Im Kampf gegen Spekulation auf dem Immobilienmarkt hat sich ein bemerkenswertes Bündnis gebildet: Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) stellt sich wie der deutsche Mieterbund und der Naturschutzbund (NABU) gegen die Pläne einer großen Mehrheit der Landesfinanzminister. Der Anlass: die Reform der Grundsteuer.
Erhoben wird diese Steuer von Grundstückseigentümern, Vermieter dürfen sie in der Regel auf ihre Mieter umlegen. Sie fließt direkt an die heute oft klammen Kommunen. Zwischen 11 und 13 Milliarden Euro pro Jahr kommen so zusammen. Doch jetzt bangt die öffentliche Hand um diese Einnahmen, denn ihre gesetzlichen Grundlagen sind veraltet. Die Basis für die Berechnung der Grundsteuer stützt sich auf Werte aus den Jahren 1964 für die Bundesländer im Westen und 1935 für die im Osten. Der Grundsteuer drohe daher die Verfassungswidrigkeit, sagt ein Sprecher des niedersächsischen Finanzministeriums.
Darum haben 14 Bundesländer im Juni einen Reformkompromiss ausgehandelt. Bayern und Hamburg ziehen als einzige nicht mit, weil sie Mehrkosten für Grundstückseigentümer und Mieter wittern. Dass die Reform in dieser Form auf jeden Fall zu Lasten der Mieter gehen würde, erwartet der Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten: „Der Gesetzentwurf droht bestehende Ungerechtigkeiten zu verstärken.“ Die 14 Länder peilen nach ihrer Darstellung keine Steigerung der Einnahmen aus der Grundsteuer an. Das schwarz-grün regierte Hessen und das rot-grüne Niedersachsen haben die Initiative mittlerweile im Bundesrat eingebracht.
Was sie vorsieht, ist ein sehr komplexes Modell für die Berechnung der Steuer, etwa abhängig von Grundstückslage und -art, Herstellungsjahr, -kosten und Nutzungsart von Gebäuden, von Hebesätzen, die die Gemeinden oder die Stadtstaaten selbst festlegen, vor allem aber davon, ob eine Fläche bebaut ist oder nicht. Hier liegt der Knackpunkt. IW, NABU und Mieterbund sind entsetzt, weil die Pläne Eigentümer unbebauter Flächen weiter viel weniger belasten würden als die bebauter.
So werde die Chance verpasst, in Zeiten immer stärker angespannter Wohnungsmärkte in den Städten etwas gegen die Spekulation mit brachliegenden Grundstücken zu tun, warnt etwa der siedlungspolitische Sprecher des NABU, Ulrich Kriese.
Es gibt eine Alternative
Außerdem wäre eine andere Reform der Grundsteuer die Gelegenheit, um die rapide Versiegelung von Naturflächen einzudämmen und Alternativen zu Gewerbe- und Neubaugebieten auf der grünen Wiese vor den Toren der Stadt zu stärken. „Wir müssen die Grundsteuer unbedingt als Lenkungsinstrument begreifen“, fordert Kriese.
Sein Gegenvorschlag: eine Bodensteuer. Grundstücke sollen ganz einfach gemäß ihrer Größe besteuert werden, unabhängig davon, ob sie bebaut sind oder nicht.
Je mehr Wohnungen auf einem Grundstück vorhanden sind, desto geringer würde die Belastung durch eine Bodensteuer für die einzelnen Mieter ausfallen, da der Vermieter den Gesamtbetrag auf sie aufteilt. Zudem träfe eine Bodensteuer die Eigentümer empfindlicher, die ihre Brachen absichtlich frei von einer Bebauung etwa mit Wohnungen halten, um auf steigende Grundstückspreise zu spekulieren. Bestenfalls so empfindlich, dass sie das Grundstück an einen bauwilligen Investor verkaufen oder selbst nicht länger leer stehen lassen.
Ulrich Kriese vom NABU ist sich zudem sicher, dass nicht mehr so viel neues Bauland weit außerhalb der Stadtzentren erschlossen würde und ökologische Ausgleichsflächen erhalten blieben. „Kommunen sind in Vorleistung gegangen, haben Flächen innerorts erschlossen, Baurecht geschaffen und damit signalisiert, dass sie wollen, dass auf einem Grundstück etwas geschieht.“ Käufer der Areale wollen aber vielleicht gar nicht bauen – oder aber haben andere Pläne als die Kommune und wehren sich gegen deren Vorgaben wie einen Anteil von Sozialwohnungen; die Fläche bleibt dann leer. Ein Beispiel hierfür ist die weit über Berlin hinaus bekannte Cuvry-Brache im Bezirk Kreuzberg.
Tatsächlich ist das sogenannte Innenentwicklungspotenzial in Deutschland viel größer als meist angenommen: Eine Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumentwicklung geht davon aus, dass in hiesigen Städten und Gemeinden Platz für Neubau in der Größenordnung von durchschnittlich 15 bis 20 Quadratmetern pro heutigem Einwohner Deutschlands ist. 56 Prozent dieses Platzes seien Baulücken – eben die Flächen, die heute häufig nur der Spekulation dienen. „Es geht darum, weniger zu spekulieren und vielmehr wirklich Werte zu schaffen“, sagt der Ökonom Thilo Schaefer, in Köln beim Institut der deutschen Wirtschaft für Umwelt, Energie und Infrastruktur zuständig und Mitautor der Studie „Mehr Boden für die Grundsteuer“. Es sei aus ökologischen Gründen nicht nur sinnvoll, erst Flächen in Städten zu erschließen, die ohnehin schon als Baufläche ausgewiesen sind, sondern gerade auch in bestehende oder zu errichtende Gebäude zu investieren.
Lieber komplex als fix
Was die 14 Landesfinanzminister dagegen planen, bewertet Schaefer als „aufwendig, kompliziert, langwierig und kostenintensiv“. So müssen Verwaltungen neue Datenverarbeitungssysteme schaffen, rund 35 Millionen Gebäudeeinheiten sollen erst von 2022 an und mithilfe von Satellitenbildern vermessen und ausgewertet werden. Laut der Gesetzesinitiative lassen sich die Kosten für das Verfahren „noch nicht beziffern“. Dagegen ließe sich die Bodensteuer ganz schnell umsetzen, da die Grundlage zur Berechnung schon existiert: Quadratmeterzahlen von Grundstücken stehen im Grundbuch.
Die Landesregierungen wollen davon aber nichts wissen. „Es ist nicht beabsichtigt, die Grundsteuer zu einem Lenkungsinstrument umzubauen“, sagt ein Sprecher des CDU-geführten hessischen Finanzministeriums. Zwar sei die Bodensteuer durchaus diskutiert worden, jetzt aber liege ein anderer Kompromiss vor.
Bitter für dessen Kritiker: Es wurde seit Jahren verhandelt, „unter konsequentem Ausschluss der Zivilgesellschaft“, wie NABU und Mieterbund schimpfen. Die einzige Hoffnung nun: Über den Bundestag noch Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess zu nehmen. 2017 sind Bundestagswahlen.
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