Vonovia - Expansion nach Frankreich?

Corona Das Wohnungsunternehmen sieht in Deutschland für sich „kein Umfeld“ mehr. Man setzt auf Liberalisierung des Wohnungsmarkts in Frankreich nach Corona

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Vonovia will aus Covid-19 Profit schlagen – für eine grenzenlose Solidarität der Mieter*innen!

Das größte Wohnungsunternehmen mit Sitz in Deutschland, die Vonovia SE, mit insgesamt 400.000 Wohnungen, will in andere europäische Länder, besonders nach Frankreich, expandieren.

Während die französische Bewegung DROIT AU LOGEMENT mit Unterstützung vieler weiterer Organisationen an diesem Samstag in Paris gegen Zwangsräumungen, für mehr sozialen Wohnungsbau und gegen den Verkauf von Sozialwohnungen auf die Straße geht, spekuliert Vonovia auf eine Liberalisierung des französischen Wohnungsmarkts.

Denn nur so könne das Unternehmen, wie u.a. das Handelsblatt nach einem Interview mit Vorstandschef Rolf Buch im Juni dieses Jahres meldete, seine Expansionspläne umsetzen.

In Deutschland ist Vonovia nicht nur deshalb bekannt und berüchtigt, weil es als erstes Wohnungsunternehmen im DAX gelistet wurde, sondern vor allem wegen seiner rücksichtslos ausbeuterischen Renditestrategie.

Diese besteht zum einen darin, Wohnungen zu modernisieren und die Kosten dafür auf die Mieten umzulegen (7% der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete), wodurch die Mieten oft sehr stark ansteigen. Notwendige Reparaturen und Instandhaltungen werden dagegen oft verschleppt, die Erreichbarkeit der Verwaltung durch Callcenterisierung erschwert. Nebenkostenabrechnungen sind oft falsch oder nicht nachvollziehbar. (Dazu muss man wissen, dass das deutsche Mietrecht zwischen Modernisierung und Instandsetzung unterscheidet: Während nach Modernisierungen die Mieten erhöht werden dürfen, ist das bei Instandsetzungen nicht der Fall.)

Seine Aktionäre kann der Konzern dagegen hervorragend bedienen: Der Ertrag stieg im abgelaufenen Geschäftsjahr um 7,7% auf 1,2 Milliarden Euro, davon werden 70% oder 851 Millionen Euro an Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet. Die Aktie des Unternehmens hat nach einem kurzen Einbruch im Zuge von Corona derzeit wieder ein Allzeit-Hoch erreicht, wie es im Aktionärs-Jargon heißt.

Es gibt in Deutschland eine seit Jahren immer stärker werdende Mieter*innenbewegung. Sie schöpft ihre Kraft vor allem aus der Breite der Bewegung, der Vielzahl der Initiativen und Aktionsformen. Auch Vonovia-Mieter*innen protestieren gegen schlechte Bedingungen und zu hohe Mieten. In Berlin gibt es ein Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen. Kommunaler Wohnungsbau und Aufkauf von Wohnungen durch die Kommune sind Themen, die besonders in Berlin stark diskutiert werden.

Auf den wachsenden Widerstand der Mieter*innen musste schließlich auch die Politik reagieren. So wurde 2019 die Umlage der Modernisierungskosten eingeschränkt, die Mieterhöhung bei Neuvermietung begrenzt, die Mietspiegelberechnung leicht nach unten korrigiert. In Berlin, wo sich gut 10% der Vonovia- Wohnungen befinden, wurden die Mieten für 5 Jahre eingefroren, ggf. nach Reduzierung auf Höchstwerte („Mietendeckel“). Bei etwa einem Drittel der Vonovia-Mieter*innen wurde daraufhin die Miete reduziert. Allerdings klagen CDU und FDP vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Berliner „Mietendeckel“, so dass die Mieter*innen nun in der Ungewissheit leben, ob sie eventuell eine große Summe nachzahlen müssen.

Bei Vonovia und anderen Unternehmen zeigt der Widerstand der Mieter*innenbewegung Wirkung. „Wir müssen feststellen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für den bisher eingeschrittenen Weg nicht mehr gegeben ist“, erklärte Vorstandschef Rolf Buch. Und selbst wenn das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel für unwirksam erklären sollte, hält Buch „eine Rückkehr zur Situation von vorher für nahezu ausgeschlossen“, denn er erwarte „weiteren politischen Druck“. Die Leute, die in Berlin auf die Straße gegangen seien, die das Volksbegehren angestoßen hätten, denen könne die Politik nicht einfach sagen, das war umsonst. „Es wird etwas passieren müssen“. Auch die Übernahmepläne des zweiten im DAX gelisteten Wohnungsunternehmens, der Deutsche Wohnen AG, die Vonovia seit einiger Zeit verfolgt, liegen in dieser Situation auf Eis.

Ein schöner Erfolg der Mieter*innenbewegung, die der Kapitalakkumulation hier erfolgreich Sand ins Getriebe wirft.

Aber Unternehmensstrategen haben dank unserer Mietzahlungen einen langen Atem und denken weiter. Und da kommt ihnen Covid-19 gerade recht.

Aus Codid-19 Profit schlagen – Einstieg ins Frankreich-Geschäft

Während viele Mieter*innen wegen wegfallender Einkommen während der Corona-Pandemie große Schwierigkeiten haben, ihre Mieten zu zahlen, schmälert dies die Gewinne von Vonovia laut Vorstandschef Buch kaum.

Im Gegenteil will sich das Unternehmen Covid-19 für die Expansion in andere europäische Länder, insbesondere für den Einstieg in das seit längerem anvisierte Frankreich-Geschäft zunutze machen. Dabei spekuliert man auf leere öffentliche Kassen in Frankreich durch Corona. „Bislang sei der französische Markt in Teilen noch nicht für ausländische Investoren geöffnet, die Coronakrise habe die Dinge aber vielleicht verändert“, wird Vorstandschef Buch wiedergegeben. „Vielleicht kommt man dann auch in Frankreich zu dem Schluss: Es ist gut, wenn wir jetzt einen privaten Partner an unserer Seite haben.“ Um dieses Ziel zu erreichen, müsse der französische Wohnungsmarkt aber erstmal liberalisiert werden.

Nach Covid-19 verschuldete öffentliche Haushalte sollen also durch Wohnungsprivatisierung saniert werden: Corona als Beschleuniger von Liberalisierung und Ausbeutung. Steigende Mieten, mehr Wohnungsnot, Gewalt und Obdachlosigkeit – Vonovia- Aktionäre als Profiteure.

Eine Art von „Krisenbewältigung“, die typisch wäre für kapitalistische Verhältnisse. Dagegen hätte eine egalitäre Gesellschaft mit einer humanen Verteilung der vorhandenen Ressourcen, in die sich Alle gleichermaßen mit ihren Bedürfnissen einbringen könnten, dieses Problem mit Covid-19 nicht. Denn faktisch reichen die vorhandenen Ressourcen bei weitem aus, um alle Menschen gut zu versorgen. Im Kapitalismus aber schafft eine Krise wie Covid-19 zusätzliche Ungerechtigkeit und Not.

Es wäre schön, könnte eine internationale Mieter*innenbewegung in einigen Jahren zurückblicken und sagen: Wer war Vonovia? Als Vonovia nach Frankreich kam, war der Widerstand schon da – denn die Solidarität der Mieter*innen ist grenzenlos!

Einen kraftvollen Aktionstag - und viele weitere - den französischen Genossinnen und Genossen!

https://www.droitaulogement.org/2020/06/17109/

https://www.welt.de/regionales/nrw/article209664763/Vonovia-Nach-Corona-bessere-Chancen-fuer-Frankreich-Einstieg.html

https://www.handelsblatt.com/finanzen/immobilien/bilanzcheck-vonovia-macht-stabile-geschaefte-trotz-corona-pandemie/25953168.html

https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/keine-grossen-folgen-vonovia-aktie-steigt-kaum-mietausfaelle-bei-vonovia-wegen-corona-mietnachforderungen-in-berlin-eher-unwahrscheinlich-9023177

https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/wegen-fehlender-akzeptanz-vonovia-will-weniger-modernisieren/23725072.html

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden