Wundertüte Zeitung vs. analytischer Newsroom

PR + Journalismus Die Veranstaltungsreihe „PR trifft Journalismus“ diskutierte das Verhältnis von Journalismus und Newsrooms

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Journalisten gelten klassischerweise als die Gatekeeper im Informationsfluss. Um diesen Türsteher zu umgehen, richten sich immer mehr Unternehmen eigene Newsrooms ein, um ihre Botschaften medial zu platzieren. Das sorgt nicht selten für Konflikte. Und diesen widmete sich die Veranstaltung „PR trifft Journalismus“ am 30. Juni 2020 bei ALEX Berlin. Es debattierten Christian Achilles, Co-Leiter des Newsrooms der Sparkassen-Finanzgruppe, Claudia Bockholt, stellvertretende Chefredakteurin Badische Neuste Nachrichten (BNN) und Ralf Drescher, Head of Newsroom Deutsche Bank AG. Die Runde moderierte Johannes Altmeyer, Redaktionsleiter Newsletter bei Media Pioneer.

Wie ein unternehmenseigener Newsroom aussieht und welche Funktionen er innehat, das beschrieb Ralf Drescher in seinem Impulsvortrag. Als Leiter des Newsrooms der Deutschen Bank AG, sieht er die Aufgabe des Corporate Newsroom darin, auf verschiedenen Kanälen Informationen zu bündeln und dabei möglichst alle Zielgruppen anzusprechen. Gleichzeitig ginge es darum, durch strategisch und nachhaltig platzierte Themen ein positives Bild der Bank in den Medien zu stärken. Doch das neue Format habe auch seine Schwächen. Investigative Recherchen oder schnelle exklusiv Nachrichten könne es nicht leisten. „Wir brauchen Journalisten, die uns den Spiegel vorhalten“, so Drescher.

Doch es sind nicht nur Unternehmen, sondern auch Verlage, die sich Newsrooms eingerichtet haben. Claudia Bockhold, zuvor Leiterin des integrierten Newsrooms beim Mittelbayerischen Verlag, warb für die Besonderheit des Newsrooms, verschiedenste Kanäle zu bedienen und dadurch angemessen auf den digitalen Wandel reagieren zu können. Sei der Newsroom dadurch nun eine Bedrohung für die Redaktionen, fragte Johannes Altmeyer in die Runde. Christoph Hardt bezog klar Stellung: Auch, wenn der Veränderungsdruck stetig steige und beide Branchen Sparzwänge spürten, sei „der Streit zwischen Journalisten und Corporate Newsroom vorbei.“

Christian Achilles betonte die Funktion des Newsrooms, eine breite Masse an Empfängern zu erreichen. Der Newsroom sei ein Arbeitsprinzip, der Menschen befähige, mit den Themen möglichst schnell und gut umgehen zu können. „Der Newsroom ist kein reaktiver, sondern aktiver Platz, der im Tagesgeschehen steht“, ergänzte Christoph Hardt. Dafür müsse man seine eigenen Schwerpunkte setzen und sich von einem reinen Terminjournalismus abwenden. „Wir wollen uns für unsere Leser wertvoll und unverzichtbar sein“, sagte Hardt. Die digitale Transformation sei dabei eine „großartige Chance für den Journalismus“, betonte Bockholt und machte sich dafür stark, die für Leser relevanten Themen zu fokussieren und in den verschiedenen Suchmaschinen sichtbar zu machen.

Die Runde war sich darin einig, dass für den perfekten Newsroom Mitarbeiter sowohl die klassischen journalistischen Fähigkeiten wie Sprachgefühl und Medienkompetenz mitbringen, gleichzeitig aber auch wandelbar und in Spezialgebieten bewandert sein müssten. Affinität für Social Media und die Fähigkeit in interdisziplinären Teams zu arbeiten, seien dabei unabdingbar. Nicht zuletzt stünde der Newsroom vor der Aufgabe, große Messages an ein breites Publikum zu übermitteln. „Der Newsroom ist ein gutes Instrument, um Leute vom ganzen Planeten zusammen zu bringen“, beschrieb Drescher. Dazu sei Datenerhebung notwendig. Wenn ein Medium als erstes zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Inhalt erscheinen will, brauche es kein Gefühl, „das kann man nur mit Daten“, konstatiert Achilles. Dem widersprach Hardt. Datenverarbeitung sei zwar ein wichtiges Hilfsmittel für die Kommunikation, müsse aber mit Vorsicht genossen werden. „Ich wünsche mir als Staatsbürger, dass die totale Prognostizierbarkeit von Kommunikation nicht stattfindet und das Momentum des Zufalls der Wundertüte Zeitung erhalten bleibt.“

ALEX Berlin ist ein Community-Sender, der Berliner Inhalte sichtbar macht und crossmedial aufbereitet. Mit seinen Ausbildungscrews begleitet der Sender Ereignisse und Veranstaltungen. Ein Schwerpunkt gilt der Förderung von Medienmachenden bei der Produktion und Verbreitung ihrer Inhalte. ALEX Berlin ist eine Einrichtung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg und wird über den Rundfunkbeitrag finanziert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maximilian Riegel

Politikwissenschaftler, schreibt u.a. für meko factory – Agentur für Kommunikation GmbH

Maximilian Riegel

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