Nein! Das darf nicht wahr sein. Alles wie gehabt? Noch einmal das Spiel, das nichts als Zerstörungen hinterlassen wird? Die ganze Welt kennt die Regeln schon bis zum Überdruss. Jene, die den Krieg wollen, konnten die Mechanismen bis ins Detail studieren. Sie müssen die Muster nur wiederholen, immer noch funktionieren sie, trotz aller Menschenrechts-Beschwörungen, trotz der anwesenden internationalen Streitkräfte. Ah, falsch, nicht trotz, sondern gerade in ihrem Schatten laufen diese elenden Kriege seit zehn Jahren ab. Dieser Schatten gehört dazu.
Mazedonien ist mit zwei Millionen Einwohnern ein kleines Land, das seine Existenz den unterschiedlichsten Konstellationen und Rivalitäten benachbarter Länder zu danken hat. Im früheren Jugoslawien war es die orientalischste Republik, bäuerlich, ein Obstland, ein Land der süßen Kuchen. So wurde es wahrgenommen. Dass Mazedonien nach dem gewaltsamen Auseinanderbrechen Jugoslawiens seine Selbstständigkeit als einziger neuer Staat ganz und gar friedlich, im Einverständnis mit den übrigen jugoslawischen Republiken erreichte, dankte es seinem damaligen klugen Präsidenten Gligorov, aber auch dem Friedenswunsch der Bevölkerung, die sich ersparen wollte, was sie überall sonst an Kämpfen und Flüchtlingsströmen beobachten musste.
Die Albaner Mazedoniens hegten diesen Wunsch genauso wie die Slawen. Außerdem waren sie von allen Albanern, wo immer sie lebten, die am besten gestellten, besser als die im Kosovo, die wiederum ungleich besser lebten als die Menschen in Albanien. Und hier sei doch noch einmal erwähnt, dass dieses Wohlstandsgefälle mit der Entwicklungspolitik Jugoslawiens zu tun hatte. Und dass für den Zerfall des Staates in den Krisenjahren die unpopuläre Notwendigkeit, ökonomisch schwache Regionen mitzuziehen und zu unterstützen, leider eine Rolle spielte.
Mazedonien ist ein seltsames Land. Der Name gehört historisch einer großen Region bis nach Saloniki. Alexander der Große machte es für kurze Zeit zu einem Riesenreich. Griechenland akzeptiert bis heute den Staatsnamen des neuen Nachbarn nicht. Mazedonische patriotische Bewegungen waren Anfang des vorigen Jahrhunderts Auslöser für die Balkankriege, als das Osmanische Reiche zerfiel und die Nationen sich formierten, die 500 Jahre lang Untertanen dieses Reiches waren, in guten und in schlechten Zeiten. 1923 wurden viele Mazedonier aus Griechenland ausgesiedelt.
In Bulgarien gelten die Mazedonier als Bulgaren. In faschistischer Zeit, als die bulgarischen Kollaborateure unter deutschem Schutz regierten, stand Mazedonien mit Teilen Griechenlands unter bulgarischer Herrschaft. Überhaupt treten Ursprünge mancher, scheinbar überraschender nationalistischer Ideen in der Nazipolitik gegenüber dem Balkanraum zu Tage. Da gab es schon etliches, was uns heute verblüfft. Auch die Nazis hatten es natürlich nicht erfunden. Sie spielten nur ungeniert auf der Klaviatur des Nationalismus und schufen am skrupellosesten neue Staatengebilde, die von ihren Gnaden existierten.
Mazedonien stand stets unter Titos Schutz. Es war in den Jahren seiner Konfrontation mit Stalin auch ein Streitpunkt mit Bulgarien. Dann beruhigten sich alle allmählich. Die Bulgaren legten sich eine großmütig lächelnde Pose gegenüber dem kleinen Nachbarn zu, der die sprachliche und ethnische Verwandtschaft leugnet. Aber auch die Serben erklärten die Mazedonier zu ihren direkten Verwandten. Im Grunde waren sie sich alle nah. Nach der staatlichen Unabhängigkeit gab es viele Blütenträume in Mazedonien, die alle mit der Friedlichkeit, Neutralität, Sicherheit ihres Raumes verbunden waren: eine Drehscheibe für internationale Institutionen, ein Vermittler, ein zuverlässiger Standort für Investoren. Doch dann erfüllte sich von diesen Vorstellungen nur wenig, und als die NATO während des Kosovo-Krieges Mazedonien als Hinterland zur Verfügung hatte, wuchs dort die Enttäuschung, bis zur Wut sogar. Vielleicht begann da unmerklich eine Wende, die sich jetzt offen zeigt. Denn auch den Albanern blieb nicht verborgen, dass ihr Staat Mazedonien keine so vielversprechende Zukunft hat, wie es zeitweilig schien.
Für Mazedonien war der Kosovo-Krieg eine schwierige Prüfung. Die Welt blickte dorthin, auf die hunderttausend Flüchtlinge, aber nicht auf die Mazedonier. Ihre Ängste nahm niemand ernst. Viele Kosovo-Albaner kamen bei ihren Verwandten in Mazedonien unter, die Albaner wurden somit immer mehr, sie brachten Ansprüche mit, eine Ideologie, die sie seit Jahren inhaliert hatten. Die Tanks und Jeeps der NATO-Staaten durchfuhren das Land, als wäre es ein Manöverfeld.
Nun geschieht also das Befürchtete. Tetovo, eine Stadt, die von Hügeln umgeben ist, wird von oben beschossen. Schon brennen die Bauernhäuser rund herum ab. Die Menschen flüchten - als erste die 20 Prozent nicht-albanischen Mazedonier. Einige harren tapfer aus. Sie werden es wohl bereuen. Die Albaner werden hier bald unter sich sein. Auch ihre Familien werden fliehen. Der Rektor der albanischen Universität Tetovo benutzt tatsächlich die Formel vom "heiligen Krieg". Der Gruppendruck wird niemanden verschonen. Die mazedonische Armee fährt auf. Sie verfügt gerade einmal über zwei Flugzeuge. Auch ihre sonstige Ausrüstung ist bescheiden. 40 Prozent der Wehrpflichtigen sind Albaner. Die Verantwortungslosigkeit der internationalen Streitkräfte, die Macht ausüben wollen, aber ohne ein eigenes Risiko, ist bodenlos.
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