Der Weg zur deutschen Pro-Bewegung führt tief in die rheinische Provinz, nach Opladen, einem unscheinbaren Stadtteil von Leverkusen. Hier betreibt Markus Beisicht in einem schlichten Bürogebäude eine kleine Anwaltskanzlei. Die Räume sind nicht gerade repräsentativ: Im Vorraum heften gepiercte Bürokräfte Akten ab, daneben dörrt eine Palme vor sich hin. Hinter dem Schreibtisch des Anwalts hängt das Bild schief, an der Wand stehen Umzugskartons, auch die orangefarbenen Sessel haben ihre besten Zeiten hinter sich.
Beisicht spricht in breitem rheinischen Dialekt. In Sakko und Jeans gibt er den lässigen, ums Vaterland besorgten Patrioten. Schnaufend nimmt er Platz. Dann erzählt er von Ausländern, die seit Jahren „in die deutschen Sozialsysteme“ einwanderten, vom „ausländischen Prekariat“, das Deutschland sich da herangezogen habe. Migranten nennt Beisicht oft „Wirtschaftsflüchtlinge“ oder „Pseudokriegsflüchtlinge“. Auch gegen die „schleichende Islamisierung“ müsse man sich zur Wehr setzen.
Es sind Thesen, wie sie auch Thilo Sarrazin in seinem Buch Deutschland schafft sich ab vertritt: Muslime werden entweder als Parasiten oder als Bedrohung gebrandmarkt. Sarrazin ist für Beisicht denn auch eine Art Glücksfall – endlich einer, der die Thesen der Partei einem breiten Publikum zugänglich macht. Auch wenn die Bürgerbewegung Pro-NRW schon seit geraumer Zeit existiert: Die Sarrazin-Debatte könnte sich für die Partei als Katalysator erweisen, um ihre Gesinnung zu verbreiten
Im Politbetrieb ist Pro-NRW bislang ein kleines Licht. Bei den vergangenen Landtagswahlen kam die Partei auf 1,4 Prozent. Zwischen Rhein und Ruhr aber setzt sich ihre Truppe seit Jahren lautstark in Szene: „Keinen Cent für Griechenland“ forderte Pro-NRW 2010. Am Samstag mobilisierte die Partei zusammen mit Österreichs FPÖ und den flämischen Rechtspopulisten des Vlaams Belang für einen „Marsch für die Freiheit“ und forderte Meinungsfreiheit auch für „Patrioten und Islamkritiker“.
Millionär im Hintergrund
Die Ablehnung gegenüber Fremden zeigt sich insbesondere beim Thema Moscheenbau: Als 2007 im Kölner Stadtteil Ehrenfeld empörte Anwohner gegen den Bau einer Moschee protestierten, gehörte die Pro-Bewegung zu den maßgeblichen Anheizern. Der Unterschied zwischen Islam und Islamismus, hieß es damals, sei derselbe wie der zwischen Terror und Terrorismus.
Die Partei erscheint regelmäßig in den Berichten der Verfassungsschützer. Es gebe „Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen“, heißt es beim Verfassungsschutz NRW. Die Pro-Bewegung schüre in der Bevölkerung Ängste vor Überfremdung, es werde das Bild eines Sündenbockes aufgebaut. Jüngst bestätigte das Verwaltungsgericht Düsseldorf, dass die Beobachtung der Truppe rechtens ist. Pro-NRW setze Ausländer, Migranten und Muslime herab. Ziel der Partei sei es, gesellschaftliche Verhältnisse herbeizuführen, in denen die Menschenwürde dieser Minderheiten nicht geachtet werde.
Sowohl bei Pro-NRW als auch bei der eng verbundenen Pro-Köln tummeln sich Aktivisten, die zuvor bei anderen rechten Gruppen Karriere machten. Das Gründungsmitglied von Pro-Köln, Manfred Rouhs, gehörte einst der NPD-Jugendorganisation an. Anhänger der NPD stellten mitunter bei Pro-Köln-Demos das klatschende Fußvolk, unter ihnen auch „SS Siggi“, ein Neonazi aus Dortmund. Bei Pro-NRW kümmert sich heute der ehemalige NPD-Funktionär Andreas Molau um die Öffentlichkeitsarbeit.
Beisicht stört das nicht. Das sei nur eine kleine Handvoll, sagt er. Es gebe zudem so etwas wie innere Läuterung. Doch die Zusammenarbeit mit der extremen Rechten ist kein Zufall: Auch der Geldgeber der Pro-Bewegung, der Deutsch-Schwede Patrik Brinkmann, ist in der Szene bekannt. Der millionenschwere Geschäftsmann, der vor der „Einführung der Scharia“ in Deutschland warnt, unterstützt die Pro-Bewegung, nachdem sein Engagement bei DVU und NPD nur mäßigen Erfolg hatte.
Brinkmann wohnt in einer Villa in Berlin-Zehlendorf, ein mächtiger Zaun schützt das Anwesen. Von hier aus unterstützt er den Aufbau der Pro-Bewegung mit dem Ziel, sie auch bundesweit zu etablieren. Nicht zuletzt über seine „Kontinent Europa Stiftung“, so sagen Experten, unterhalte Brinkmann beste Kontakte zu Neonazis aus ganz Europa. Brinkmann freilich will davon nichts wissen. Er wolle Deutschland nach vorne bringen, indem man sich verstärkt auf die „preußischen Tugenden“ besinne und die Gefahr des Islam erkenne.
„Bieder-Nazis“ gesucht
Jenseits dieser Kontakte ist Pro-NRW indes bemüht, sich mit harmlosen Unterschriftenaktionen als lokal orientierte bürgerliche Bewegung zu tarnen. Die „Bieder-Nazis von Pro-NRW“ sagte Grünen-Chef Cem Özdemir, stellten eine größere Herausforderung für die Demokratie dar als die NPD. Der Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler von der Universität Düsseldorf urteilt: „Insgesamt betreibt die Pro-Bewegung eine perfide Strategie.“ Indem sie tatsächliche Probleme von Integration und Islamismus überzeichne, werde „unter dem Deckmäntelchen der Bürgerlichkeit Rassismus als Form der Meinungsfreiheit etabliert“.
Immer wieder organisierte Beisicht zusammen mit Rechtspopulisten aus Österreich, den Niederlanden, der Schweiz und Belgien Veranstaltungen wie Anti-Islam-Konferenzen. Auch wenn die Events mitunter floppten, das große Ziel der europäischen Gesinnungsbrüder bleibt ein grenzüberschreitendes Volksbegehren gegen den EU-Beitritt der Türkei.
Eine nach außen hin modernisierte, personell verjüngte Rechtspartei, mit der sich das Projekt einer grenzüberschreitenden rechten Sammelbewegung nach vorne bringen lässt, suchte man in Deutschland bislang vergeblich. DVU und Republikaner dümpeln seit Jahren vor sich hin. Die NPD gilt aufgrund ihrer Ausrichtung und ihrer Nähe zu gewaltbereiten Neonazi-Kameraden als strategisch ungünstiger Partner. Die zum Jahreswechsel erklärte Fusion zwischen DVU und NPD ist Beisichts Truppe dennoch ein Dorn im Auge – sie hätte es mit einem erstarkten Konkurrenten zu tun. So ist es wohl kein Zufall, dass die DVU-Abweichler, die gerichtlich gegen die Fusion vorgingen, Beisicht als Verfahrensbevollmächtigten beauftragten. Auch wenn der bestreitet, sich eingemischt zu haben, gibt es schon Anzeichen für eine Neuorientierung einiger DVU-Mitglieder: Seit Februar etwa sind der bisherige Vorsitzende des DVU-Landesverbandes NRW, Max Branghofer, und sein Sohn Mitglieder bei Pro-NRW.
Trotz zahlreicher Übereinstimmungen ist Beisicht bemüht, sich von der NPD abzusetzen. Nur so kann er neue Wählerschichten ansprechen, etwa frustrierte, national-gesinnte CDU-Wähler, die in der Integrationsdebatte radikalere Positionen vertreten. Es ist diese Lücke, in die die Pro-Bewegung vordringen will.
Die Chancen zur Formierung einer bundesweit agierenden Rechtsaußenpartei stehen keinesfalls schlecht. „Vorurteile gegen Muslime sind weitverbreitet“, sagt Rechtsextremismusexperte Häusler. Das habe auch die Zustimmung zu den mittlerweile durch eine Studie der Berliner Humboldt-Universität größtenteils widerlegten Sarrazin-Thesen gezeigt. Die Pro-Bewegung, so Häusler, könne sich in Deutschland noch als tickende Zeitbombe erweisen – spätestens, wenn sich die grassierenden Vorurteile in Wahlerfolge ummünzen lassen.
Marion Kraske arbeitete für die ARD und den Spiegel. Sie ist Kolumnistin des Magazins Datum und Autorin von Ach Austria aus dem Molden Verlag, in dem sie unter anderem den geistigen Rechtsextremismus in Österreich analysiert
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.