Linke Autoren und ihre Anti-Helden

Writing Left Was soll man sich unter linker Literatur heutzutage vorstellen? Das Berliner Brecht-Haus fragte nach

Was machen linke Autoren heutzutage, gibt es sie überhaupt noch? Worüber und wie schreiben sie? Die Autoren Raul Zelik, Michael Wildenhain, Enno Stahl, sowie die Autorin Kathrin Röggla sind im Rahmen der Writing-Left-Tage im Berliner Brecht-Haus, diesen Fragen nachgegangen.

Obwohl unter der Gesprächsleitung der Spiegel-Redakteurin Elke Schmitter engagiert über das Links-Sein heute diskutiert wurde, wollte dann natürlich keiner der vier als „der linke Autor“ bzw. „die linke Autorin“ abgestempelt werden, zumindest nicht, wie Röggla betonte, im herkömmlichen marxistischen Sinne. Dafür ist der Begriff des Links-Seins einfach zu vielschichtig und durch den realen Sozialismus der Vergangenheit zu kontrovers. Irgendwie links also: Raul Zelik verwies darauf, dass man als linker Autor natürlich die Geschichte und die gesellschaftlichen Verhältnisse der DDR oder etwa des Ceauşescu-Regimes kritisch hinterfragen könne und das auch tun sollte.

Zelik gewinnt seine linke Haltung aus alltäglichen Beobachtungen, aber auch aus einschneidenden Erfahrungen, die er als ein zwischen Südamerika und Europa pendelnder Hochschullehrer und Schriftsteller gesammelt hat. Im Übrigen wolle er aber keine Gesinnungsprosa verfassen und findet „Innerlichkeitskitsch beknackt“.

Affirmationsprozesse formal unterlaufen

Enno Stahl wiederum erwartet von einem linken Roman, dass er „weg vom Normalen“ gehe, eine Verschiebung der Perspektive ermögliche; bedeutende linke Literatur sollte Affirmationsprozesse auch formal unterlaufen, meint der 1962 im Ruhrgebiet geborene Schriftsteller. Kunst muss also sperrig sein, wobei die komplizierte Form nicht zum Selbstzweck werden dürfe. Stahl wünscht sich eine linke Literatur, die kritisch ist und ein utopisches Potenzial mitdenkt. Missionarischen Eifer lehnt er ab, aber wer würde das nicht?

Der Westberliner Michael Wildenhain, der seit kurzem Mitglied der Linkspartei ist und durch Werke wie Erste Liebe – Deutscher Herbst bekannt wurde, konnte sich dagegen nicht recht entscheiden, wie er sich linke Literatur vom Duktus her vorstellen soll. Die Wirkung pathetisch-utopischer Ansätze in der Literatur empfindet er nur noch als lächerlich, aber das pragmatische „Baukasten-Prinzip“ „linker Realos“ hat seiner Ansicht nach in der Literatur noch weniger zu suchen. Gibt es außer diesen beiden Varianten noch eine andere Möglichkeit „links“ zu schreiben?

Machtmechanismen verstehen

Als Wildenhain anmerkte, dass er die Darstellung des „kleinen Mannes“ interessanter fände als etwa einen Insolvenzberater als Romanfigur, fühlte sich Kathrin Röggla sichtlich angegriffen. Die 1971 geborene Autorin versucht mit ihren Texten, Machtmechanismen und -strukturen zu verstehen und abzubilden: Gerade deswegen konzentriere sie sich in ihren Romanen, Hörspielen und Theaterstücken des Öfteren auf die „Besserstehenden“. Zudem wolle sie nicht den Sozialvoyeurismus der Theaterbesucher bedienen, die angeblich eher aus „bürgerlichen Schichten“ kämen.

In der Vorverurteilung der Theaterbesucher waren sich Röggla und Wildenhain leider einig. Abgesehen davon, dass es auch Hartz IV-Empfänger geben soll, die ins Theater gehen: Erfreut sich der „bürgerliche“ Zuschauer denn schon aufgrund seiner sozialen Lage am Elend der Schwächeren?

An dieser Stelle bekam die Frage nach dem Links-Sein einen etwas vereinfachenden Anstrich. Dabei besteht ja gar kein Zweifel: Kathrin Rögglas literarisches und theatrales Projekt der Analyse der Mächtigen ist hochinteressant, für Leser und Theaterbesucher, ob die nun „bürgerlich“ sind oder nicht.

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