Literaturnobelpreis für einen "Sprachlosen"

Mo Yan Ohne Worte? Anders als sein Pseudonym suggeriert, ist der chinesische Autor Mo Yan ein beredter Erzähler. Ein Kurzporträt
Mo Yan im Frühjahr 2012 bei einem Literaturwettbewerb in Haikou
Mo Yan im Frühjahr 2012 bei einem Literaturwettbewerb in Haikou

Foto: STR/ AFP/ Getty Images

Das Pseudonym des diesjährigen Preisträgers bedeutet „Der Sprachlose“. Dass der chinesische Autor Mo Yan alles andere als sprachlos ist, beweist sein 812-Seiten starkes Buch Der Überdruss, für welches er (neben seinen weiteren Werken) in diesem Jahr von der Jury der Schwedischen Akademie in Stockholm mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde.

Der Autor wurde 1956 in Gaomi in der Provinz Shandong geboren. Während der Kulturrevolution verließ er die Schule, um in einer Fabrik zu arbeiten. Mit zwanzig Jahren trat er in die Volksbefreiungsarmee ein, wo er noch als Soldat sein literarisches Schaffen begann.

Mit Erzähltechniken, welche an den magischen Realismus erinnern, schildert Mo Yans Der Überdruss die Beobachtungen eines störrischen Grundbesitzers, Ximen, welcher in einen Kreislauf von kontinuierlichen Wiedergeburten eintritt. Ximen muss jedoch feststellen, dass er nicht als Mensch wiedergeboren wurde. Aus der Perspektive eines Esels verfolgt er nunmehr die menschlichen Taten, die Schicksale seiner früheren Familie, seiner Freunde, Rivalen und Feinde. Spätere Wiedergeburten lassen ihn zu einem Schwein, Hund und Affen werden. Schließlich wird er als ein Junge wiedergeboren, welcher ein großes Talent zum Erzählen hat. Der stetige Wechsel der Identitäten hat einen humoristischen Wandel der Perspektiven zur Folge, die wiederum ein komplexes Bild der letzten 60 Jahre chinesischer Geschichte entstehen lassen.

Verlegt und übersetzt wurde der in Deutschland bisher eher unbekannte Autor zunächst durch den Horlemann Verlag. Für einen kleinen Verlag, der neben asiatischen und afrikanischen Literaturen auch deutschsprachige Autoren publiziert, war es eine Herausforderung sich an Mo Yans Werk zu wagen. Das Amt für Presse und Publikationswesen der VR China sowie Litprom unterstützten die Übersetzung und Herausgabe des Werkes.

Das Buch, welches von Martina Hasse aus dem Chinesischen ins Deutsche übersetzt wurde, endet mit den Worten: “Es wird nur Geschreibsel werden und alle werden ihn auslachen.“

Nein. So ist es nicht.

http://www.horlemann.info/

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