E-Books sind keine Bücher!

Writing Left Linke Verlage kämpfen um ihr Überleben. Der Verbrecher Verlag und Merve verraten, auf welche Weise

Die Writing-Left-Tage im Brecht-Haus Berlin widmeten sich sowohl linken Autoren als auch linken Verlagen. Der Tagesspiegel-Redakteur Gregor Dotzauer diskutierte mit den Verlegern Jörg Sundermeier (Verbrecher Verlag), Tom Lamberty (Merve Verlag) und der Kulturwissenschaftlerin Gabriele Dietze über die Frage, auf welche Weise linke Verlage heutzutage auf dem Markt bestehen könnten.

Theoretische oder inhaltliche Absichtserklärungen der Verlage, die für das Verlagsprogramm ausschlaggebend wären, wurden an diesem Abend nur am Rande besprochen. Die Verleger äußerten bezüglich der Programmatik ihrer Verlage recht „undogmatische“ Ansichten. So meinte Lamberty vom Merve-Verlag, dass sich eine thematische Linie der Verlagspublikationen oftmals erst im Rückblick ergäbe. Der Verbrecher-Verlag publiziert laut Sundermeyer manchmal nach dem Ausschlussverfahren: „Die Texte dürfen nicht diskriminierend sein, in welcher Art auch immer.“

Eine aussterbende Art?

Der Erhalt eines linken Verlages stellt eine unternehmerische Herausforderung dar, darauf deutete Dotzauer zugleich hin, indem er Sundermeier und Lamberty fragte, ob sie sich als die „letzten linken Verlage“ sähen, die um ihr Bestehen weiterkämpften. (Nebenbei spielte er mit dieser Frage auch auf Sundermeieres frühere Jungle World-Kolumne „Der letzte linke Student“ an.)

Lamberty wies zunächst auf die Veränderung des Marktes durch die Entwicklung des Internets hin. Debatten würden momentan unmittelbar, das heißt zeitnah im Internet geführt. Die Teilnehmer großer gesellschaftlicher Diskussionen ließen sich zudem nicht mehr auf vereinzelte Personen beschränken, welche gewissermaßen den Verlauf der Auseinandersetzung vorgeben würden.
Verlage wären daher heute nicht mehr die „Vorreiter“ in der Verbreitung von Theorie, sondern hinkten vielmehr den Veröffentlichungen im Internet stetig hinterher.

E-Books als Zukunftsprojekt

Aufgrund der hochdifferenzierten Diskurse im Bereich der kritischen und radikalen Theorien sei es fast unmöglich, einen Überblick den jeweiligen Stand der Diskussion zu bekommen und diesen zeitgleich im Verlagsprogramm zu präsentieren.

Sundermeier kam auf die positiven Seiten des Internets zurück, das Internet erweitere und erleichtere die Verkaufsmöglichkeiten der Verlage. Jeder könne heute von zu Hause aus einen Einblick in die Verlagsprogramme erhalten und Literatur bestellen. Gegen die schnellere Verbreitung linker Theorie aufgrund der Diskussionsmöglichkeiten im Internet sei natürlich nichts einzuwenden.

Auf die Frage, ob der Verbrecher Verlag und Merve auch E-Books herausbringen wollten, reagierten die Verleger zunächst zurückhaltend. Merve-Verleger Lamberty verwahrte sich:„E-Books sind keine Bücher, sondern Dateien!“
Der Verbrecher Verlag hat schon einen Versuch in Richtung E-Book unternommen, doch bisher sei das Geschäft mit den E-Books nicht sehr rentabel. „Die E-Books sind jedoch ein Zukunftsprojekt, dass man im Auge behalten sollte“, betonte Sundermeier

Supervision mit den Mitarbeitern

Dietze und Lamberty plauderten abschließend über die „Interna“ und Organisation der Verlagsarbeit in den achtziger Jahren. Damals verfolgten sowohl Rotbuch als auch Merve noch Ansätze einer basisdemokratischen Arbeitsstruktur. So war es damals bei Rotbuch gängig, dass jeder der Verlagsmitarbeiter_innen den gleichen Lohn erhielt, und über Veröffentlichungen wurde gemeinsam abgestimmt. Sogar bei der Titelfindung wurde manchmal in der Gruppe nach der besten Lösung gesucht. Laut Dietze, welche in von 1980 bis 1991 Cheflektorin bei Rotbuch war, hatten diese gemeinsamen Bemühungen oftmals ausgesprochen gute Resultate, allerdings waren die langwierigen Diskussionen auch sehr ermüdent.

Im Merve Verlag wurde damals ebenfalls viel diskutiert, oder vielmehr gestritten. Streitgespräche wurden auf der Kassette aufgezeichnet und anschließend gemeinsam analysiert. Entstand aus der „Analyse“ ein neues Streitgespräch, wurde auch dieses wieder aufgezeichnet und analysiert. Diese umfassenden Auseinandersetzungen könnte man sich heute kaum noch leisten.

Schwierig sei es heute, die Lizenzen für die Veröffentlichung von Texten zu bekommen. - Für kleine linke Verlage seien sie oftmals schlicht zu teuer. Dies führe dazu, dass neue linke Theorie teilweise von Mega-Verlagen wie Random House, statt von spezifisch linken Verlagen verlegt würde.

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