Ruhe vor dem Sturm?

Hausbesetzung Berlins Innensenator muss sich Fragen der Opposition stellen, die Gerichtsverhandlung zur Räumung der Rigaer94 dauert an und die Polizei genießt immer noch Sonderrechte
Kurzzeitig gab es Grund zu Feiern
Kurzzeitig gab es Grund zu Feiern

Foto: imago/ZUMA Press

Es ist warm, die Sonne scheint. In der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain sieht es aus, als wäre nie etwas gewesen. Polizisten halten sich dort zwar noch auf, jedoch relativ zurückgezogen auf einem Supermarktparkplatz.

In den sozialen Medien freuen sich die Sympathisanten des linken Wohnprojekts Rigaer94 noch immer über das Versäumnisurteil, das vergangenen Mittwoch vor dem Landgericht Berlin erlassen wurde. Lukas Theune, Rechtsanwalt des Vereins "Freunde der Kadterschmiede e.V." ist in einem Eilverfahren gegen die Räumung der in der Rigaer Straße 94 gelegenen Kneipe Kadterschmiede vorgegangen. Da der Gegenanwalt nicht erschienen ist, erging das Urteil. Die vorsitzende Richterin bemängelte, dass die Rechtsgrundlage für die durch die Polizei unterstützte Räumung fehlte: Ein entsprechender Räumungsbeschluss sei bis dato nicht vorgelegt worden.

Wegen der unrechtmäßigen Vorgehensweise werden die Rufe nach politischen Konsequenzen lauter. Der Innensenator Frank Henkel (CDU) solle zurücktreten. Die Oppositionsparteien und sogar der in linksautonomen Kreisen geschmähte SPD-Rechtsaußen Tom Schreiber haben eine Sondersitzung beantragt. Am Donnerstag werden Henkel und der Polizeipräsident Klaus Kandt mit rechtlichen Fragen über den Polizeieinsatz bei der Räumung konfrontiert.

Eigentlich ein Grund zu feiern, wie es bereits vergangene Woche mit Sekt und Konfettiregen auf der Rigaer Straße getan wurde. Doch die gute Stimmung wird getrübt, da schon bald ein neuer Sturm aufziehen könnte. Der neue Anwalt der Hauseigentümer hat noch am Mittwoch Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt. Da es sich um ein Eilverfahren handelt, rechnet Theune mit einer baldigen Fortsetzung des Verfahrens.

Zudem zählt das Gebiet um die Rigaer Straße immer noch zu den sogenannten „kriminalitätsbelasteten Orten“, an denen Polizisten alle Passanten ohne Angabe von Gründen kontrollieren und festhalten können. „Nicht einmal die Abgeordneten des Berliner Senats erhalten über die Dauer der Gefahrenzone Auskunft“, kritisiert Hakan Taş von der Linken diesen Umstand. Politisch dagegen vorgehen könne man leider nicht. „Wir lehnen Gefahrengebiete prinzipiell ab. Sie bieten keine Lösungen.“ Konflikte in einer Stadt ließen sich nur durch Gespräche mit allen Beteiligten beseitigen, so Taş.

Auch politische Konsequenzen wird es nach Einschätzung von Taş wohl nicht geben. „Eigentlich wäre die CDU gut beraten, sich einzugestehen, zum Regieren dieser Stadt nicht fähig zu sein“, meint der Linken-Politiker. Doch vor der Landtagswahl in Berlin sei nicht damit zu rechnen, dass sich die Fraktion von Henkel trenne. Mit seinem Vergleich der linken Szene mit SS- und SA-Methoden wird der Innensenator wohl auch ungeschoren davon kommen: Eine Anzeige wegen Beleidigung kann nur gestellt werden, wenn sie gegen eine bestimmte Person gerichtet wurde.

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Geschrieben von

Marisa Janson

Ökonomin, Anti-Rassistin, Feministin & Journalistin. @asiramsa

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