Schöne Sätze über Geld zu schreiben, ist eine große Kunst. Alle haben eine Meinung zum Geld, kaum eine ist neu und doch bleiben Rätsel. In seinem Kurzen Abriß der Nationalökonomie meinte Kurt Tucholsky so bündig wie genial: "Geld ist da oder nicht da. Meistens nicht da.", und erübrigte damit so manche schwergängige Geldtheorie. Georg Simmel verfasste vor über hundert Jahren seine großartige Philosophie des Geldes, und sein Buch lässt heute schmerzlich fühlen, wie nötig eine würdige Nachfolge wäre.
Selbst wenn zugestanden wird, dass viele der sich um das Geld rankenden ökonomischen oder psychologischen Rätsel gelöst sind, erstehen neue Fragen. Was ist zum Beispiel mit dem Kredit, von dem einige behaupten, er sei anders als das Geld nicht mehr an die Ware gebunden, vielmehr ein frei flottierendes Zeichen? Der Band Am Gelde hängt, zum Gelde drängt gibt darüber leider nur am Ende ein wenig Aufschluss. Beginnend mit Adalbert Stifter, Friedrich Hebbel und anderen verdienten Autoren sind hier literarische Texte rund ums begehrte Gut zusammengetragen und es wird unzweifelhaft klar, welche Anstrengungen seit dem 19. Jahrhundert unternommen wurden, um den analen Charakter zu beschreiben, der am Gelde klebt, nichts hingeben mag und lieber stirbt als zu teilen.
Konsequent bis zum bitteren Ende hat Detlev von Liliencron in seiner Charakterstudie Das Ehepaar Quint dies durchgespielt. Zwei reiche Alte haben die Lektion eines jeden Geizkragens begriffen, dass die wirklichen Bedrohungen nicht durch Staatsorgane wie Finanzämter, sondern von den lieben Familienangehörigen ausgehen, die bedürftig um eine Anleihe bitten. Natürlich werden sie wortreich abgewiesen, und am Ende vergraben die Alten ihr Geld am geheimen Ort, legen sich ins Bett und sterben zufrieden und glücklich. Andere Autoren, von Kafka bis Siegfried Lenz, betreiben ähnliche Charakterstudien - wobei seltsamerweise nie jemand beschreibt, wie einer zum menschlichen Sparbuch mutiert oder vielleicht Abhilfe noch möglich ist; vielleicht werden die Fragen, warum einer ein Geldknochen wird, wie Geldsucht und Gier sich der Menschen bemächtigen konnten, wenn wir dereinst im Kommunismus leben, so unbeantwortet wie nunmehr irrelevant im ethnologischen Museum verschwinden.
Kathrin Röggla ragt aus der Vielzahl der hier vereinten Autoren und Autorinnen heraus. In ihrem kurzen Text geht es nämlich um etwas, das in seiner Bedeutung für die heutige Kultur kaum zu überschätzen ist, bislang aber so gut wie gar nicht theoretisch oder literarisch reflektiert wurde: die Kreditkarte. Tatsächlich hat diese Erfindung das Alltagsleben umgekrempelt, aber die sozialpsychologischen Folgen in Bezug auf Konsum- und Sozialverhalten wurden nirgends eingehend untersucht.
Der durchschnittliche, auf den Buchmarkt drängende bürgerliche Ökonom geht lieber ins Grundsätzliche: "Geld ist eine öffentliche Einrichtung", schreibt Helmut Creutz und verspricht, den "Weg zu einer krisenfreien Marktwirtschaft" zu weisen. Außerdem schraubt er gegenwärtig ein Perpetuum mobile zusammen, aber da er damit bald fertig ist, hat er bereits ein paar Gerätschaften zusammengeklaubt, um den Mars urbar zu machen. Er hat zum Beispiel Folgendes herausgefunden: "Kapitalist ist jeder, der über zinstragende Vermögenswerte verfügt, egal, womit er ansonsten seinen Lebensunterhalt bestreitet." Da das ein horrender Blödsinn ist, ersucht der Kritiker höflich darum, dieses Buch, das weder unter literarischen noch humoristischen Gesichtspunkten etwas hergibt, auch nicht antiquarisch für ein paar Euro zu erwerben, sondern diese lieber nach Kuba zu überweisen.
Von André Kostolanyis Buch ist mehr zu erwarten, schließlich ist sein Autor ein paar Mal an der Börse arm, öfter aber reich geworden, und er hat es als schreibender Börsenhai zu einiger Berühmtheit gebracht. Aber auch in diesem Buch schreibt er Hunderte von Sätzen, die sich nicht sehr voneinander unterscheiden. Ein Beispiel: "Ohne Geld kann die Wirtschaft nicht wachsen." Was soll uns das nun sagen? Meint er Geldmenge, Zinsen, Kredite? Ein weiteres: "Wenn ich in ein Restaurant gehe, bestelle ich justament nicht das, was mir der Wirt empfiehlt, denn das will er loswerden. So verhält es sich auch mit 90 Prozent der Börsentipps." Aus diesem, einem der besseren Sätze, aus denen dieses Buch besteht, lässt sich immerhin schlussfolgern: Zu einem erfolgreichen Börsianer gehört Misstrauen, der Besuch fragwürdiger Restaurants und dazu die Fähigkeit, eine Vielzahl von Platitüden lebenspraktisch so zu verdichten, dass ein börsengeeignetes System daraus wird. Allerdings ist dieses nicht übertragbar, so dass auch dieses Buch nicht von Nutzen ist. Es führt lediglich zu systemfeindlichen Fragen wie der, warum eigentlich kluge Marxisten, die den Kapitalismus und die Börse erklären können, nicht reich werden, Phrasendrescher aber wohl. Immerhin ergibt sich die Schlussfolgerung, was für ein mieses System unseres doch sein muss, wo es ganz offensichtlich die Falschen begünstigt.
Sollte sich herausstellen, dass sich Bücher wie diese gut verkaufen, wäre auch klar, dass der Kapitalismus so gut funktioniert, weil er so irrational ist. Von Büchern über das Geld ist zu erwarten, dass sie entweder nutzen oder unterhalten, und doch ist der Markt voll gestopft mit Beispielen, die beides nicht tun. Tucholskys Kurzer Abriss der Nationalökonomie wäre es wert, als bibliophiler Sonderdruck zu erscheinen, so wie es Gertrude Steins kurzen Texten ums liebe Geld vergönnt ist. "Zählen ist komisch", schreibt sie, weil Menschen immer Geld zählen, aber nicht richtig klar ist, warum sie das tun. Ein Beispiel: "Wenn man eine Kassiererin in einer Bank mit Schubladen voller Geld sieht, ist es schwer zu begreifen, dass eins mehr oder weniger irgendeinen aber auch irgendeinen Unterschied macht." Ein weiteres: "Wenn man ein großes Geschäft sieht und man sieht von all den vielen Dingen so viele innen drinnen, und auf den Ladentischen, ist es schwer zu glauben, dass eins mehr oder weniger für irgend jemanden irgendeinen Unterschied macht." Das ist nicht nur erfreulich anti-konsumistisch und wirkt, als spräche ein extraterrestrisches Wesen, das auf einem Planeten gelandet ist, der gerade zu einer Shopping Mall umgebaut wird. Da hat auch jemand gut übers Geld nachgedacht und verdient, dass weiter gedacht wird.
Das Buch ist nur zwanzig Seiten stark, so dass ein kurzer Blick auf dieses Marktsegment ergibt, dass womöglich die dünnen Bücher übers Geld die besseren sind. Dafür sind sie dann proportional viel teurer als die anderen, und da festgestellt wurde, dass der Kapitalismus irrational ist, weil nutzlose und törichte, gleichwohl relativ billigere Bücher den Markt dominieren, ist der Kauf dieser dünnen Produkte reiner Sozialismus. Der Rest ist Kapitalismus und nicht zu empfehlen.
André Kostolany, Die Kunst über Geld nachzudenken. Econ, Berlin 2001,
237 S., 9,50 EUR
Gertrude Stein: Geld, Friedenauer Presse, Berlin 2004, 22 S., 9,50 EUR
Helmut Creutz: Die 29 Irrtümer rund ums Geld. Signum Wirtschaftsverlag, München, Wien 2004, 304 S., 22,90 EUR
"Am Gelde hängt, zum Gelde drängt". Ein Buch für Sparer und Nicht-Sparer, Geizhälse und Verschwender. Otto Müller, Salzburg 2005, 240 S., 18 EUR
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