Wenn der Vater Probleme macht

Schwierige Eltern Oft geben Eltern ihren Kindern ein "Päckchen" mit auf den Weg, die Frage bleibt: Wie geht man damit um?

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Molly Brodaks Vater überfiel in den 90er Jahren elf Banken in den USA
Molly Brodaks Vater überfiel in den 90er Jahren elf Banken in den USA

Bild: Joe Raedle/Getty Images

Die meisten mir bekannten Menschen behaupten von sich, dass sie schwierige Eltern haben. Nicht selten werden die eigenen Macken und Persönlichkeitsdefizite mit der misslungenen Prägung durch die Eltern erklärt und gerechtfertigt. („Ich kann mich nicht kleiden, weil meine Eltern mir immer ihren Stil aufgezwungen haben.“, „Ich kann nicht kochen, weil meine Mutter mich immer aus der Küche verbannt hat“ etc.) Sicherlich mag an diesen Erzählungen und Zuschreibungen viel Wahres dran sein, andererseits bieten sie gute Vorlagen, um die eigene Verantwortung abzulegen.

Was aber, wenn man wirklich schwierige Eltern hat, wie es bei der 1980 in Michigan geborenen Autorin Molly Brodak der Fall ist? Ihr Vater, Joseph Brodak, überfiel in den 90er Jahren elf Banken in den USA, damals war Molly Brodak gerade dreizehn Jahre alt. Joseph Brodak arbeitete regulär bei General Motors und verdiente nicht sonderlich schlecht, trotzdem versuchte er sich durch seine Überfälle aus den ihn immer wieder einholenden Schuldenbergen zu befreien, die er durch seine Spielsucht und krummen Geschäfte anhäufte.

Super Mario Dad

„Berühmt“ unter den Bankräubern wurde er durch seine Überfallskostümierung, die ihm aufgrund der Mütze, der Brille, des Barts und der Hose den medialen Namen „Super Mario Brothers Bandit“ einbrachte. Molly Brodak schreibt in ihrem Buch, dass sie selbst gerne Super Mario spielte, bis zu dem Zeitpunkt als sich die Vaterfigur und die Videogame-Figur zu überschneiden begannen.

In ihrem bei Carl Hanser veröffentlichten Buch schildert Molly Brodak ihre zerrüttete Kindheit, die durch ständige Umzüge innerhalb der USA und sich scheidende und dann doch wieder heiratende Elternvorbilder gezeichnet war. Ihre Kindheit – und die ihrer Schwester – liefern ein Panorama der Verwahrlosung und Vernachlässigung. Vernachlässigung nicht in dem Sinne, dass die Schwestern materiell benachteiligt gewesen wären – ganz im Gegenteil! Wenn der Vater durch Schiebereien zu Geld kam, kaufte er den fünfzehnjährigen Töchtern gerne ein Auto zum Geburtstag. Auch teure Hotelurlaube und luxuriöse Kindergeburtstagspartys mit geleasten Gästelimousinen wurden ermöglicht. Die Vernachlässigung im Leben der Kinder fand vielmehr auf der psychischen und emotionalen Ebene statt.

Das unsichtbare, putzende Kind

Molly Brodak schildert, schon als Kind habe sie gelernt, sich „unsichtbar“ zu machen und den sich abspielenden Tumult in der Familie zu beobachten. Nachdem die völlig mit sich selbst beschäftigten Eltern ihre Streitigkeiten im Haus ausgetragen hatten, räumten die Kinder das entstandene Chaos wieder auf. Während Mollys Schwester versuchte, ihrem Vater zu gefallen und seinen konträren Erwartungen zu entsprechen, zog sich Molly Brodak von ihm zurück. Eigenartig sind die Urlaube, welche Molly Brodak allein mit ihrem Vater verbringen musste. Während der Vater sich den gesamten Tag in der Spielhalle oder bei dubiosen Geschäftspartnern aufhielt, lag sie allein am Strand oder vor dem Fernseher.

Die therapierte Mutter

Und Molly Brodaks Mutter? Als junges Mädchen von einem ihrer Brüder sexuell missbraucht, verbrachte sie ihre Jugendjahre in der Psychiatrie, wo sie begann, Psychologie zu studieren. Später arbeitete sie als Therapeutin für Suchtkranke. Nach der (zweiten) Scheidung von Joseph Brodak landeten nicht selten ihre obdachlosen und gestörten Patienten in ihrem Haus, das zur Notfallunterkunft für Problemfälle umfunktioniert wurde. Während Molly Brodak ihre Mutter tagelang nicht sah, hatte sie stattdessen Alkoholikerinnen im Keller und Verrückte auf der Wohnzimmercouch. Die Mutter wurde nie vollständig gesund und versuchte auch im Erwachsenenalter immer wieder sich umzubringen.

Brodaks autobiographisches Buch ist in ansprechender Sprache verfasst. Erstaunlich ist, wie erfolgreich und „normal“ Molly Brodak sich trotz ihres eigenartigen Elternhauses entwickelt hat. Momentan ist sie als Literaturdozentin der Augusta University in Georgia (USA) tätig und hat neben ihrer Familiengeschichte auch Lyrik publiziert (Gewinnerin des Iowa Poetry Price 2009). Sie erbringt den Beweis: Es liegt nicht immer alles an den Eltern!

Molly Brodak:

"Als ich dreizehn war, überfiel mein Vater seine erste Bank."

Nagel und Kimsche im Carl Hanser Verlag, München

ISBN 978-3-312-00995-4

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