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Waffenlieferungen Ein Beitrag zur Somalisierung der Welt

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Ein tiefes Unbehagen wird höchstens Angela Merkels Gesicht formulieren, wenn sie die Waffenlieferungen genehmigt
Ein tiefes Unbehagen wird höchstens Angela Merkels Gesicht formulieren, wenn sie die Waffenlieferungen genehmigt

Bild: ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images

Die Überschrift drückt bereits ein Unvermögen aus: Wer sollte Krieger und ihr blutiges Handwerk aufhalten, der nicht selbst über die durch ein Werkzeug verliehene Macht verfügt? Wenn im Jahr Hundert nach der sogenannten Urkatastrophe etwas gelernt werden kann, dann das: Die Spitzen von Gewehren sind in der Praxis nach wie vor ein bestürzend ultimatives Argument.

Das wird auch der Tenor heute Nachmittag im Bundestag sein, wenn Kanzlerin Angela Merkel die Entscheidung der Bundesregierung offiziell begründet, warum sie Waffenlieferungen in Krisengebiete genehmigen wird. Man wird sich fragen dürfen, warum das Parlament überhaupt damit befasst wird. Denn die Prärogative liegt laut Kriegswaffenkontrollgesetz ausschließlich bei der Exekutive.

Die parlamentarische Aussprache, die gerade einmal auf 2 Stunden angesetzt ist, hat vor allem Alibifunktion. Denn so kurz die Redebeiträge notgedrungen sein werden: Es werden sich immerhin Stimmen erheben, die ein tiefes Unbehagen formulieren. Waffen an Peschmerga („die dem Tod ins Auge sehen“) auszuhändigen, rührt bereits an dem grundsätzlichen Verbot von Lieferungen, „wenn die Gefahr besteht, dass sie bei einer friedensstörenden Handlung verwendet werden“. Kurden werden aber, und das ist die außenpolitische Auslegung, ihrerseits etwa an der Grenze zum NATO-Partner Türkei als Bedrohung angesehen.

Nur wenig Beachtung wird voraussichtlich finden, dass die Entscheidung der schwarz-roten Regierung hauptsächlich ökonomischen Prinzipien folgt. Auf sie hat etwa Markus Kaim in einem Beitrag für den Tagesspiegel vom Juni 2013 vorausschauend aufmerksam gemacht. Für die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik meint Kaim, dass es „auf absehbare Zeit keine Mehrheiten für weitere große Auslandseinsätze“ geben werde, „die als teuer, wirkungslos und daher verzichtbar wahrgenommen werden“.

Dass aus der Eigenperspektive Deutschlands die schiere Waffenlieferung einschließlich etwaiger Instruktoren der minderschwere Beitrag wäre, steht außer Frage. Aber diese Sichtweise vermag nicht zu erklären, warum es überhaupt angezeigt ist, eine Kriegspartei zu bewaffnen.

Diejenigen, die die Frage abschlägig beantworten würden, sind im Vorfeld bereits zur Ordnung gerufen worden. Mit Wendungen wie -> „Pazifismus kann tödlich sein“ wurde an ihr Verantwortungsbewusstsein appelliert, dass auch ein Unterlassen Völkermord verursachen könne. Dieser Zirkelschluss, der sich auf kausale Erwägungen bezieht, eine Handlungspflicht aber nur postuliert statt sie zu begründen, ist schon die Einnahme des simplen militärischen Standpunktes: Wer nichts tut, befindet sich bereits in der Defensive. Sich selbst also die bewaffnete Option offen zu halten, ist auch in diesen Kreisen selbstverständlich, vor allem wenn gleichzeitig daran -> erinnert wird, dass materieller Gewalt nur mit materieller Gewalt begegnet werden könne – diese Pistole will sich offensichtlich niemand aus der Hand schlagen lassen.

Carlo Schmid, nationale Souveränität und die Ökonomisierung des Krieges

Es wäre also obsolet, daran zu erinnern, wie die VerfasserInnen des Grundgesetzes das erstmals in einer Grundordnung aufgenommene Friedensgebot in Artikel 26 I Grundgesetz verstanden wissen wollten. Dass also ein den Krieg überlebender Carlo Schmid „ein Stück weiter gehen“ wollte: „Wir sollten damit unsere Meinung zum Ausdruck bringen, dass in einem geordneten Zusammenleben der Völker das, was man früher als die ultima ratio regum, als das Souveränitätsrecht der Souveränitätsrechte ansah, schlechthin keine Stätte mehr haben soll, dass, wenn schon Gewalt ausgeübt werden muss, diese Gewalt nicht als nationaler Souveränitätsakt ausgeübt werden soll, sondern als Akt des kollektiven Selbstschutzes aller Nationen, die dafür sorgen, dass auf der ganzen Welt der Friede erhalten bleibt und es Angreifern unmöglich gemacht wird, den Frieden zu stören.“

Mit der heutigen Aussprache im Parlament wird diese Republik tatsächlich einen Schritt weiter gegangen sein und zwar zurück: Mit der Bewaffnung der Peschmerga als autochthone Hilfstruppen westlichen, insbesondere deutschen Demokratieverständnisses wird die Entwicklung von den „Askari“ der Kolonialzeit bis zu den Stellvertreterkonflikten des sogenannten Kalten Krieges in einem zusammengefasst – die Hardware und damit die direkte Verantwortung an die unmittelbar Ausführenden abgeben. Das hat weder mit der Bewaffnung von Siad Barre in Somalia funktioniert noch mit der der Mudschaheddin in Afghanistan: Beide stehen heute als Paradebeispiel sogenannter failed States.

Aber selbst mit den Folgen will diese Republik nichts mehr zu tun haben. Denn die Aufnahme von Flüchtlingen, obwohl unabweisbare wie selbst erlebte Folge von Krieg und nun aus jenen „Krisengebieten“ stammend, will ein deutscher Innenminister mit aller Macht verhindern. Er verfügt dabei über ein umfängliches juristisches Arsenal, an dessen Spitze die Kriminalisierung des vor dem Krieg Fliehenden steht: Asyl, das vormalige Menschenrecht, ist zu einem schieren Rechtfertigungsgrund verkommen, dass Kriegsopfer nicht gemäß § 95 Aufenthaltsgesetz wegen illegalen Grenzübertritts zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe verurteilt werden.

Es ist nicht bekannt, dass dies, trotz Brisanz und Aktualität, Gegenstand der heutigen Erörterung oder die Kausalität des Krieges Thema einer Regierungserklärung wäre. Zur Debatte steht vielmehr schlicht und legalistisch die Rechtwidrigkeit deutschen Regierungshandelns. Sie wird, moralisch verbrämt, entlang des Tatbestandsmerkmals geführt werden, was eine „friedensstörende Handlung“ ist. Und sie wird im Ergebnis als „humanitär“ verkleiden, was an unseren Außengrenzen täglich inhuman praktiziert wird – das Statut, mit dem ab heute Deutschland eine Mittelmacht ist, die aus eigener Räson und Vollkommenheit im Kreis der Mandanten von Stellvertreterkonflikten aufgenommen sein wird. MS

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Marian Schraube

"Dem Hass begegnen lässt sich nur, indem man seiner Einladung, sich ihm anzuverwandeln, widersteht." (C. Emcke)

Marian Schraube

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