Macht ergreifen ohne die Welt zu verändern?

Krisenproteste Sofern nach erfolgreichen Wahlen in Grichenland eine von Syriza geführte linke Regierung zustande käme, ist sie noch nicht an der Macht. Was bdeuetet dies?

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Die griechische Regierung ist geschwächt, seit die links-sozialdemokratische Dimar die Regierung nach der unangekündigten Schließung des staatlichen Fernsehens und der folgenden Massenmobilisierung die Regierungskoalition verlassenhat . Die Regierung hält nur noch eine hauchdünne Mehrheit im Parlament. Die Mehrheit wird nur noch durch die besondere Bevorzugung der größten Parlamentsfraktion durch das Wahlrecht gesichert – die Partei mit den meisten Stimmen bei der Wahl erhält zusätzlich zu den ihr prozentual zustehenden Sitzen weitere 50 Sitze extra. Möglich ist, dass ein neuer Zyklus der Kämpfe und Streiks sowie der ausbleibende Wirtschaftsaufschwung die amtierende Regierung aus konservativer Nea Dimokratia (ND) und sozialdemokratischer Pasok ernsthaft in Bedrängnis bringt. Einige Stimmen vermuten, die ND könne sich auch auf eine Koalition mit einem abgespaltenen Teil der Faschisten von Chrysi Avgi einlassen. Spekulationen über eine Koalition der ND mit einem abgespaltenen Teil der Faschisten von
Chrysi Avgi ist mit dem harten Vorgehen gegen die Faschisten nach einem Mord an dem linken Rapper Pavlos Fyssas die Grundlage entzogen. Die ND brachte die
Gründung einer neuen Partei der Mitte ins Spiel – welche Kräfte sie umfassen soll und auf welche Wählerbasis sie zielte, ist offen.

Käme es über eine neue, derzeit aber schwer vorhersehbare Regierungskrise zu Neuwahlen, stünde die Frage im Raum, ob es zu einer Linksregierung unter Syriza-Führung kommen könnte. Zur Zeit liefern sich Nea Dimokratia und Syriza in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Da die sozialdemokratische Pasok in den Umfragen derzeit nur noch bei rund sieben Prozent liegt, könnte der ND ihr Koalitionspartner abhanden kommen - andererseits wäre auch Syriza auf Koalitionspartner angewiesen.

Syriza symbolisiert einen Verdichtungspunkt, der die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten der Selbstorganisation und des Protests in die Perspektive der Machtergreifung übersetzt. „Doch dürften die Handlungsspielräume innerhalb der gegebenen Institutionen mehr als gering sein: weder der Griff der Troika, noch der internationalen Finanzmärkte dürfte nachlassen – im Gegenteil. Die Macht zu erobern, ohne die Welt zu verändern, muss scheitern, weiß Syriza sehr genau.“ (LuXemburg, Heft1/13, 146) Eine Linksregierung ist eingezwängt zwischen dem autoritären europäischen Konstitutionalismus und einem klientilistisch von PASOK und Nea Dimokratia besetzten bürokratischen Apparat und muss mit einer sich noch vertiefenden ökonomischen Krise durch Maßnahmen von kapitalistischer Seite rechnen. Zurückweisung und Neuverhandlung der Memoranden, Kapitalverkehrskontrollen oder die begonnene Entwicklung eines umfassenden Regierungsprogramms etc. werden nicht ausreichen. Ohne grundlegende Infragestellung und Schaffung neuer Institutionen bliebe auch eine Syriza-Regierung chancenlos.

Die Regierung müsste die Zumutung des Regierens auf der überkommenen Basis zunächst zurückweisen. Doch wie geht das? Ein soziales und ökonomisches Notprogramm müsste also sofort begleitet werden von einem Bruch, der große Teile der Bevölkerung in einen Prozess der kollektiven Reorganisation einbindet. Dafür sind durch die solidarischen Hilfsnetze und Organisationsprozesse zivilgesellschaftliche Knotenpunkte geschaffen (vgl. Wainwright 2012, Luxemburg 3/2012). Ob sie für die Stützung einer Linksregierung in einer krisenhaften Übergangszeit ausreichend können ist offen. Zudem bräuchte es einer starken internationalen Solidarisierungen und ähnlicher Prozesse in anderen Ländern.

Auszug aus: „Wo bitte geht’s zum Winterpalast?“ Transnationale Resonanzen und blockierte Transformation, erscheint demnächst in der Zeitschrift Luxemburg, H. 3-4, 2013: www.zeitschrift-luxemburg.de

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Geschrieben von

MarioCandeias

ist Direktor des Instituts für Gesellschaftsanalyse der Rosa Luxemburg Stiftung. Wir arbeiten an sozialistischer Transformation + einer Mosaiklinken.

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