Wer finanzierte Adornos Forschung?

Kritische Wissenschaft Felix Weil demonstrierte der Welt: Man kann sein Erbe auch für nützliche Dinge verprassen

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In ihrem 2017 erschienenen Buch Der argentinische Krösus – Kleine Wirtschaftsgeschichte der Frankfurter Schule beleuchtet Jeanne Erazo Heufelder die materiellen Ursprünge und spannenden historischen Hintergründe der Entstehung und Erhaltung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung.

Bei dem 1923 gegründeten Institut denkt man vielleicht an Wissenschaftler und Philosophen wie Adorno, Max Horkheimer und Friedrich Pollock, die an diesem Institut aktiv waren und die Kritische Theorie der sogenannten Frankfurter Schule begründeten und in die Theorie der Philosophie und Soziologie einbrachten. Wer aber machte diese „linke Wissenschaft“, die sich zu Beginn der zwanziger Jahre zunächst mit der Geschichte und Theorieentwicklung des Sozialismus und der Arbeiterbewegung beschäftigte und dies dann später in umfassenderen interdisziplinären Gesellschaftsanalysen kulminierte, möglich?

Schwierige Beziehungen und starke Partner

Das Frankfurter Institut für Sozialforschung wurde von Beginn an nicht von der Stadt finanziert und hatte auch immer ein irgendwie prekäres Verhältnis zur offiziellen Universität Frankfurts. Das Institut existierte wie ein aufgesetztes anarchistisches Eigengewächs, das seine eigenen wissenschaftlichen Wege ging und diverse linkstheoretische Blüten trieb. Schon ein Jahr nach seiner Gründung, die 1923 erfolgt war, beherbergte das Institut rund 14 000 Bücher aus den Bereichen Philosophie und Wirtschaftsgeschichte sowie die gesamte Bibliothek aus Rosa Luxemburgs Nachlass.

Sogleich wagten sich die motivierten Forscher der jungen Institution an ihr erstes großes Projekt, die Marx-Engels-Gesamtausgabe, von ihnen bescheiden als MEGA bezeichnet. Internationaler wissenschaftlicher Kooperationspartner des Projekts war das Moskauer Marx-Engels-Institut, das Quellen und wissenschaftliche Expertise beisteuerte.

The man with the money

Hinter dem gesamten Institut, seiner Gründungsidee und Realisierung stand der Millionärserbe und Weizenunternehmer Felix Weil, dessen Familie nach ihrer Emigration von Deutschland nach Argentinien ein sehr gut laufendes internationales Handelsunternehmen aufgebaut hatte. Ohne den politisch interessierten Weil, der selbst als Nationalökonom promoviert war, und die finanzielle Stiftung seines engagierten Unternehmer-Vaters, Hermann Weil, wäre die Existenz dieses Institutes vermutlich niemals zustande gekommen. Felix Weils Familie finanzierte über Jahrzehnte hinweg nicht nur den Bau und die Einrichtung des Instituts, sondern auch die Bezahlung der Gehälter sowie die Übersiedlung des Instituts in die USA an die Columbia University (New York) im Jahre 1934, samt eines großen Teils des Lehrpersonals, der ebenfalls emigrieren musste.

Felix Weil hat sich ohne Zweifel für dieses Institut ruiniert und lebte in den späteren Jahren seines Lebens in eher ärmlichen Verhältnissen, was seine Besucher zu irritierten Äußerungen über seinen Zustand bewog. Als „the man with the money“ vernachlässigte Weil nicht nur seine Familie, insbesondere seinen eigenen Sohn, der in einem katholischen Internat in Italien aufwuchs, während Weil sich meistens auf den amerikanischen Kontinenten aufhielt, sondern er förderte auch mit riesigen Summen Bildende Künstler und Schauspieler sowie Regisseure aller Art. Dabei musste er auch Kostenexplosionen tragen und nicht selten wurden von ihm ermöglichte Unternehmungen von den „Projektpartnern“ in den Sand gesetzt.

Gesamtkunstwerke

So hatte sich László Moholy-Nagy eine gigantische Bühnenapparatur für ein Stück von Erwin Piscator erdacht. Die Umsetzung am Nollendorfplatz-Theater geriet hier zur künstlerischen und finanziellen Katastrophe: Laufbänder, in den Raum ragende Treppen, mechanisch herauf und herab fahrende Brücken, projizierte Filme etc.: das „Theater der Totalität“ wurde anvisiert, jedoch streikte die Technik oftmals und ließ das Publikum verwirrt zurück.

Die von Weil finanzierten Wissenschaftler lebten indes zeitlebens recht gut, wenn auch viele von ihnen nach Ende des Krieges nach Deutschland zurückkehrten und das Institut für Sozialforschung in Frankfurt wieder aufbauten.

Heufelders Buch schließt eine besondere Lücke, weil es das große menschliche Engagement und die historisch bedingten Schwierigkeiten beschreibt, welche das Schicksal der Frankfurter Schule begleiteten. Vor allem erzählt es die Geschichte von Menschen, die im wahrsten Sinne des Wortes ihr letztes Hemd für ihre politischen Überzeugungen und ihre wissenschaftlichen Fragen gegeben haben, daher ist es unbedingt lesenswert.

Nebenbei bemerkt:

Am kommenden Dienstag, 04.04.2017 präsentiert die Autorin ihr Buch. Um 19 Uhr im Simon Bolivar Saal des Ibero Amerikanischen Instituts, Potsdamer Straße 37, 10785 Berlin.

Jeanette Erazo Heufelder (2017)

"Der argentinische Krösus – Kleine Wirtschaftsgeschichte der Frankfurter Schule", erschienen bei Berenberg Verlag Berlin

205 Seiten

ISBN 978-3-946334-16-3

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