Erneuter Überfall auf die "Golfo Azzurro"

Flucht Gestern Abend ist das Rettungsschiff von Proactiva Open Arms zum zweiten Mal in zehn Tagen einem Überfall der sogenannten libyschen Küstenwache ausgesetzt gewesen.

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Um 18:34 Uhr setzte die „Golfo Azzurro“ eine Notmeldung per Twitter ab. Ein bewaffnetes Patrouillenboot der sogenannten libyschen Küstenwache

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hatte wie schon die Woche zuvor das Rettungsschiff der spanischen „Proactiva Open Arms“ angehalten und mit Beschuss gedroht. Die in Spanien beheimatete Organisation teilte die genaue Position des Vorfalls mit:

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Demnach erfolgte der Übergriff deutlich außerhalb von libyschem Küstengewässer und der Anschlusszone und damit in internationalen Gewässern.

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Mit an Bord der „Golfo Azzurro“ war ein Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters, Yannis Behrakis.

Deren Bericht zufolge hat eine Person an Bord des libyschen Patrouillenbootes auf Englisch abermals mit Beschuss gedroht:

"Seit Monaten fahren Sie in unserem Gewässer, und ihr Verhalten verletzt die libysche Souveränität. Wir fordern sie daher auf, ihren Kurs in Richtung des Hafens von Tripolis zu ändern. Wenn sie den Befehl nicht sofort befolgen … werden wir auf sie zielen."

Nach Auskunft von Open Arms dauerte die Situation zwei Stunden an, bevor die Golfo Azzurro wieder Richtung Norden fahren konnte.

Die Fotografien von Behrakis erlauben es nun, das Patrouillenboot näher zu identifizieren. Auch wenn es keine Hoheitszeichen trägt, ist es als älterer Typ der Klasse Bigliani erkennbar. Einige dieser Boote waren bereits im März 2009 von der damaligen italienischen Regierung Berlusconi an Muammar al-Gaddafi zum Geschenk gemacht worden.

Ein Akt der Piraterie mit italienischer Beteiligung?

Wegen der Wirren des ersten libyschen Bürgerkrieges wurden sie wieder nach Italien ausgelagert. Im Hafen von Capo Miseno bei Neapel lagen 4 Schiffe dieses Typs über Jahre an einer Mole vertäut. Die italienische Presse sprach von „Geisterschiffen“

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Im November 2016 kündigte die italienische Verteidigungsministerin Roberta Pinotti an, die Schiffe wieder in seetüchtigen Zustand zu versetzen und sie der „Regierung der nationalen Einheit“ in Tripolis zu überantworten. Die Ausbildung der Seemannschaften sollte von der italienischen Marine im Rahmen der „Operation Sophia/Eunavfor Med“ erfolgen.

Am 2. Februar 2017 folgte die Unterzeichnung eines „Memorandums of Understanding“ zwischen Italien und der libyschen „Regierung der nationalen Einheit“ unter anderem „zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung“. In dessen Vollzug wurden die generalüberholten vier „Geisterschiffe“ der libyschen Seite im Mai in einer Feierstunde im Hafen von Abu Sitta übergeben.

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Die militärische Registernummer „654“ weist das Schiff als eines der vier aus, die der italienische Innenminister Marco Minniti ausgehändigt hat.

Piraterie wird verstanden als „jede rechtswidrige Gewalttat oder Freiheitsberaubung auf Hoher See gegen ein anders Schiff oder gegen Personen an Bord dieses Schiffes“. Seeräuber sind danach „die Besatzung eines privaten Schiffs“, während „Kriegsschiffe auf Hoher See vollständige Immunität“ genießen. So besagt es das Internationale Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen. Offen bleibt die Frage: Nachdem zur Stunde niemand in Tripolis von dem Überfall informiert zu sein scheint, wer befiehlt tatsächlich über die „654“?

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Geschrieben von

Marian Schraube

"Dem Hass begegnen lässt sich nur, indem man seiner Einladung, sich ihm anzuverwandeln, widersteht." (C. Emcke)

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