Dublin-Verfahren vor dem Ende?

Asyl Das EU-Parlament will das sogenannte Dublin-Verfahren ändern: Wahlrecht der Schutzsuchenden und ein festes Verteilungsverfahren sind wesentliche Elemente der Initiative

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Wie unüberwindbar bleiben die EU-Binnengrenzen für Geflüchtete? Darüber wurde im EU-Parlament diskutiert
Wie unüberwindbar bleiben die EU-Binnengrenzen für Geflüchtete? Darüber wurde im EU-Parlament diskutiert

Foto: Giuseppe Cacace/AFP/Getty Images

Am Donnerstag ist eine wichtige Sitzung des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) im Europäischen Parlament mit einer bahnbrechenden Abstimmung zu Ende gegangen. Mit 43 gegen 16 Stimmen wurde ein Gesetzesentwurf verabschiedet, der eine wesentliche Abänderung des bisherigen Modells bedeuten würde.

Bislang ist grundsätzlich das Land innerhalb der EU für ein Asylverfahren zuständig, das ein Einreisevisum ausgestellt hat oder das von dem Asylsuchenden faktisch zuerst betreten worden ist. Das hat zu Ungleichgewichten geführt, die Hauptverantwortung wurde in der Praxis auf 6 von 28 Mitgliedstaaten in 80% aller Asylverfahren konzentriert, unter ihnen Malta, Italien, Griechenland und Spanien an der Außengrenze der EU.

Die Änderung stellt dagegen zunächst auf den Bezug ab, die ein Asylsuchender zu einem bestimmten Land hat. Das können Verwandte sein, die dort leben, aber auch ein früherer Ausbildungsaufenthalt. Erst wenn feststeht, dass es keine Bezugspunkte gibt, erfolgt eine Verteilung nach zentralem Schlüssel auf die EU-Mitgliedstaaten, wobei der Asylsuchende seine Präferenz unter vier Ländern ausdrücken soll können.

Auch wenn die Initiative zur Neuregelung bereits 2016 eingeleitet wurde: Sie enthält auch eine Antwort auf ein Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 6.9.2017.

In dem Verfahren hatten sich Ungarn und die Slowakei gegen den Beschluss des EU-Rates vom September 2015 gewandt, mit dem eine nachträgliche Umverteilung von Flüchtlingen, die sich in Italien und Griechenland befinden, beschlossen worden war.

An der Seite der beiden Staaten war Polen mit der Begründung interveniert, dass die „ethnische Homogenität“ eines Aufnahmelandes nicht berücksichtigt werde.

Die parlamentarische Initiative zielt jetzt darauf ab, derlei Argumente mit einem Votum im Rat endgültig die Grundlage zu entziehen.

Das Wort haben jetzt die Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten

Das aber ist gleichzeitig die entscheidende Hürde. Denn zur Abänderung der geltenden Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III“) bedarf es eines Konsenses innerhalb des Rates und damit der Regierungschefs der Mitgliedstaaten. Donald Tusk hat sich schon im Vorfeld skeptisch geäußert. Es mache wenig Sinn, meinte der Ratspräsident, auf einer Verteilung nach Quoten zu beharren, wenn Staaten im Osten Europas sich dagegen stellten.

Gianfranco Schiavone ist ebenfalls pessimistisch. Der Vizepräsident einer italienischen Studiengruppe zum Migrationsrecht geht davon aus, dass politische Auseinandersetzung völlig offen sei, nachdem die Mitgliedstaaten sich gegenseitig blockieren würden. „Das Problem ist“, so Schiavone, „dass die Gegner der Prozedur selber keinen Gegenvorschlag haben, so dass die Debatte außerordentlich unfruchtbar ist“.

Anders sieht es die Berichterstatterin des Ausschusses, die EU-Parlamentsabgeordnete Cecilia Wikström aus Schweden. Sie verweist darauf, dass das Parlament einmütig die Reformbedürftigkeit des Dublin-Verfahrens erkannt habe. Dazu gehöre auch, dass die Verantwortung für Flüchtlinge und Asylberechtigte fair auf alle verteilt werde: „Wir sollten ein System haben, das egal ob bei starker oder schwacher Zuwanderung funktioniert, so dass wir keine Notmaßnahmen mehr treffen müssen“.

Auch Cécile Kyenge gibt sich zuversichtlich. Es sei eine lange, harte und sehr ernsthafte Arbeit aller Fraktionen des Parlaments gewesen, sagte die italienische Abgeordnete und frühere Integrationsministerin. Das Ergebnis sei fraktionsübergreifend zustande gekommen und damit mehr als ein ermutigendes Zeichen, ein Signal. Tatsächlich haben für den Entwurf die Vertreter der großen Fraktionen der Konservativen, der Sozialdemokratie, der Liberalen und der Grünen gestimmt.

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Geschrieben von

Marian Schraube

"Dem Hass begegnen lässt sich nur, indem man seiner Einladung, sich ihm anzuverwandeln, widersteht." (C. Emcke)

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