Die lebende Kellnerin

BERUFE Dingsbums ist die schlechteste Arbeitskraft, nich, hat letzte Woche zwei Gläser zerschlagen, nich. Einfacher Grappa wurde bestellt, Dingsbums gießt ...

Dingsbums ist die schlechteste Arbeitskraft, nich, hat letzte Woche zwei Gläser zerschlagen, nich. Einfacher Grappa wurde bestellt, Dingsbums gießt doppelt ein, nich. Geschäftsschädigend, nich ... neulich: Weinflasche zertöppert! So redet U...U...Uschi, meine Feindin äh Kollegin.

Dingsbums ist die schlechteste irgendwie, hat letzte Woche zwei Gläser irgendwie. Der doppelte Grappa, die Weinflasche irgendwie. Schade, dass Dingsbums getö... also uns verlässt, aber irgendwie bin ich dafür. So redet Ulla, oder wie die heißt. Hallo, Ihre Rechnung!

Es geht um die Einsparung eines Gehalts, eine Servicekraft muss weg. Dingsbums ist die Schwächste. Musik! Hab ich mich erschrocken, ich dachte, die Musik ist aus! Vor Dingsbums wurde U...Uta, glaub ich, getötet, weil die zu alt war, und davor wurde die mit den Pickeln getötet, denn mit ekligem Hautekzem kann man nicht im Service arbeiten.

Dingsbums war krankgeschrieben, jetzt ist sie wieder da, aber, pscht, Gerücht: Sie hat Krebs. Das wirkt sich ungünstig auf den Arbeitgeber aus. Tisch drei will zahlen. Getrennt? Getrennt! Frag nicht, sparst du ein Wort. Krombacher oder Jever? Mit oder ohne Sahne? Obatzta ist eine Spezialität aus Bayern, eine Mischung aus Camembert, Butter, Gewürzgurke, Zwiebeln, Kümmel. Obatzta. Kommt aus Bayern, eine Mixtur aus Camembert, Butter, Gewürzgurke, Zwiebeln, Kümmel. Nennt sich Obatzta, eine bayerische Spezialität, kommt aus ... nennt sich Obatzta, kommt aus Bayern, Camembert, Kümmel, Zwiebeln, eine Spezialität aus Bayern, nennt sich Obatzta, O...B...A...T...Z...T...A. Die Musik ist zu leise. Bin ich Dingsbums? Ich bin eine Servicekraft, die an der Dienstversammlung teilnimmt. Ich fühle nichts, obwohl das kein Film ist. Konzentration! Sonst platzt die Blase, und dein Verstand läuft aus wie ein Pissfleck. Ich muss mich konzentrieren, aber ich weiß immer nicht, worauf. Mittwochs ist immer Dienstversammlung, ein stinkender Berg hockt im Raum. Anwesend: Uschi, Ulla, Uta, Ute, Ursel, Ulli. Fehlt: Inge. Hat eben angerufen, hat Durchfall. Da ruft man doch nicht zehn Minuten vor Schlacht- äh Schichtbeginn an, sondern mindestens eine Stunde vorher. Wohl Arbeitsvertrag nicht gelesen! Thema 1: Die Küchenhilfe hat die Putzfrau beobachtet, wie sie ein Geschirrhandtuch zum Putzen benutzte. Putzgabi nimmt Geschirrhandtücher zum Putzen, waaaaas? Die Geschirrhandtücher werden zum Gläserpolieren verwendet, nicht zum Putzen! Uschi hat Putzgabi erwischt, wie sie mit einem Geschirrhandtuch die Tür putzte. Die Putz-frau ... be-nutzt ... die Geschirrhandtücher zum PUT-ZEN??!!

Puuuutzgaaaaaabiiiiii!

An die Wand, Putzgabi! Genickschuss. Einsparung des Putzfrauengehalts. Die anderen atmen auf, dass sie es nicht sind, die erschossen werden. Ich stürze in die Gelegenheit, in den Riesenarsch der Geschäftsführung zu kriechen: Wasser ins gelbe Eimerchen, Schrubber, Blut wegwischen, weil ja nun keine Putzfrau mehr da ist. Ich bin so geübt im Blutwegwischen. Die Geschäftsführung erwartet nun Vorschläge, wie man die Arbeitsbedingungen verschlimmern kann. Da muss man raffiniert sein. Die Küchenhilfe mit der weißen Haube glotzt mich aus Versehen an, während sie vorschlägt, Rauch quillt aus ihrem Mund und den Nasenlöchern, huuuuuh, wie ich erschrecke, wenn ich einem Menschen in die Augen sehe. Ich lächle sie an wie einen Feind. Die Angst trägt mein Lächeln als Kostüm. Steht fest, wer getötet werden soll? Ja, es muss aber noch abgestimmt werden wegen der Demokratie.

Wo ist der Sahnesprüher? Ich zucke die Achseln. Lauter: Hast du den Sahnesprüher gesehen. Ich schüttle den Kopf, der Sahnesprüher scheint mich nicht mehr zu interessieren, warum nicht, warum nicht, warum nicht, warum nicht, warum nicht, warum nicht? Skandal - es juckt Dingsbums nicht, dass der Sahnesprüher weg ist, die ist durchgeknallt. Ich räume die Flaschen aus dem Kühlschrank, putz den Kühlschrank! Ich hasse Flaschen, kalter Hass. Ein Krombacher und einen Wodka hatte Nummer 53 bestellt. Mit oder ohne Sahne? Im Becher, im Glas oder in der Schale? Mit wenig, viel oder ohne Kohlensäure? Milch, Zucker? Ich ... kann mich nicht konzentrieren. Wen habe ich heute getötet? Wessen Blut habe ich weggewischt? Ohne Milch mit Zucker? Ohne Zucker mit Milch? Ich höre das Rauschen, mit dem die Gäste die Hände mit dem Geld ausstrecken. Einen Obstschnaps! Obstschnaps! Obstschnaps interessiert mich nicht. Ich höre meine Gedanken wie Ratten auf dem Dachboden rascheln. Ist die Musik zu laut? Ulla hat mich im Büro verpetzt, weil ich die Schürze nicht umgebunden habe.

Mit einer Verbeugung ziehe ich den geleerten Teller von Tisch fünf. "Waren Eure Majestät zufr ...?" Nein! Der Apfelstrudel war viel zu süß! Schweißausbruch.

"Ein Cappuchinolein zur Besänftigung ... ein Mökkalein?" Ich hielt den Teller mit der blutigen Sahne.

"Lächeln!" die Geschäftsführung prügelte mit dem Schlagstock auf mich ein, "lächle! Ich bemühte mich ja, zu lächeln, aber das bemerkte sie nicht, sie hatte kein Feingefühl. Ich schwimme lächelnd auf die Gäste zu, ich sehe die Herzen von Angst wimmeln wie von Würmern. Mein Lächeln schreit ununterbrochen Werbung für meinen Gehorsam. Dass ich stillhalte, ist mein einziger Stolz, dass ich aushalte. Ich schwimme zum Recorder, drehe die Musik lauterleiserlauter, die Musik darf nie ausgehen, sonst herrscht Stille! Wer wird heute getötet? Natürlich die Schwächste. Bin ich das? Ich schwimme zu den Tischen und glotze, die wissen ja, warum ich glotze. Ich habe nie eure nackten Blicke gesehen. Höre die Tür ins Schloss fallen. Hallo Putzgabi! Ach, nein, Kochgabi! Die wurde auch erschossen. U. wurde entlassen, und Kochgabi wurde entlassen, und Putzgabi wurde entlassen, und die Krebskranke wurde entlassen, eine Weile, bevor sie starb. Hinter der großen Fensterscheibe, gegen die der Regen fällt, ist mein Arbeitsplatz, hier giere ich nach dem Feierabend, heute, morgen, am Tag darauf und am Tag darauf und am Tag darauf und am Tag darauf und am Tag darauf und am Tag darauf und am Tag darauf. Die Geschäftsführung rief die Schwächste ins Büro. Ich band die Schürze ab, damit ich besser rennen konnte. Mein Körper krachte in die Fensterscheibe. Die Fische rissen die Augen auf. Blutsplitter, Glastropfen. Der Sachschaden ging in die Tausende. Wer wird mein Blut spurlos wegwischen?

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