Truppe Ulrike Poppe als Beauftragte für die erstmalige Aufrabeitung Stasi-Unterlagen dieses Bundeslandes eingestellt. In der "Nachwende-Wärmstube" des Sozialismus wurde dieses bisher nicht für nötig gehalten. Warum sollte dazu Herr Gauck nichts sagen?
Allen bisherigen Brandenburger Regierungen (selbst als General Schönbohm in der Stillhalte-Koalition mit Hern Stolpe hier regierte) waren mehr als froh, dass kaum jemand dieses Thema bearbeitete. Ausser Marianne Birthler, die sich bekanntlich aus der ersten Landesregierung zurückzog aus den o.g. Gründen.
Passendes Foto dazu hier:
www.fixmbr.de/die-wahl-zum-bundespraesidenten-was-sich-jetzt-aendern-muss/